zum Hauptinhalt

Sport: Vollgas übers Stoppschild

Maik Franz freute sich über seinen Coup. Der Hertha-Verteidiger war vor dem Spiel bei 1860 München wegen einer Erkältung angeschlagen, „aber ich habe es dem Trainer natürlich nicht gesagt“, erklärte er verschmitzt.

Von Christian Hönicke

Maik Franz freute sich über seinen Coup. Der Hertha-Verteidiger war vor dem Spiel bei 1860 München wegen einer Erkältung angeschlagen, „aber ich habe es dem Trainer natürlich nicht gesagt“, erklärte er verschmitzt. Statt sich im Bett auszuruhen, spielte er mit und erntete danach allgemeinen Respekt dafür. Er hatte auf die Zähne gebissen.

Den Schmerz herunterzuschlucken – erwartet man das nicht von einem Spitzensportler? Gibt es nicht eine unausgesprochene Vereinbarung darüber, dass die Athleten für das viele Geld auch eine gewisse Leidensfähigkeit mitbringen sollten? Eigentlich sind Schmerzen nichts weiter als ein deutliches Stoppschild des Körpers. Doch statt es zu akzeptieren, wird es immer öfter überfahren. 11 Prozent der deutschen Athleten gaben in einer Sporthilfe-Umfrage zu, regelmäßig zu Schmerzmitteln zu greifen. Der tatsächliche Wert dürfte allerdings deutlich höher liegen.

Die Einnahme von Schmerzmitteln ist inzwischen so verbreitet, dass sie der Vorsitzende der Medizinischen Kommission der Fifa als bedrohlicher einstuft als Doping. Es fange schon im Jugendbereich an, sagt der Belgier Michel D’Hooghe. Schon 17-Jährige würden Muskelverletzungen regelmäßig mit starken Medikamenten behandeln, statt sie richtig auszukurieren.

Doch D’Hooghes Worte sind nicht zuallererst für unwissende Talente bestimmt. Sie richten sich vor allem an seine Vorgesetzten. Schließlich sind die mächtigen Herren in der Fifa genauso wie ihre Kollegen in der Uefa und den nationalen Ligen dafür verantwortlich, dass die Körper der Fußballspieler einfach keine Zeit mehr für die nötige Erholung bekommen. Der Kalender ist mit viel zu vielen Spielen überfrachtet. Die Rechnung ist klar: mehr Action, mehr Geld – am Ende auch für die Spieler. Deswegen murren sie nicht, sondern greifen zur Regeneration per Tablette oder Spritze.

Der Missbrauch der Schmerzmittel trotz nicht absehbarer Langzeitfolgen ist aber kein spezifisches Fußballproblem. Er ist auch deswegen so verbreitet, weil er wegen des steigenden Leistungsdrucks gesellschaftlich toleriert wird. Wer bleibt mit einer Erkältung schon sofort zu Hause, wer hat keine Schmerztabletten in der Büroschublade? Ein bisschen Maik Franz steckt in jedem von uns.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false