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Selfie im Camp Nou. Kevin Prince Boateng fotografiert sich an seinem neuen Arbeitsplatz.

© Foto: Lluis Gene/AFP

Kevin-Prince Boateng zum FC Barcelona: "Ich weiß, dass ich hier nicht unbedingt Stammspieler werde"

Kevin-Prince Boateng hatte sich schon fast in den Ruhestand verabschiedet, jetzt steht er in Barcelona wieder auf der großen Bühne.

Natürlich, die Sache mit Eric Abidal. Kevin-Prince Boateng hat ihn noch auf dem Rasen kennen gelernt, lange vor seinem Aufsehen erregenden Wechsel zum FC Barcelona, den der Sportdirektor Abidal mit eingefädelt hat. Am Dienstag sitzen die beiden auf einer kleinen Bühne in Barças riesigem Stadion Camp Nou. Abidal rühmt Boateng als Spieler von großem Charakter und begnadeter Spielkunst, „wir haben uns mit vielen möglichen Verstärkungen beschäftigt und uns am Ende für Prince entschieden“. Für einen 31 Jahre alten Mittelfeldmann aus Berlin, der sich in den vergangenen Jahren in Las Palmas, Frankfurt und Sassuolo verdingt hat und jetzt der vielleicht besten Klubmannschaft der Welt helfen soll. Die Sportzeitung „Marca“ findet dafür die durchaus nachvollziehbare Formulierung: „Beim Lesen dieser Nachricht werden viele Leute an Fake News gedacht haben.“

Boateng bedankt sich für „die große Ehre, in diesem Klub zu spielen“. Alles vorgetragen in flüssigem Spanisch (wenn auch nicht auf Katalanisch, wie es die streitlustigen Barcelonesen am liebsten haben). Dann kommt die Frage nach dem Rencontre mit Abidal. Nach dem Champions-League-Spiel im November 2011, Boateng hat es mit dem AC Milan 2:3 gegen Barça verloren, dabei aber ein großartiges Tor geschossen. Hätten Sie nicht Lust, noch einmal gegen Abidal zu spielen? Hmm, Boateng lacht, keine gute Idee, „ich fürchte, er würde mich umbringen“.

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Boatengs gut sieben Jahre altes Tor ist heute noch ein Renner auf Youtube. Wie er den Ball im Sprung mit der Stiefelspitze stoppt und ihn durch die eigenen Beine schiebt, alles vorgetragen in einer fließenden Bewegung, vorbei am hilflosen Verteidiger Abidal, der im Laufduell auf zehn Metern fünf verliert und mitanschauen muss, wie Boateng den Ball aus spitzem Winkel ins Netz wuchtet. Was für ein Tor!

Boateng beherrscht Kunststücke, die andere nur auf der Playstation hinbekommen

Es sind Momente wie diese, die Berlins aufregendsten Fußball-Export der Neuzeit schon immer ausgezeichnet haben. Kevin-Prince Boateng beherrscht Kunststücke, die andere bestenfalls auf der Playstation hinbekommen. Da er in seinen ersten Profijahren nicht ganz profigerecht gelebt hat, blickt er auf eine vergleichbar bescheidene Karriere zurück, mit dem Höhepunkt in Mailand und sonst eher unspektakulären Stationen wie Portsmouth, Gelsenkirchen, Las Palmas, Frankfurt oder zuletzt sechs Monaten im italienischen Städtchen Sassuolo. Umso märchenhafter ist die Wendung, die Boatengs Glück nun im Herbst seiner Laufbahn noch einmal nimmt. Der Wechsel nach Barcelona, zu Luis Suarez, Philippe Coutinho und Lionel Messi, den Boateng ehrfürchtig „den besten Spieler aller Welten“ nennt.

Am Montag hat er sich von den Kollegen in Sassuolo verabschiedet, „das war ein bisschen traurig, denn es hat mir dort sehr gut gefallen“. Aber wer würde schon ein Angebot von Barça ausschlagen? Noch am selben Abend ist er nach Barcelona geflogen und hat sich gleich am nächsten Morgen ins Camp Nou fahren lassen. Auf dem Rasen hat er ein wenig mit dem Ball jongliert, danach mit ein paar Kindern gekickt und im Fanshop Hand angelegt bei der Fertigstellung seines blau-roten-Trikots, es trägt die Nummer 19 und darüber den Schriftzug „Prince“.

Boateng war immer der Prinz, und nicht immer ist ihm das gut bekommen. In seinen jungen Jahren hat der Prinz von Berlin ein bisschen zu oft zu hören bekommen, wie großartig er Fußball spielen könne. Ein erster Ausflug in Ausland, von Hertha BSC zu Tottenham Hotspur, endete im Debakel, weil er in London eine Villa mit sieben Schlafzimmern hatte, aber keinen, der sich für ihn persönlich interessierte. Boateng flog aus der deutschen Junioren-Mannschaft und diente sich darauf Ghana an, der Heimat seines Vaters. Als er vor dem Weltmeisterschaft 2010 den deutschen Kapitän Michael Ballack ins Krankenhaus trat, stand er kurz im Status eines Staatsfeindes.

Andere wären daran zerbrochen. Kevin-Prince Boateng aber schaffte, was er in kritischen Momenten noch immer geschafft hat. Ein grandioses Comeback.

Sein Vertrag läuft erst einmal bis zum Ende dieser Saison

Nach der Ballack-Affäre spielte er eine herausragende WM in Südafrika und machte sich für den Weltklub Milan interessant. Als bei einem Trainingsspiel ein paar Dumpfbacken im Publikum immer wieder Affenlaute anstimmten, wenn Boateng am Ball war, drosch er den Ball auf die Tribüne und verließ den Platz, die gesamte Mannschaft im Gefolge. Darauf luden ihn die Vereinten Nationen nach Genf ein, zu einer Rede über das Gift des Rassismus. Ein Karriere-Höhepunkt jenseits des Rasens. Es folgte eine missratene Rückkehr nach Deutschland mit dem Rauswurf bei Schalke 04. Boateng, wieder mal am Boden, unternahm einen neuen Anlauf. Über Mailand und Las Palmas nach Frankfurt, wo er die Eintracht im Sommer 2018 zum Gewinn des DFB-Pokals führte.

Seinen Abschied nach Sassuolo begründete er damit, „dass sich der Kreis für mich in Deutschland geschlossen hat“. Sassuolo sollte so etwas wie sein Altenteil sein, ein letztes Engagement in der Nähe seines in Italien lebenden Sohnes. Am Samstag hat Boateng mit seinen Kollegen ein 0:0 bei Inter Mailand erkämpft und nicht geahnt, welche neuerliche Volte auf ihn wartete. Dass sein Saisonziel auf einmal nicht mehr die Verhinderung des Abstiegs aus der Serie A sein würde, sondern der Gewinn von Champions League und spanischer Meisterschaft.

Schon heute geht es für Barça im spanischen Pokal gegen den FC Sevilla. Boateng sagt: „Ich bin bereit“, aber natürlich wisse er „dass ich hier nicht unbedingt Stammspieler sein werde“. Sein Vertrag läuft wie Barcelonas Leihgeschäft mit Sassuolo erst einmal bis zum Ende dieser Saison. Weil Boateng in seiner Karriere schon so viel erlebt hat, darf er nicht ganz zu Unrecht davon träumen, „dass ich ein paar Jahre bleiben kann“. Vielleicht findet sich doch noch Zeit für ein Trainingsspielchen mit Eric Abidal.

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