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Okay, wer ist denn noch da? Bruno Labbadia befürchtet beim HSV einen ähnlichen Aderlass, wie er ihn einst beim VfB Stuttgart erleben musste. Dennoch hat der Trainer in der Winterpause seinen Vertrag verlängert. Foto: dpa/Eisenhuth

© dpa

Vor dem Spiel gegen Bayern München: Hamburger SV in "gefährlicher Situation"

Rückrundenstart: Sportlich steht der HSV gut da. Doch finanziell haben die Hamburger arge Probleme.

Die chronische Aufgeregtheit der Branche hat Frank Wettstein aus seiner Sprache getilgt. Hier redet der Zahlenmensch: „Die Kaderkosten und der sportliche Erfolg standen zu lange in einem Missverhältnis. Daraus resultierten zahlreiche Kaderumbauten verbunden mit Investitionen und Abfindungen in Millionenhöhe.“ Nüchtern wie ein Buchhalter benannte der Finanzchef des Hamburger SV am Sonntag bei der Mitgliederversammlung das Kardinalproblem.

Seit der Saison 2010/11 lebt der Klub über seine Verhältnisse. Auch das Geschäftsjahr 2014/15 schloss die HSV AG trotz eines gesteigerten Umsatzes von 128,1 Millionen Euro mit einem satten Minus ab; 16,9 Millionen Euro Fehlbetrag steht in den Büchern. Vorstandschef Dietmar Beiersdorfer informierte, dass im laufenden Geschäftsjahr kein Umschwung zu erwarten sei. Der nächste Verlust zeichnet sich schon jetzt ab, und die Konkurrenz fragt sich, wie dieser HSV noch im Sommer 2014 und sechs Monate später auf Champions-League-Niveau zulangte und sich Stars wie Pierre-Michel Lasogga, Lewis Holtby, Nicolai Müller, Valon Behrami und dann Marcelo Diaz und Ivica Olic leisten konnte. Beiersdorfer bittet um Verständnis und Geduld. Er sagt: „Das Ergebnis wird auch 2015/16 negativ sein, aber wir sind kreditfähig und kreditwürdig. Unsere Situation ist und bleibt aber gefährlich.“ Beiersdorfers Subtext: Die Finanzkrise im Zeichen der Raute ist nicht überwunden. Aber wir haben sie im Griff.

Wohin die Reise gehen soll, skizzierte Aufsichtsratschef Karl Gernandt vor dem Auftakt der Bundesliga-Rückrunde am heutigen Freitag gegen Bayern München. „Wir brauchen finanzstarke Partner und Investoren“, sagt er. Doch die Akquise verläuft sehr schleppend. Die Prognosen für das norddeutsche Schwergewicht sind alles andere als glänzend. 24,9 Prozent der Anteile an der HSV AG dürfen verkauft werden. Bislang sind nur Klaus Michael Kühne, Helmut Bohnhorst und Alexander Margaritoff bereit gewesen, ein Stückchen HSV zu erwerben. Die Bilanzen konnte das nicht gesunden, allenfalls Löcher aus dem Tagesgeschäft stopfen. Spannend wird es in drei Jahren, wenn der HSV die Fan-Anleihe in Höhe von 17,5 Millionen Euro zurückzahlen muss.

Olic bleibt in Hamburg

Immerhin scheinen sie die Zeichen der Zeit erkannt zu haben. „Wir werden die Kaderkosten noch mal senken“, versprach Sportchef Peter Knäbel. Von 53 auf 45 Millionen Euro verringerten sich die Ausgaben schon in diesem Sommer. Angestrebt werden unter 40 Millionen. Gern wäre der HSV den in die Jahre gekommene Großverdiener Ivica Olic losgeworden. Mit ihm plant Trainer Bruno Labbadia ebenso wenig wie mit Relegations-Held Marcelo Diaz. Diaz wechselte für immerhin zwei Millionen Euro nach Vigo, Olic aber bleibt in Hamburg. Zoltan Stieber wurde auf Leihbasis nach Nürnberg abgegeben.

Das Entschlacken missfällt Labbadia, weil nichts Neues hinzukommt. Mit Sorge betrachtet er, dass sein Arbeitgeber weder mal eben zehn Millionen Euro für einen Soforthelfer ausgeben kann, noch dass er im Werben um Talente mithält. Labbadia fühlt sich an seine Stuttgarter Zeit erinnert. 2013 trug er in Stuttgart den Sparkurs des VfB tapfer mit und wurde später trotzdem entlassen. Immer wieder hebt er den mahnenden Zeigefinger: „Unsere Gesundung wird Jahre dauern.“ Doch verlängerte er andererseits seinen Vertrag um eine Spielzeit und hob den besonderen Reiz der Arbeit beim Gründungsmitglied der Bundesliga hervor: „Es ist für uns schon normal, immer wieder Hürden zu nehmen.“ In der Mannschaft kommt es gut an, dass Labbadia nicht klagt und sich und sein Wirken eher in den Hintergrund rückt.

Dass die von nur 309 Mitgliedern besuchte Versammlung am Sonntag ruhig blieb, war auch dem zehnten Tabellenplatz zu verdanken. Allerdings ist der Vorsprung vor den Abstiegsplätzen trügerisch. Am Freitag kommen die Bayern, es folgen Stuttgart und Köln. Drei Niederlagen, und der HSV wäre nicht nur finanziell wieder ein Pflegefall.

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