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Ein Trainer für die besonderen Erfolge. 1998 gewann Otto Rehhagel mit dem 1. FC Kaiserslautern die deutsche Meisterschaft. Es war das einzige Mal in der Geschichte der Bundesliga, dass ein Aufsteiger den Titel holte. 2004 gelang Rehhagel die nächste Überraschung, als er mit Griechenland Europameister wurde. Bis dahin hatten die Griechen bei einem großen Turnier noch kein einziges Spiel gewonnen.

© dapd

Vor 31 Jahren: Hertha BSC und Otto Rehhagel – da war doch mal was…

Otto Rehhagels Aufstieg zum Erfolgstrainer begann in einem Spiel gegen Hertha BSC.

Ist schon ein paar Jahre her, genau gesagt 31, und Hertha verdingte sich gerade dort, wo es in dieser Saison auf keinen Fall hingehen soll, nämlich in der Zweiten Liga. „Das war in Bremen, aber vor meiner großen Zeit“, erzählt Rehhagel. „Wir haben mit Eintracht Braunschweig und Hertha um den Aufstieg gespielt. Und dann gab es dieses Entscheidungsspiel in Berlin. Also, das war schon eine extreme Drucksituation“, viel dramatischer als das Unternehmen Abstiegsverhinderung im Frühjahr 2012.

Rehhagel war damals auf kuriose Weise zu dem Job in Bremen gekommen, nämlich als Krankheitsvertretung für Kuno Klötzer, der wiederum im Jahr zuvor bei Hertha entlassen worden war. Klötzer hatte Werder auf Platz eins und Aufstiegskurs geführt, als er sich im Februar 1981 bei einem Verkehrsunfall einen Rippenbruch, Platzwunden und eine Gehirnerschütterung zuzog. Werders Manager Rudi Assauer wartete ein paar Wochen, und als Klötzer wegen bohrender Kopfschmerzen immer noch nicht auf den Trainingsplatz zurückkehren konnte, engagierte er Otto Rehhagel. Der erinnert sich, „wie der Rudi zu mir gesagt hat: Otto, du musst alle Spiele gewinnen, sonst steigen wir nicht auf.“

Rehhagel, als herumvagabundierender Feuerwehrmann an kurzfristige Projektaufträge gewöhnt, nahm die Herausforderung an. Nach leichten Siegen gegen Solingen, Aachen und Münster kam es am 16. April 1981 in Berlin zu dem, was Rehhagel heute als Entscheidungsspiel in Erinnerung hat, allerdings acht Spieltage vor Saisonschluss. Hertha stand in Lauerstellung auf Platz zwei und vor der komfortablen Situation, die beiden Aufstiegsrivalen aus Bremen und Braunschweig noch daheim zu empfangen. Das Olympiastadion war ausverkauft, und nachdem der spätere Bremer Yasuhiko Okudera Hertha in Führung geschossen hatte, feierte Berlin zur Pause schon die Rückkehr in die Bundesliga. Das war dann doch etwas voreilig, weil der spätere Hertha-Trainer Uwe Reinders schnell den Ausgleich schaffte. Kurz vor Schluss traf Pasi Rautiainen zum 2:1-Sieg für Werder, und Rehhagel knüpfte Hertha damit die Punkte ab, die zum Aufstieg fehlten.

Die ersten acht Spiele begründeten seinen Ruf als erfolgreicher Trainer.

Rehhagel gewann zwar nicht alle Spiele, aber die ersten acht, und nach einem 0:0 im neunten gegen Hannover 96 war der Aufstieg perfekt. Klötzer kam nie mehr zurück, und Rehhagel begründete seinen Ruf als langfristig und erfolgreich arbeitender Trainer. Von seinen vorherigen sechs Engagements hatte nur eines in Dortmund die Halbwertszeit von einem Jahr überdauert, es endete 1978 mit einer 0:12-Niederlage gegen Borussia Mönchengladbach, der bis heute höchsten Niederlage in der Bundesliga-Geschichte. Vielleicht hätte es den Europameister Griechenland im Jahr 2004 ohne Werders Sieg damals in Berlin nie gegeben.

Wahrscheinlich hätte Otto Rehhagel sein ganzes Trainerleben lang in Bremen bleiben können. Nach dem Gewinn von zwei Meisterschaften, zwei DFB-Pokalen und einem Triumph im Europapokal der Pokalsieger war seine Stellung bei Werder ähnlich unangefochten wie die heute von Sir Alex Ferguson in Manchester. Er ließ diesen Rentenposten im Sommer 1995 sausen für die Herausforderung bei Bayern München. Es sollte die größte Fehlentscheidung seiner Trainerkarriere sein. Der bodenständige Rehhagel und die Münchner Schickeria, das passte von vornherein nicht. Es begann mit den Nachstellungen der neugierigen Reporter, die an der Tür seines Münchner Domizils das Namensschild „Rubens“ entdeckten. Bayerns Präsident Franz Beckenbauer, damals noch nicht altersmilder Philosoph, traktierte ihn mit Kolumnen in der Zeitung mit den großen Buchstaben. Es folgte, drei Wochen vor Saisonschluss, das Spiel gegen Hansa Rostock. In der Vorbesprechung sprach Rehhagel den auf Hansas Nigerianer Jonathan Akpoborie gemünzten Satz: „Passen Sie mir auf den Akpoborie auf. Sie wissen doch, die Neger wollen uns unsere Arbeitsplätze wegnehmen.“ Als dieser Satz in der Redaktion der „Süddeutschen Zeitung“ landete und der FC Bayern das Spiel auch noch 0:1 verlor, durch ein Tor von Akpoborie, war Rehhagels Zeit abgelaufen.

Seine Arbeitslosigkeit währte nur ein paar Wochen und endete so spektakulär wie jetzt das Comeback in Berlin. Als ihm Jürgen Friedrich, Aufsichtsrat des gerade in die Zweite Liga abgestiegenen 1. FC Kaiserslautern, den Trainerjob anbot, soll Rehhagel geantwortet haben: „Sie müssen verrückt sein!“ Er schlug dennoch ein und schaffte das einmalige Kunststück, erst in die Bundesliga zurückzukehren (übrigens gemeinsam mit Hertha BSC) und als Aufsteiger die deutsche Meisterschaft zu gewinnen. Auch in Kaiserslautern eckte er zuweilen an. Einem später nicht ganz erfolglosen Nachwuchsspieler gab er zum Abschied mit auf den Weg: „Der Herr Ballack muss noch viel lernen!“ Und dem Lauterer Manager Hans-Peter Briegel bezeichnete er als „Lehrling in diesem Bereich“. „Wenn er einmal eine Meisterschaft gewonnen hat, darf er mich kritisieren.“

Nach vier Jahren und einem von „Otto raus!“ begleiteten 1:1 gegen Energie Cottbus nahm Rehhagel Abschied von der Pfalz. Es war sein bis heute letztes Bundesligaspiel, und die Karriere des damals 62-Jährigen schien beendet zu sein. Als er ein Jahr später die notorisch erfolglose griechische Nationalmannschaft übernahm, roch das nach Gnadenbrot. Die Geschichte begann mit einem 1:5 gegen Finnland und endete mit dem Vorrundenaus bei der WM 2010 in Südafrika, aber all das wird überstrahlt vom Gewinn der Europameisterschaft 2004 in Portugal. Mit Libero und Rehhagels ewig junger Feststellung: „Modern spielt, wer gewinnt.“

Jetzt ist er wieder da, und auf die Frage, ob er denn mit 73 nicht ein wenig zu alt sei für die Bundesliga, ist in Rehhagels Weltbild nur eine Antwort möglich: „Es gibt keine alten oder jungen Trainer. Nur erfolgreiche oder erfolglose.“

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