zum Hauptinhalt
Harter Gegner. Der deutsche Block (hinten) hatte gegen die iranische Offensive einige Probleme. Am Freitag musste sich die Nationalmannschaft 0:3 geschlagen geben, am Sonnabend siegte sie dann selbst 3:0.

© promo

Volleyball: Persische Lehrstunden

Im Iran ist Volleyball auf dem Weg zur Sportart Nummer eins. Bei ihrem Gastspiel in Teheran überrascht die deutschen Volleyballer das starke iranische Team - und auch das Land selbst.

Der Lärm war ohrenbetäubend, 15 000 iranische Fans machten die Azadi Hall zum Hexenkessel, die gewaltigen Lautsprechertürme links und rechts neben dem Anschreibertisch waren fast überflüssig. Schon drei Stunden zuvor hatten sie die Sportstätte gestürmt, es war ja erst das zweite Heimspiel-Wochenende für sie bei ihrer Premiere in der Volleyball-Weltliga. Am Freitag peitschten die Zuschauer ihr Team noch zum 3:0-Sieg gegen Deutschland, am Samstag nutzten die frenetischen Anfeuerungsrufe aber nichts. Die deutschen Volleyballer zeigten sich nervenstark und siegten in drei Sätzen (25:21, 25:23, 25:22). Damit schlossen sie die Weltliga-Vorrunde auf Platz drei ab, mit 17 Punkten vor Serbien, dem Iran und Kuba.

Tags zuvor hatte sich Bundestrainer Vital Heynen verwundert die Augen reiben müssen. „Wir waren nicht vorbereitet auf so einen beeindruckenden Auftritt der Iraner“, sagte er. Seine Spieler liefen dem Geschehen nur hinterher, sie hätten nie am Spiel teilgenommen, sagte er. Mannschaftskapitän Jochen Schöps sah es nicht anders: „Sie haben uns die gesamte Partie unter Druck gesetzt, so dass wir nie unser Level erreicht haben.” Geplatzt war die Hoffnung von einer erneuten Finalrundenteilnahme wie im letzten Jahr, auch wenn davon zu Beginn der Weltliga im deutschen Lager niemand geträumt hatte. „Das war nie unser Ziel, wir sind wie die Iraner angetreten, um zu Lernen”, so Schöps.

Am Freitag zeigten jedenfalls die Iraner die höheren Lernergebnisse. Unter den Augen von Willi Lemke, dem UN-Sonderberater für Sport und Frieden, und seinem Freund, dem DVV-Präsidenten Thomas Krohne, zeigten sie „Volleyball mit Herz”, wie es ihr Coach Julio Velasco beschrieb. Der Argentinier, der in den 90er Jahren Italien in die Weltspitze führte, machte sich eher Sorgen „um Kopf und Verstand, damit sie nicht überdrehen“.

Velasco arbeitet im zweiten Jahr im Iran und hat gelernt, die Menschen und ihre Mentalität zu verstehen. „Ich dachte, unter dem iranischen Regime haben die Leute viele Ängste, so wie es jeder Ausländer vermutet“, sagt er. „Als erstes haben sie mir erklärt, wir sind nicht Araber, wir sind Perser. Darauf sind sie stolz.“ Es überraschte ihn, dass Frauen Autofahren dürfen, dass ihm bei den Pressekonferenzen viele Journalistinnen Fragen stellen. Natürlich gibt es Einflüsse religiöser Fanatiker. „Im letzten Jahr bei den Weltliga-Qualifikationsspielen gegen Japan waren beim ersten Spiel Frauen in der Halle und wurden auf Pressefotos und im Fernsehen gezeigt. Am nächsten Tag durften keine mehr in die Halle, weil sich irgendwer verletzt gefühlt hatte.“

Volleyball als verbindendes Element. Im Iran ist der Sport derzeit auf dem Weg zur Nummer eins.

Auch Willi Lemke hat in zwei Tagen intensiver Gespräche alle Seiten erfahren. „Ich versuche immer in kleinen Schritten auf die Menschen zuzugehen, um den Sport für den Frieden zu nutzen. Das ist eine Zielsetzung der Vereinten Nationen“, sagt Lemke, der zuvor im Auftrag des UN-Generalsekretärs Nordkorea besucht hat. „Ich habe zwar den Volleyballern sportlich kein Glück gebracht, aber es war dennoch ein tolles Erlebnis.“ Das Miteinander im Olympic-Hotel im Westen der Stadt, wo beide Teams nicht nur untergebracht waren, sondern sich auch den Speisesaal teilten, wertete er als Symbol, „den Sport als Kommunikationsmedium zu nutzen“. Im Fußball gibt es das auf der Ebene nicht, „wir wären nicht mal ins gleiche Hotel gezogen“.

Volleyball als verbindendes Element. Im Iran ist der Sport derzeit auch auf dem Weg zur Nummer eins. Bislang galt das Interesse den Ringern und Gewichthebern, die olympische Medaillen mit nach Hause brachten. Seit der Verband die Superliga durch Gewinnung von Privatbanken als Sponsoren stärken konnte, steigt die Popularität der Schmetterkünstler. „Die Leute spielen im ganzen Land“, sagt Verbandspräsident Mohammed Reza Davarzani. Die Platzierungen der Nachwuchsteams bei internationalen Meisterschaften sind die Früchte dieses Aufschwungs. Jochen Schöps glaubt, „dass der Verband tolle Arbeit leistet und sie in den nächsten Jahren weltweit richtig was reißen können“.

DVV-Präsident Thomas Krohne nimmt aus Gesprächen mit dem UN-Koordinator Gary Lewis und dem deutschen Botschaftsgesandten Lothar Freischlader die Erkenntnis mit, „dass nicht nur Volleyball, sondern der Sport überhaupt als neutrale Basis, die keine Angriffsfläche bietet, helfen kann, dieses Land in einem anderen Licht erscheinen zu lassen“. Er sei mit gespannten Erwartungen angereist, habe aber „an keiner Straßenecke einen mit einer Kalaschnikov in der Hand gesehen oder befürchtet, eingesperrt zu werden. Der Ramadan ist die einzige Einschränkung, aber das ist religiös begründet.“ Das Land habe ihn extrem positiv überrascht.

Mit seinem Freund Lemke ließ sich Krohne über die Folgen des Wirtschaftsembargos informieren. „Wir Deutschen halten uns als Bündnispartner der Amerikaner, Engländer und Franzosen daran. Aber die deutsche Wirtschaft ist hier hoch angesehen“, sagt er. Es könne doch nicht angehen, dass „unsere medizinischen Produkte nicht geliefert werden dürfen. Jetzt kaufen die Iraner in China ein, wo sie viel schlechtere Qualität bekommen. Wir verhindern unsere internationale Wirtschaftskraft anzukurbeln und auszubauen.“ Krohne will nun Wege suchen, über den Sport vermittelnd zu helfen. Auch wenn ihm das Auftreten seiner Nationalmannschaft gegen die Iraner insgesamt alles andere als gefallen hat, „aber so ist das nun mal im Sport“.

Klaus Wegener

Zur Startseite