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Bild und Sinnbild. Silvio Heinevetter hat in dieser Saison nicht das abrufen können, was sie im Verein und im Nationalteam erwarten vom bekanntesten aktiven deutschen Handballer. Am Sonntag empfangen die Füchse Flensburg.

© Imago/Wells

Vor dem Füchse-Heimspiel gegen Flensburg: Silvio Heinevetter: Der Eckpfeiler wackelt

Silvio Heinevetter ist der bekannteste deutsche Handballer - und erlebt im Moment die größte sportliche Krise seiner Karriere. Was ist bloß los mit dem Füchse-Keeper? Ein Annäherungsversuch.

Silvio Heinevetter rollt mit den Augen. Musste ja kommen die Frage. Nun ist der Torhüter der Füchse Berlin ohnehin nicht sehr gesprächig an diesem verregneten Vormittag im Trainingszentrum in Hohenschönhausen, aber jetzt wird es einsilbig. Wie er denn von seiner Nichtberücksichtigung für die Handball-Europameisterschaft im Januar kommenden Jahres erfahren hat? „Telefonisch“, sagt Heinevetter und zerrt an den Ärmeln seines Pullovers. Und seine Reaktion? Kopfschütteln. „Ich will mich dazu gar nicht äußern“, sagt Heinevetter. Themenwechsel. Und zwar sofort. Unverzüglich.

Das wiederum sagt einiges aus. Über Heinevetters Situation im Verein, über die Gemengelage in der Nationalmannschaft, vor allem aber über seinen Gemütszustand. Normalerweise ist der 31-Jährige kein Spieler, der Konflikte scheut oder seine Meinung zurückhält. Im Moment allerdings, und das weiß Heinevetter auch selbst, ist er gut beraten, die Debatte um seine Person nicht noch mit kernigen Sprüchen zu befeuern. Deutschlands bekanntester Handballer durchlebt nämlich gerade die größte Krise seiner Laufbahn. Wenn es normal läuft und große Verletzungen seiner Konkurrenten ausbleiben, wird er die EM vom Fernseher aus verfolgen müssen. Und auch bei seinem Arbeitgeber, den Füchsen Berlin, hat Heinevetter Kredit eingebüßt: Wenn die Berliner am Sonntag die SG Flensburg-Handewitt empfangen (17.15 Uhr, Max-Schmeling-Halle und ab 18 Uhr Übertragung bei Sport 1), dürfte erneut Petr Stochl, 39 Jahre jung und im x-ten Frühling seiner Karriere, von Beginn an im Tor stehen.

Was ist da nur los? Heinevetter macht kein Geheimnis daraus, dass ihn die Diskussionen nerven. „Wir sind nicht so schlecht, wie wir gemacht werden“, sagt er über die durchwachsene Hinrunde der Füchse, „und ich bin nicht so schlecht, wie ich im Moment gemacht werde.“ Dummerweise lassen die Zahlen andere Schlüsse zu. In der Bundesliga liegt die Quote gehaltener Bälle bei Heinevetter in dieser Saison bei knapp über 25 Prozent. Ein unterdurchschnittlicher Wert, der sich nicht wegdiskutieren lässt – wobei zu seiner Ehrenrettung einzubringen ist, dass das Torhüterspiel im Handball erfahrungsgemäß starken Schwankungen unterliegt. Auch deshalb beschäftigen alle Spitzenteams zwei konkurrenzfähige Keeper, die sich im Idealfall gegenseitig zu Höchstleistungen treiben sollen. Fakt ist aber auch, dass sich die richtig guten Spiele von Heinevetter in dieser Saison an einer Hand abzählen lassen.

"Ich weiß, dass er viel besser sein kann"

„Silvio war nicht einverstanden damit, dass er nicht für das Nationalteam nominiert worden ist“, berichtet Füchse-Trainer Erlingur Richardsson, der wiederum mit Bundestrainer Dagur Sigurdsson befreundet ist. „Aber vielleicht war das auch das Zeichen für ihn, dass er wieder mehr im Training machen muss“, ergänzt der Isländer, „ich weiß, dass er viel besser sein kann als im Moment.“

Die Erwartungen der Füchse kommen nicht zuletzt aus den Zugeständnissen, die Manager Bob Hanning seinem populärsten und am besten bezahlten Spieler bei der letzten Vertragsverlängerung gewährt hat. Als sich Heinevetter im August 2013 für einen Verbleib bei den Füchsen – und gegen einen Wechsel zum heute quasi-insolventen HSV Handball – entschied, feierten sie das im Verein wie den Gewinn eines großen Titels. „Silvio ist unser Franchise-Player“, sagte Hanning damals, „für ihn sind wir finanziell an unsere Grenzen gegangen.“ Heinevetter zahlte das Vertrauen alsbald mit Leistung zurück: Im Endspiel um den DHB-Pokal 2014 gegen Flensburg zeigte der Thüringer sein wohl bestes Spiel im Berliner Trikot und hatte ebenso großen Anteil am ersten Titel der Vereinsgeschichte wie ein Jahr später am zweiten, dem EHF-Pokal. Seine Verdienste für die Füchse sind unumstritten – und doch Vergangenheit. Es scheint, als hätten sich die Angreifer mit den Jahren immer besser auf Heinevetters unorthodoxes – und deshalb hochspektakuläres – Torhüterspiel eingestellt.

Immerhin ist Heinevetter noch nicht öffentlich von Manager Hanning angezählt worden – obwohl Hanning das bei anhaltender Formschwäche einzelner gern mal tut. Bislang hat sich der Manager allerdings immer schützend vor den ehemaligen Spieler des SC Magdeburg gestellt, der einst sein erster großer Transfer war.

Wie lange dieser Zustand hält, wird vor allem davon abhängen, wie sich Heinevetter in der Rückrunde schlägt. Zeit zur Regeneration hat er ja im Januar.

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