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Herthas Angreifer Selke, Kalou und Ibisevic (von l. n. r.), hier im Spiel gegen Hoffenheim.

© dpa

Vor dem Spiel gegen den 1. FC Köln: Hertha BSC und die Kraft der zwei Spitzen

Hertha BSC will endlich das 1000. Bundesliga-Tor im Olympiastadion erzielen. Coach Dardai denkt über einen Systemwechsel nach.

Als für Hertha BSC im Januar das neue Fußballjahr begonnen hat, war das große Jubiläum schon nicht mehr weit weg. Vier Treffer fehlten den Berlinern bei Beginn der Rückrunde noch zum 1000. Heimtor in der Fußball-Bundesliga. An den ersten beiden Heimspielen gegen Dortmund und Hoffenheim folgte je ein Treffer, blieben also noch zwei. Läppische zwei. Seitdem aber – seit Anfang Februar – liegt die Jubiläumsgeschichte „Schießt Hertha am Wochenende das 1000. Heimtor?“ in den Berliner Zeitungsredaktionen gewissermaßen auf Wiedervorlage und wird zu jedem Heimspiel aufs Neue hervorgekramt.

An diesem Samstag sind die Aussichten so günstig wie noch nie: Die Berliner empfangen den 1. FC Köln (15.30 Uhr/live bei Sky). Die Kölner sind nicht nur Tabellenletzter, sie stellen mit 56 Gegentoren in 29 Spielen auch die schlechteste Defensive der Liga. Hinzu kommt das psychologische Moment: Vor einer Woche hat der FC gegen Mainz mal wieder ein vermeintliches Endspiel nicht gewinnen können, die Chancen auf einen Verbleib in der Bundesliga dürften inzwischen im Promillebereich liegen, was den Druck noch einmal erhöht hat: Jetzt müssen wir aber wirklich mal … „Das ist für die wahrscheinlich die letzte Chance“, sagt Herthas Trainer Pal Dardai. „Das müssen wir ausnutzen.“ Am besten dem frühen ersten Tor gleich ein zweites folgen lassen.

So weit der Plan. Die Pläne für die vorangegangenen vier Heimspiele dürften allerdings kaum anders ausgesehen haben. Auch da sprach vieles für Hertha, unter anderem der jeweilige Gegner. Mainz, Freiburg und Wolfsburg sind ebenfalls in den Abstiegskampf verwickelt. Hertha aber traf weder gegen Mainz noch gegen Freiburg und auch nicht gegen Wolfsburg.

Trainer Dardai hat am Sonntag von sich aus angedeutet, dass er gegen die Kölner eventuell mit zwei Stürmern spielen lassen werde; dass die Antwort auf die Frage „Vedad Ibisevic oder Davie Selke?“ diesmal „Vedad Ibisevic und Davie Selke“ lauten könnte. Dieser Reflex erscheint erst einmal logisch: Je mehr Stürmer, desto höher auf den ersten Blick die Torgefahr – und damit auch die Wahrscheinlichkeit, endlich mal wieder zu treffen.

Doch so einfach ist die Rechnung nicht. „Es gibt gute Argumente für nur einen Stürmer“, sagt Herthas Manager Michael Preetz, der in seinem früheren Leben selbst Stürmer war. „Die Kompaktheit, die defensive Stabilität, die uns in den vergangenen Jahren ausgezeichnet hat, ist wunderbar herzustellen.“

Darida hat ein Positionsproblem

Eine funktionierende Fußballmannschaft ist ein gut ausbalanciertes Gebilde. Fügt man auf der einen Seite etwas hinzu, heißt das, dass auf der anderen etwas fehlt: Beim System mit zwei Stürmern wäre das ein zentraler Mittelfeldspieler, der geopfert werden müsste. Da Fabian Lustenberger gegen Köln wegen Knieproblemen ausfällt, bleiben Dardai noch drei Kandidaten für zwei Planstellen: der junge Arne Maier, dem das Trainerteam eigentlich mal eine Erholungspause geben möchte, Per Skjelbred, der zuletzt sechs Mal hintereinander nicht in der Startelf stand, und Vladimir Darida, der allerdings kein echter Sechser ist.

Für die Rolle im defensiven Mittelfeld fehlt ihm die taktische Disziplin. Denn dass der Tscheche verlässlich die höchste Laufleistung aller Spieler aufweist, liegt auch daran, dass er sich am liebsten überall auf dem Feld herumtreibt. Darida ist eher ein Achter, ein Verbindungsspieler zwischen Defensive und Offensive. Doch streng genommen gibt es diese Position in einem 4-4-2-System nicht.

Eine Entscheidung für zwei Stürmer hätte auch Auswirkungen auf die Besetzung der offensiven Außenpositionen. Es reicht eben nicht, einfach einen zusätzlichen Angreifer in die Spitze zu stellen; die Stürmer können ihren Zweck nur dann erfüllen, wenn sie auch ausreichend mit Bällen versorgt werden. Links aber spielt bei Hertha in der Regel Salomon Kalou, der am liebsten von der Außenbahn in die Mitte zieht, um selbst zum Abschluss zu kommen. Ein Linksaußen, der sich bis zur Grundlinie dribbelt und von dort eine Flanke in die Mitte schlägt, ist der Ivorer nicht. Den aber brauchte Hertha für ein System mit zwei Stürmern. Aber Kalou, den besten Torschützen der Mannschaft (elf Saisontore), draußen lassen, um torgefährlicher zu werden? Das wäre doch reichlich paradox.

Als Hertha im vergangenen Sommer Davie Selke aus Leipzig geholt hat, haben sich viele gefragt, wie Trainer Dardai all die Stürmer auf dem Platz unterbringen wolle. Der Ungar hat den Skeptikern entgegnet, dass es sehr wohl möglich sei, Selke und Ibisevic zusammen spielen zu lassen. Den Praxistest musste Dardai erst einmal nicht antreten, weil Selke zu Saisonbeginn verletzt ausfiel. Erst im November, im Heimspiel gegen Borussia Mönchengladbach, probierte er es erstmals mit der Doppelspitze Selke/Ibisevic – Hertha verlor 2:4. Trotzdem hielt Dardai auch in den kommenden drei Begegnungen an der Variante fest. Mit überschaubarem Erfolg: Zwei Spiele gingen verloren, eins endete unentschieden, nur einmal gewann Hertha: Es war das Hinspiel gegen den 1. FC Köln, als Ibisevic beide Tore zum 2:0-Sieg erzielte und Selke beide vorbereitete.

Meistens hat Dardai nur einen seiner beiden Stoßstürmer spielen lassen, was dazu geführt hat, dass sich beide instinktiv eher als Konkurrenten sehen. Ein harmonisches Miteinander hat sich, auch mangels Möglichkeiten, noch nicht herausgebildet. Dass Pal Dardai gegen Köln einen weiteren Versuch unternimmt, ist daher nicht zwingend gesagt. Manager Michael Preetz glaubt, dass es gegen den Tabellenletzten weniger auf das System ankommen wird als auf die richtige Mentalität im Strafraum. „Wir brauchen diesen letzten Biss, das Tor unbedingt machen zu wollen“, sagt er, „unabhängig ob wir mit einem, zwei oder drei Stürmern spielen.“

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