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Mitchell Weiser verlässt offenbar Hertha BSC, bleibt der Bundesliga aber wohl erhalten.

© Ralf Hirschberger/dpa

Update

Von Hertha BSC nach Leverkusen?: Mitchell Weiser wird Hertha wohl verlassen

Mitchell Weiser hat bei Hertha BSC keine besondere Saison gespielt – trotzdem könnte er bald mit Bayer Leverkusen in der Champions League auflaufen.

Jürgen Klinsmann war nur zwei Jahre Bundestrainer der deutschen Fußball-Nationalmannschaft, trotzdem hat er in dieser kurzen Zeit stilbildend gewirkt. Im Großen wie im Kleinen. Zur Weltmeisterschaft 2006 hat Klinsmann den damals nahezu unbekannten David Odonkor für seinen WM-Kader nominiert, und seitdem wird vor jedem großen Turnier gerätselt, wer denn wohl der neue Odonkor werden könnte.

Das ist auch jetzt wieder so, 25 Tage, bevor Klinsmanns Nachfolger Joachim Löw sein Aufgebot für Russland bekannt geben wird. Als möglicher Überraschungskandidat ist zuletzt auch ein Berliner genannt worden: Nico Schulz von der TSG Hoffenheim.

Wenn man vor einem Dreivierteljahr gesagt hätte: Löw nimmt einen Berliner mit zur WM, wäre wohl niemand auf Schulz gekommen. Stattdessen hätten alle sofort an Mitchell Weiser gedacht, der die deutschen U 21 gerade zum EM-Titel geköpft hatte. Inzwischen aber wird Weiser nicht mal mehr als Überraschungskandidat gehandelt. Und wenn Hertha BSC an diesem Samstag bei Eintracht Frankfurt antritt, wird man Weiser an seinem 24. Geburtstag vergeblich in der Startelf suchen.

Hertha ohne Weiser – daran können sich die Anhänger schon mal gewöhnen. Der „Kicker“ hat vermeldet, dass der Rechtsverteidiger sich mit Bayer Leverkusen auf eine Zusammenarbeit ab dem Sommer verständigt habe. Dank einer Ausstiegsklausel darf Weiser Hertha für eine Ablöse von zwölf Millionen Euro verlassen. Obwohl tags zuvor noch Borussia Dortmund als dessen neuer Arbeitgeber vermeldet worden war und Herthas Manager Michael Preetz sagt, dass nun die Transferzeit begonnen habe, „wo wir jeden Tag die tollsten Geschichten in der Zeitung lesen“: Es läuft wohl tatsächlich auf eine Trennung hinaus.

Weiser ist ehrgeizig. Und während Hertha die laufende Saison irgendwo im Mittelfeld beenden wird, sieht es so aus, als könnte er mit Bayer künftig in der Champions League spielen – und sich durch Einsätze auf höchsten internationalen Niveau auch für die Nationalmannschaft empfehlen. In Berlin scheint Weiser das nicht gelungen zu sein, trotz zum Teil überzeugender Leistungen.

Im November war Weiser zuletzt an einem Tor beteiligt

„Er hat zwei richtig gute Jahre hier gehabt“, sagt Michael Preetz über den früheren Münchner, den er im Sommer 2015 ablösefrei vom FC Bayern verpflichtet hat. Die aktuelle Spielzeit sei hingegen etwas durchwachsen, findet Herthas Manager. „Er ringt im Moment ein bisschen um seine Verfassung.“ Trainer Pal Dardai hat Weiser oft als „kleinen Spielmacher“ bezeichnet, der mit überraschenden Moves von der Außenbahn in die Mitte die defensive Ordnung des Gegners destabilisiert hat. Zuletzt aber ist Weiser das nur noch selten gelungen. In dieser Saison kommt er auf ein Tor und zwei Vorlagen; an einem Treffer seiner Mannschaft war er in zuletzt Anfang November beteiligt.

Am Wochenende hat Dardai Weiser sogar schon zur Pause vom Platz genommen. Ausgerechnet gegen den 1. FC Köln. Gegen den Verein, für den er 2012 sein Debüt als Profi gegeben hat, dessen jüngster Bundesligaspieler er bis zum Herbst war – und dessen Fans ihn seit seinem Wechsel zu den Bayern hemmungslos niederpfeifen. „Wir können niemanden spielen lassen, der uns unsicher macht“, hat Dardai die vorzeitige Auswechslung begründet. Die Statistik bei Toren, Vorlagen, Stellungsfehlern habe nicht für Weisers Weiterbeschäftigung in diesem Spiel gesprochen. „Wie soll ich das Peter Pekarik erklären?“, fragt Dardai. „Peka macht nie einen Stellungsfehler. Er schlägt auch ordentliche Flanken, und er hat diese Saison genauso viele Tore vorbereitet wie Weiser.“

Lukas Klünter aus Köln könnte kommen

Den auslaufenden Vertrag mit Pekarik hat Hertha bereits verlängert. Bei dem 31 Jahre alten Slowaken weiß man, was man bekommt: keine große Kunst, dafür ein hohes Maß an Verlässlichkeit, vor allem in der Defensive. Für eine offensivere Interpretation der Position gäbe es im aktuellen Kader Valentino Lazaro, der in Salzburg Erfahrungen als Rechtsverteidiger gesammelt hat. Der Österreicher wäre so etwas wie Weiser 2.0. „Tino ist ein ähnlicher Spieler, aber sogar noch schneller und dynamischer“, sagt Dardai über Lazaro. „Und er ist auch sehr zuverlässig.“ Zudem gibt es Gerüchte, dass Hertha an Lukas Klünter, 21, vom 1. FC Köln interessiert ist, ebenfalls U-21-Europameister.

Mitchell Weiser könnte schon bald Vergangenheit sein. „Was wir ihm gegeben haben – Spielzeit, Vertrauen –, das kriegen junge Spieler selten. Er kann uns nichts vorwerfen“, sagt Dardai. Der Ungar wirkte zuletzt erkennbar genervt, wenn er wieder und wieder auf Weiser und dessen dürftige Leistungen angesprochen wurde. Nein, sagte er, es werde kein Einzelgespräch mit ihm geben. Dardai hat sich auf nonverbale Kommunikation beschränkt. Diese Woche im Training wurde Weiser kurz vor dem Tor von Julian Schieber rüde umgesenst. Es hätte Elfmeter geben müssen, Weiser schaute zu Schiedsrichter Dardai. Doch der winkte nur mit den Händen. Weiterspielen.

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