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Sport: Vom hohen Ross gefallen

In Berlin findet seit Jahren kein wichtiges Reitturnier mehr statt – nun will ein Hamburger neu anfangen

Berlin - Dies ist eine Geschichte, die von Geld, Enthusiasmus und Brüderstreit handelt. Schön ist an ihr nur ihr momentanes Ende. Und deshalb sei das vorgezogen: Es gibt da einen, der will es nochmal versuchen, das große Berliner Pferdeturnier CHI wieder auferstehen zu lassen. Der Mann ist ein erfolgreicher Turnierveranstalter aus Hamburg, verantwortlich etwa dafür, dass das Turnier in Neustadt-Dosse so gut funktioniert. Er heißt Herbert Ulonska und hat erst kürzlich mit dem Veranstalter der Pferdemesse „Hippologica“ in Berlin zusammengesessen und beraten. Sein letztes Wort war: „Ich mache das, wenn ihr das letzte finanzielle Risiko tragt. Ich besorge Sponsoren, die eine Summe von 150 000 Euro herankarren.“ Doch so einfach ist diese Geschichte nicht.

Es wäre die Wiederbelebung eines Traditions-Springturniers. Seine Premiere im Berliner Sportpalast liegt schon 85 Jahre zurück, ab 1936 fand es in der Deutschlandhalle statt, unterbrochen vom Krieg und der Zeit des Wiederaufbaus der Halle. Am Ende gab es den umstrittenen Umzug ins Velodrom. 2003 fand das Turnier zum letzten Mal statt, und zwar wieder auf dem Messegelände. Danach wurde es Schritt für Schritt eingeschläfert. „Wir machen Pause!“, hieß es, aber die wurde zu einem schier endlosen Dornröschenschlaf. Jetzt, da gerade in anderen Städten große Winterturniere stattfinden, bleibt Berlin für die Reitszene verschlossen. Warum eigentlich?

Vielleicht war der Umzug ins Velodrom der Anfang der Schwierigkeiten. Auf Bitten der Stadt sei man ins Velodrom gezogen, erzählt Eric Brüger – und weil die Miete weitaus geringer gewesen sei. Brüger ist Geschäftsführer der niederländischen Firma BCM, des größten europäischen Turnierveranstalters. „Das Velodrom steht im Ostteil der Stadt, und die West-Berliner Besucher kamen nicht mehr in der großen Anzahl, wie sie zuvor in die Deutschlandhalle gepilgert waren.“ Die Reiter mussten zwischen abgepolsterten Betonsäulen ihre Pferde vorbereiten, „da konnte kein Dressurpferd eine Traversale gehen“, also einmal im Seitengang die Halle queren, erinnert sich der damalige Turnierchef Peter Krautwig.

Die Veranstalter bemühten sich, in die Deutschlandhalle zurückzukommen. Letztlich gelang es für 2003, den Vertrag mit dem Velodrom zu annulieren – das letzte Berliner Hallenturnier fand auf dem Messegelände statt. „Als Sponsoren sind uns da aber Eternit und Mastercard weggebrochen“, erklärt Brüger, „und wenn nur ein Großer bleibt – das ist zu wenig.“ Außerdem klaffte in seiner Firmenkasse ein Loch wegen der Maul- und Klauenseuche: Im März 2003 musste etwa ein 80 000-Zuschauer-Turnier in ’s-Hertogenbosch einen Tag vor Beginn abgesagt werden, weil es ein Tiertransportverbot gab. Konsequenz des Turnierveranstalters: Für Berlin, das sowieso schwierige Kind, wurde eine einjährige Pause angesetzt. „Doch wir merkten auch nach diesem Jahr: Wir kriegen es nicht mehr hin“, erzählt Brüger. Er habe gehofft, dass es einfacher würde mit der wirtschaftlichen Situation in Berlin, denn zu 80 Prozent trage sich ein Turnier durch lokale Werbepartner.

Ganz anders hört sich das Sterben des Berliner Hallenturniers allerdings aus Sicht des Ex-Geschäftspartners von Eric Brüger, Kaspar Funke, an. Er sei bereit gewesen, das Turnier zu übernehmen, so dass es im Jahr 2005 nicht hätte ausfallen müssen, sagt Funke. Denn je länger so eine Veranstaltung pausiere, desto schwieriger wird es, wieder Sponsoren zu finden. Deshalb hätte er über einen Vermittler gebeten, dass BCM den Vertrag mit den Messehallen auflöst, und er einspringen kann. Kritiker bemängelten, Brüger hätte am Vertrag festgehalten, um so den ehemaligen Geschäftspartner zu bremsen. Das CHI Berlin – ein Scheidungsopfer zweier Geschäftspartner? „Nein“, sagt Eric Brüger, „Das war eine rein wirtschaftliche Entscheidung.“ Dass er an seinen Verträgen mit der Messe festgehalten hätte, statt sie für einen anderen Veranstalter freizugeben, weist er zurück: „Ich kann mich an keine offizielle Anfrage erinnern.“ Es könnte aber sein, dass er damals nur an eine Pause geglaubt habe. Ein Detail, das letztlich ausschlaggebend für das Ende des Berliner Hallenturniers war.

Schwierig wäre es sowieso gewesen. Denn sportlich und wirtschaftlich lief es nicht optimal. Fand in Berlin 1985 noch das Weltcup-Finale der Springreiter statt, verlor das Turnier in den neunziger Jahren seine Weltcup-Prüfung, jetzt finden sie in Deutschland in Leipzig und Stuttgart statt. Die Hauptstadt sei ein schwieriger Ort für den Reitsport, denn „Turniersport lebt vom Zuzug“, sagt Peter Krautwig, Turnierchef der letzten Berliner CHI. Vor allem die ländliche Bevölkerung sei eben dem Reitsport verbunden. Veranstaltungen in Brandenburg oder Sachsen hätten es da einfacher, „weil man für Reitsport nicht nur urbanes Publikum braucht“. Turniere funktionieren dort am besten, wo Zucht und Reiten aufeinandertreffen: Wo etwa der Züchter aus seinem Dorf in Westfalen eine Stunde nach Münster fährt, um zu schauen, wie sich potenzielle Vätertiere über Hürden heben. Und man so direkt die lokalen Sponsoren dazu findet: Traktorfirmen, Futtermittelhändler. Das einzige Produkt, das in Stadt und Land funktioniert, „das sind Biermarken“, sagt Krautwig.

Die Lösung liegt für den Neuen, Herbert Ulonska, in der Verknüpfung des Turniers mit der Messe „Hippologica“, die alljährlich im Dezember stattfindet. Zwei Wege könnte er sich vorstellen: ein großes, nationales Turnier oder ein Turnier mit internationaler Beteiligung, zu dem etwa vier Nationen zusätzlich eingeladen werden. „Direkt ein großes internationales Turnier zu starten, wäre zu teuer“, sagt Ulonska. Eine solche Veranstaltung müsse langsam wachsen, Beziehungen zu Sponsoren gepflegt werden. Pflegen, gedeihen lassen, Geduld haben: Vielleicht schafft der Hamburger so den Neustart für das CHI. Noch wartet Ulonska auf eine Zusage der Messeveranstalter, das finanzielle Risiko zu tragen.

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