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Sport: Vom Nutzen der Eigentore

Unions neuer Kapitän Steffen Baumgart hat in der Zweiten Liga seine sportliche Heimat gefunden

Von Karsten Doneck, dpa

Zinnowitz/Berlin. Irgendwann kam die Pechsträhne: Seine Tore fielen nur noch auf der falschen Seite, innerhalb kurzer Zeit traf er gegen 1860 München und den FC Bayern jeweils einmal ins eigene Netz. Vielleicht waren diese Eigentore für Steffen Baumgart das entscheidende Signal, das Weite zu suchen. Sechs Jahre bei Hansa Rostock in der Bundesliga, dazwischen eine Saison beim VfL Wolfsburg – da tat eine Veränderung gut.

Inzwischen geht Steffen Baumgart in seine zweite Saison beim 1. FC Union. Unlängst wurde er sogar zum neuen Mannschaftskapitän gewählt. Das Vertrauen der Spielkameraden hat sich der 31-Jährige hart erarbeitet. Durch tadellose Leistungen und neun Saisontreffer – alle ins gegnerische Tor übrigens. Als Verhandlungsführer hatte er im Winter mit dem Präsidium über einen Gehaltsverzicht gefeilscht.

Zweite Liga nach sieben Jahren Erstklassigkeit: Ist das für Baumgart nicht ein sportlicher Absturz? „Läuferisch, kämpferisch, vom Einsatz und Willen her wirst du in der Zweiten Liga doch häufig noch mehr gefordert als in der Bundesliga“, sagt Baumgart. Die Mehrarbeit nimmt der Stürmer gerne in Kauf, fühlte er sich doch bei Hansa Rostock am Ende nicht mehr ernst genommen. Er drückt das in drastischen Worten aus: „Rostock hat mich eindeutig verscheißert, das war reine Verarschung.“ Es ging um die Verlängerung seines im Juni 2002 auslaufenden Vertrages. Immer wieder wurde die Verlängerung vertagt, vertagt, vertagt – und irgendwann offenbar vergessen. Baumgart reichte es, er schloss vier, fünf Wochen vor Saisonende für sich das Kapitel Hansa Rostock ab.

Fortan sondierte er den Markt. „Es gab Angebote, von der ersten bis runter zur vierten Liga“, sagt er. Zuerst prüfte er ein lukratives Angebot aus China. 14 Tage hielt er sich in Peking auf, witzig sei es dort gewesen, wie er rückblickend sagt. Weniger witzig war allerdings, dass die Chinesen das ihm versprochene Gehalt von Tag zu Tag nach unten korrigieren wollten. Baumgarts Humor litt darunter beträchtlich, er kehrte nach Deutschland zurück – und nahm wenig später die Offerte vom 1. FC Union an.

Der gebürtige Rostocker ist ein Spätzünder. Erst als 22-Jähriger unterzeichnete er seinen ersten Profivertrag. Vorher hatte er solide Berufe erlernt: Nach der Ausbildung als Schlosser in Schwerin ging er ein Jahr lang zur Polizei, nach der Wende lernte er in Aurich Kfz-Mechaniker. Mit der Spielvereinigung Aurich musste er ab und zu mal gegen die Amateure von Hannover 96 ran. Baumgart hinterließ bei Hannovers damaligem Trainer Frank Pagelsdorf bleibenden Eindruck. Pagelsdorf holte Baumgart später zu Hansa Rostock.

Baumgart machte sich schnell einen Namen. Andere Klubs, unter anderem der Hamburger SV, waren bereit, Millionen für ihn zu zahlen, der damalige Bundestrainer Berti Vogts hatte seinen Namen im Notizbuch. „An mich ist niemand herangetreten, ich hatte ja einen Vertrag in Rostock“, sagt Baumgart. Er konnte über die Jahre das hohe Niveau nicht halten, geriet bei Hansa unter Trainern wie Armin Veh oder Ewald Lienen auf die Ersatzbank.

Dass in seiner Karriere etwas schief gelaufen sein könnte, streitet Baumgart indes rigoros ab. „Für das Talent, das ich besitze, habe ich doch eine Menge erreicht“, sagt er. „Ich bin eben technisch kein Genie, ich musste mir im Fußball immer alles hart erarbeiten.“ Die Psyche ist intakt, die Eigentore haben keine bleibenden Schäden hinterlassen. Und die alte Schlagfertigkeit ist auch noch da. Ob seine Mannschaft die Hosen voll gehabt habe, wurde Baumgart mal nach einem Spiel gefragt. „Weiß nicht“, hat er da geantwortet, „ich habe nicht nachgeschaut.“

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