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Keine Angst vor großen Namen: Tim Schneider (rechts) geht auch gegen ehemalige NBA-Profis wie Derrick Williams ans Werk.

© Angelika Warmuth/dpa

Vor dem Euroleague-Spiel in Tel Aviv: Warum Tim Schneider bei Alba Berlin unter dem Radar fliegt

Tim Schneider könnte eigentlich das Gesicht von Albas Nachwuchsphilosophie sein – gerät aber manchmal fast schon in Vergessenheit. Woran liegt das?

Alba Berlin will mehr sein als ein bloßes mittelständisches Unternehmen aus dem Profisportbereich. Der Klub versteht sich als gesellschaftlicher Akteur und feste Institution in der Region. Deswegen ist man beim Basketball-Bundesligisten sehr stolz auf das eigene Nachwuchsprogramm, das Trainer Aito Garcia Reneses in den vergangenen Jahren erst so richtig mit dem Profibereich verzahnt hat.

Im aktuellen Kader stehen fünf gebürtige Berliner, der Kapitän Niels Giffey ist einer davon. In der letzten Saison wurde das inzwischen ans US-College abgewanderte Supertalent Franz Wagner gehypet, in dieser Saison bekommt Jonas Mattisseck viel Aufmerksamkeit.

Alba Berlins letzte Ergebnisse in der Euroleague

  • 2. Spieltag: Anadolu Istanbul – Alba Berlin 106:105 n.V.
  • 3. Spieltag: FC Barcelona – Alba Berlin 103:84
  • 4. Spieltag: Alba Berlin – ZSKA Moskau 66:82
  • 5. Spieltag: Alba Berlin – Olimpia Mailand 78:81
  • 6. Spieltag: Real Madrid – Alba Berlin 85:71

Ein drittes Eigengewächs gerät dabei manchmal fast schon in Vergessenheit: Tim Schneider. Und das, obwohl der 22-jährige Power Forward in dieser Saison mit etwa acht Punkten, vier Rebounds und zwei Steals in etwa 16 Minuten Spielzeit pro Ligapartie sehr ordentliche Werte auflegt. Woran liegt das?

Da ist erst einmal Schneiders Rolle im Team. Der Teltower absolviert bereits seine dritte Profisaison bei Alba, gerade erst hat sich sein Debüt in der Basketball-Bundesliga (BBL) zum dritten Mal gejährt. Schneider zählt nicht mehr zu den jungen Wilden, sondern hat sich im Team als solider Rollenspieler etabliert.

„Ich denke, ich habe mir das Vertrauen von Aito und in mich selbst erarbeitet“, sagt Schneider. Wenn er ins Spiel kommt, zieht kaum wer noch eine Augenbraue nach oben und fragt sich, ob Schneider für seine Aufgaben bei Alba denn nicht noch ein bisschen zu grün hinter den Ohren sein könnte. Schneider gehört einfach dazu.

Tim Schneider oder Tim Schweiger?

Ein zweiter Grund ist Schneiders vergangene Spielzeit. Da spielte er eine eher unauffällige Rolle und kam nicht ganz so zum Zug, wie er sich das vorgestellt hatte. „Ich war nicht so wirklich zufrieden mit meiner letzten Saison“, sagt Schneider. Sein Jahr verlief quasi geräuschlos, Schneider spielte sich nicht nachhaltig in den Vordergrund.

Im Sommer hat er deshalb viel Arbeit investiert, um sein Standing zu verbessern. „Ich denke, dass ich eine gute Vorbereitung gespielt und mir da Minuten erarbeitet habe“, sagt er. In der BBL hat er seine statistischen Werte fast verdoppelt und erhält knapp vier Minuten mehr Spielzeit – profitierte dabei auch von der Abwesenheit seines Kollegen Johannes Thiemann, der erst mit dem Nationalteam unterwegs war und dann auch noch verletzt ausfiel.

Schneider kennt seine Situation. Nach der Saison läuft sein Vertrag aus. „Da ist definitiv mehr Druck abzuliefern als die Jahre davor“, sagt er. „Weil man natürlich danach auch weiter Basketball spielen will.“ Genug Motivation also, um in dieser Saison richtig reinzuhauen.

Augen zu und durch: Tim Schneider (rechts) geht in sein drittes und letztes Vertragsjahr bei Alba.
Augen zu und durch: Tim Schneider (rechts) geht in sein drittes und letztes Vertragsjahr bei Alba.

© Matthias Balk/dpa

Und dann ist da auch noch Schneiders ruhiges Gemüt. Der 2,08 Meter große Schlaks ist ein stiller, unaufdringlicher Typ. Als er vor drei Jahren fest ins Profiteam rückte, hatte er schnell den Ruf des schüchternen Jungen weg. In Albas sozialen Medien bekam er von seinen Teamkollegen gleich reihenweise das Emoji mit einem geschlossenen Reißverschluss als Mund verliehen – Tim Schneider wurde zu Tim Schweiger.

„Er war so still, als ich hierher gekommen bin“, sagt Teamkollege Luke Sikma, der zur gleichen Zeit mit Schneider zum Team stieß. „Aber wir lauten Typen im Team haben es über die Jahre geschafft, ihn ein bisschen zu öffnen und aus seiner Hülle rauszuholen.“

Darüber muss Schneider lachen: „Weiß ich nicht“, sagt er. „Ich würde sagen, dass ich eigentlich immer noch ein ruhiger Typ bin.“ Was sich aber tatsächlich verbessert habe, sei seine Kommunikation auf dem Feld, meint er: „Ich denke, dass ich da definitiv Schritte nach vorne gemacht habe.“

Die nächsten Spiele von Alba Berlin

  • Donnerstag, 07.11.: Maccabi Tel Aviv (A – Euroleague)
  • Sonntag, 10.11.: Bayern München (A – BBL)
  • Donnerstag, 14.11.: Panathinaikos Athen (A – Euroleague)
  • Sonntag, 17.11.: Ludwigsburg (A – BBL)
  • Dienstag, 19.11.: Roter Stern Belgrad (H – Euroleague)

Keiner von den ganz Jungen mehr, eine unauffällige vergangene Saison und ein insgesamt zurückhaltender Typ – dass Tim Schneider nicht als der Posterboy für Albas Nachwuchsprogramm gilt, liegt da ein bisschen in der Natur der Sache. Mit der Berliner Basketball-Community verbunden fühlt er sich trotzdem ganz besonders: Mit den Kollegen vom drittklassigen Kooperationspartner Lok Bernau hat er nach wie vor genauso Kontakt wie mit NBA-Profi Moritz Wagner, den er noch aus Jugendzeiten bei Alba kennt.

„Ich bin schon so lange in dieser Basketballwelt unterwegs“, sagt Schneider. „Dadurch besteht fast mein ganzer Freundeskreis aus Basketballern oder Sportlern.“ Den Überblick zu behalten, wer wann spielt, ist da manchmal gar nicht so leicht: „Es ist schon schwierig genug, den eigenen Schedule zu wissen“, schmunzelt Schneider angesichts des mächtigen Programms seines eigenen Teams in dieser Saison. „Es sind ja so viele Spiele.“
Vielleicht hilft da ja diese kleine Erinnerung: Am Donnerstagabend (20.05 Uhr/Magentasport) geht es für Alba zum siebten Euroleague-Saisonspiel nach Tel Aviv.

Leonard Brandbeck

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