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Sport: Von Rosen und anderen Missverständnissen

Nicht alles, was vom neuen Hertha-Trainer Hans Meyer bekannt ist, entspricht auch der Wahrheit

Berlin. Das größte Missverständnis um Hans Meyer hat eine ziemlich lange Geschichte. Es war noch zu DDR-Zeiten, kurz vor der Wende, als das „Neue Deutschland“ seinen Reportern den Auftrag gab, auch einmal die Menschen hinter den Sportlern zu zeigen. Einer dieser Reporter reiste zum Fußballtrainer Hans Meyer, und er fragte ihn, was er denn in seiner Freizeit mache. „Rosen züchten“, antwortete Meyer. Der Reporter schrieb das in seinem Artikel, und weil das Zentralorgan der SED bekannt war für seine Wahrheitsliebe, ist Meyer seitdem passionierter Rosenzüchter. Dabei, so sagt er, könne er eine Rose kaum von einer Tulpe unterscheiden.

Wenn Meyer, 61, im Januar seinen neuen Job beim Berliner Fußball-Bundesligisten Hertha BSC antritt, wird es folglich auch keine Rosenzucht geben, die er im Stich lässt. Es gibt nur eine Familie, der er seinen Meinungsumschwung erklären muss. Als Meyer im März bei Borussia Mönchengladbach von Ewald Lienen abgelöst wurde, sollte das der endgültige Abschied vom unsteten Trainerleben werden. So hatte er es seiner Frau nach mehr als 30 Berufsjahren versprochen.

Hans Meyer war erst 28, als er 1971 bei Carl Zeiss Jena Nachfolger von Georg Buschner wurde. In Jena hatte Meyer als Trainer auch seine größten Erfolge. Dreimal wurde er Pokalsieger, dreimal Vizemeister, 1981 erreichte er mit Jena sogar das Finale des Europapokals der Pokalsieger, verlor aber 1:2 gegen Dynamo Tiflis. Kein anderer Trainer aus der DDR hatte mehr Europacup-Einsätze als Meyer. „Im Osten war ich so bekannt wie Udo Lattek im Westen“, hat er einmal gesagt. Im Westen aber kannte ihn fast niemand. Als 1989 die Mauer fiel, hat er noch geglaubt, „am Weltklasse-Mann Meyer käme man nicht vorbei. So kann man sich täuschen“.

Zwölf Jahre dauerte es, bis Meyer in der Bundesliga angekommen war. Er musste erst bei einem abstiegsgefährdeten Zweitligisten anfangen, bei einem ziemlich heruntergekommenen Traditionsverein. Borussia Mönchengladbach war im September 1999 gerade aus der Bundesliga abgestiegen, im Pokal gegen den Drittligisten SC Verl ausgeschieden und hatte die ersten drei Spiele in der Zweiten Liga verloren. Meyer baute die Mannschaft um, sortierte alte Spieler aus und tüftelte an einem neuen Spielsystem. Zwischenzeitlich blieb die Mannschaft 19 Spiele ohne Niederlage und scheiterte nur ganz knapp am sofortigen Wiederaufstieg.

Trotz der Erfolge – ein Jahr später stiegen die Borussen auf – hatte Meyer fast von Beginn seines Engagements mit den Vorbehalten der „Bild“-Zeitung zu kämpfen. Meyer geriet deshalb in den Ruf, er pflege ein schwieriges Verhältnis zu den Medien; eine generelle Abneigung gegen Journalisten aber hat er nicht.

Meyer hat im Laufe der Zeit immer mehr Gefallen gefunden an seiner Rolle als lustiger Kauz. Dabei hat Meyers humorige Art fast ein wenig abgelenkt von seinen fachlichen Fähigkeiten. Die wissenschaftliche Basis für seine Arbeit wurde in der DDR gelegt, genauso geprägt aber hat ihn die Erfahrung bei Twente Enschede. Dort hat Meyer die Holland-typische Lust am schönen Spiel kennen gelernt. In Mönchengladbach hat er beides zu kombinieren versucht.

Es waren anfangs zwei Welten, die in Enschede zusammentrafen: ostdeutsche Disziplin und holländische Leichtigkeit. Aus dieser Zeit stammt auch Meyers Beiname „Der General“. Die Bezeichnung hat er nie besonders gemocht, weil sie den Eindruck erweckt, er sei ein Disziplinfanatiker, der von seinen Spielern militärischen Gehorsam verlange. Auch in Mönchengladbach wurde am Ende seiner Amtszeit verbreitet, dass die Mannschaft mit seiner herrischen Art nicht zurechtkäme. In Wirklichkeit standen viele Spieler, vor allem die Führungsfiguren, weiterhin hinter Meyer. Arie van Lent ist vom Fußballmagazin „11 Freunde“ gerade erst gefragt worden, wer die Fußballelf im Himmel trainieren würde, wenn es eine gäbe. Van Lent hat geantwortet: Hans Meyer. So schlimm kann er also nicht gewesen sein.

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