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Sport: Von Kanada lernen, heißt feiern lernen

Auch noch ein Jahr später lebt Vancouver Olympia – ein Vorbild für München?

Olympia, immer noch, und überall. Knallrot leuchten die Vancouver-2010-Handschuhe und Sweatshirts der Spaziergänger an der Uferpromenade in Vancouver am Pazifischen Ozean. Am 12. Februar ist es ein Jahr her, dass 6500 Athleten und Funktionäre aus 82 Ländern in Vancouver und Whistler bei den Olympischen Winterspielen 17 Tage lang um Medaillen kämpften. Im März 2010 rissen dann die Paralympics Millionen Zuschauer weltweit mit. Von Olympia ist in Kanada weit mehr geblieben als der olympische Geist und der Stolz auf Platz eins der Medaillenwertung. Für Kanada haben sich die Spiele auf verschiedenste Weise bezahlt gemacht. So bezahlt, das auch die Münchner Bewerbungsgesellschaft für die Winterspiele 2018 genau hinschaut. Die Kanadier machen vor, wie es geht.

Draußen in den verschneiten Bergen von Whistler schleppen junge Snowboarder ihre Bretter erschöpft in die Jugendherberge mitten im olympischen Dorf, drinnen fährt Emely Taylor von der „Whistler 2020 Entwicklungsgesellschaft“ in ihrem kleinen Büro den Computer hoch. „221 Appartements und Townhouses hatten wir im Angebot, 217 sind schon verkauft“, sagt sie. Die Preise liegen weit unter den üblichen im exklusiven Skiort Whistler, mindestens 155 000 kanadische Dollar für eine Wohnung mit einem Schlafzimmer und 525 000 für ein Anwesen. „Wenn sie weiterverkauft werden, dürfen die Eigentümer sie nur um ein Prozent im Preis anheben, damit hier nicht spekuliert wird“, sagt Taylor. Einige Olympiasieger haben in ihrem vorübergehenden Domizil sogar kleine Erinnerungen für ihre Nachmieter hinterlassen, Maskottchen, Autogrammkarten, olympische und paralympische Souvenirs.

Für den Grund und Boden der Spiele bekamen die Indianer der Squamisch Lil'wat Ausgleichszahlungen, und sie wurden als Mitveranstalter der Spiele ins Boot geholt. In Deutschland hingegen wollen viele Bauern ihre über Generationen geerbten Ländereien nicht hergeben. Im olympischen und paralympischen Dorf am Pazifik in Vancouver ist allerdings noch vieles zu haben, hier liegen die Preise höher, und leisten kann sich das nach der Rezession auch nicht jeder.

Auch die wenigen Arenen, die damals für die Spiele neu gebaut wurden, sind nicht zu verlassenen Olympia-Relikten allein für Touristengruppen degradiert worden wie etwa das Nationalstadion in Peking nach 2008. Im Richmond Olympic Oval etwa kann man auf dem Boden noch die Markierungen der Eisschnelllaufbahn sehen. Die rund 56 Millionen Euro Investitionskosten, je zur Hälfte von British Columbia und der kanadischen Regierung getragen, haben sich laut Betreiber rentiert. Aus dem Oval, in dem Anni Friesinger ins Finale rutschte, ist ein florierendes Freizeitzentrum mit Dutzenden von Sportarten unter einem Dach geworden. Für 13 kanadische Dollar kann man hier den ganzen Tag Gewichte stemmen, Eislaufen und Tennis spielen. Ringsherum entsteht ein ganzer ebenfalls ökologisch geplanter Stadtteil neu.

Viel Betrieb herrscht zudem an der neuen nordischen Anlage im Whistler Olympic Park. Verwaltet wird alles von einer so genannten „Olympia-Erben“-Gesellschaft mit vielen Ehrenamtlichen und Vertretern von Provinz, Staat und Indianerstämmen. „Entdecke Biathlon“ heißt ein Angebot, für 65 Euro kann man anderthalb Stunden langlaufen und schießen wie ein olympischer Biathlet – auf den alpinen Pisten kann man einen Olympioniken als Vorläufer buchen.

Anderswo wird noch umgebaut. Am BC-Place-Stadion, in dem die Eröffnungs- und Abschlussfeier vor 3,5 Milliarden Menschen an den Bildschirmen weltweit stattfanden, soll 2013 ein Hotel- und Casino-Komplex eröffnen.

„Trotzdem kommen uns die Spiele teuer zu stehen“, kritisiert Limousinenshuttlefahrer John H. Meier in Vancouver. Eigentlich ist er Literatur-Historiker, doch weil Sozialleistungen und Kunstförderung gekürzt worden sei, sitze er jetzt hinterm Steuer. Die Tageszeitung „Vancouver Sun“ hat vor Kurzem die Olympia-Kosten sogar auf sieben Milliarden kanadische Dollar hochgerechnet.

„Da sind aber Kosten mit dazu geschlagen worden, die nicht rein auf Olympia zurückzuführen sind“, sagt Finanzminister Colin Hansen. „Die Provinz hat für die Olympischen Spiele und Paralympics 765 Millionen ausgeben“, sagt der Minister. „Und wir sind ein Jahr nach den Spielen schuldenfrei.“ Montreal habe dazu 30 Jahre gebraucht. Der Minister ist davon überzeugt, dass die Kritiker „um einiges übertreiben“. Hansen bestätigt aber, dass die Kanadier für mehr Dinge Mehrwertsteuer bezahlen müssen, die „HST-Tax“ gilt jetzt auch für Restaurants und Dienstleistungen. Und viele Grundstücke sind im Wert gestiegen. Gut für die Besitzer, schlecht für die Interessenten.

Doch in Kanada wie in Deutschland gilt für den Leistungssport: Vor Publikum werden Blumensträuße und Medaillen vergeben – und hinter den Kulissen Geschäfte gemacht. Laut Finanzminister Hansen konnte die Region internationale Unternehmen neu ansiedeln, „die vorher nicht wussten, wo Vancouver auf der Weltkarte liegt“. Sabrina Robson vom Tourismusverband British Columbia sagt, derzeit checkten infolge des Imagegewinns rund drei Prozent mehr Gäste in Hotels ein als im Vergleichsmonat vor den Spielen.

Doch das vielleicht wichtigste Erbe der Spiele ist der olympische und paralympische Spirit. Am 12. Februar werden sich Vancouver und Whistler zum Jahrestag noch einmal in olympische und paralympische Feiermeilen verwandeln. Und die Pazifik-Promenaden leuchten sicher wieder in Olympia-Rot.

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