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Daran will Hertha diesmal vorbei. Vedad Ibisevic in der Qualifikation zur Europa League zu Saisonbeginn – die Berliner scheiterten an Bröndby. Foto: Liselotte Sabroe/dpa

© dpa

Vor dem Spiel gegen Leverkusen: Hertha will sich durch die Europa League weiterentwickeln

Der finanzielle Gewinn durch den europäischen Wettbewerb ist überschaubar. Für das Image von Hertha BSC wäre die Europa League jedoch enorm wichtig.

Es ist schon ein paar Jahre her, dass der europäische Fußballverband Uefa eine Art Enquête-Kommission gegründet und sie zu Studienzwecken nach Mönchengladbach entsandt hat. In Mönchengladbach war ein Phänomen zu beobachten, das den Uefa-Vertretern völlig fremd war. Die örtliche Borussia spielte in der Europa League, und trotzdem war in der Stadt so etwas wie Begeisterung zu verzeichnen. Der Borussia-Park war selbst am Donnerstag meistens voll, was die Uefa so nur aus der Champions League kannte.

Die Kommission hat allerdings keine verwertbaren Erkenntnisse am Niederrhein gewinnen können. Mal abgesehen davon, dass es sich bei der Europa-League-Euphorie in Mönchengladbach um einen höchst selten auftretenden Sonderfall handelt, aus dem sich keine allgemeingültigen Schlüsse ableiten lassen. Zu 99,8 Prozent wird man das auch in der kommenden Saison wieder beobachten können, dann im Berliner Olympiastadion.

99,8 Prozent deshalb, weil es zum einen noch eine 0,1-prozentige Restwahrscheinlichkeit gibt, dass Hertha BSC an diesem Samstag (15.30 Uhr/live auf Sky) gegen Bayer Leverkusen im eigenen Stadion die Teilnahme an der Europa League noch verspielt. Und zum anderen eine 0,1-prozentige Chance, dass die Stadt dank Herthas Teilnahme von einer Europa-League-Euphorie gepackt wird. Nach den Erfahrungen der Vergangenheit gilt das als so gut wie ausgeschlossen. Als die Berliner im Februar 2010 gegen den portugiesischen Traditionsverein Benfica Lissabon mit, unter anderem, Angel di Maria und David Luiz, ihr vorerst letztes Europa-League-Spiel bestritten haben, verloren sich 13.684 Zuschauer im weitläufigen Olympiastadion.

Ein Verzicht kommt für die Berliner nicht infrage

Es hat in den vergangenen Wochen nicht nur wegen solcher Erfahrungen unter Herthas Fans genügend Stimmen gegeben, die eher auf die Gefahren als auf die Chancen einer Europa-League-Qualifikation hingewiesen haben. Die zusätzliche Belastung, der blöde Termin am Donnerstagabend, die wenig attraktiven Gegner, die überschaubaren Verdienstmöglichkeiten. Man kennt die Argumente inzwischen zur Genüge. Die ganz Pessimistischen prophezeien Hertha für die neue Saison sogar schon wieder den Absturz in den Abstiegskampf – so wie es zuletzt auch Mainz 05 und der FC Augsburg erlebt haben.

Trotzdem: Sollte sich Hertha für den Wettbewerb qualifizieren, „nehmen wir teil“, sagt Manager Michael Preetz. Ein Verzicht kommt für die Berliner nicht infrage. „Wir wollen der Saison die Krone aufsetzen“, sagt Cheftrainer Pal Dardai. Die Teilnahme an der Europa League wäre für den Klub in der Tat von besonderem Wert, am wenigsten vielleicht noch aus finanziellen Gründen.

Angesichts des neuen TV-Vertrages musste man zuletzt den Eindruck gewinnen, dass die 18 Bundesligisten künftig im Geld schwimmen werden. Da ist die Europa League für einen Klub wie Hertha, der den Wettbewerb vermutlich nicht gewinnen wird, nur ein Zubrot. Als Startgeld sind den Berlinern 2,4 Millionen Euro garantiert, für jeden Punkt gibt es 120.000 Euro, dazu kommen die Zuschauereinnahmen, die bei Hertha traditionell zu vernachlässigen sind. Der FSV Mainz 05, der nach der Gruppenphase ausgeschieden ist, hat in dieser Saison insgesamt rund sechs Millionen Euro eingenommen. Eine solche Größenordnung dürfte auch für die Berliner halbwegs realistisch sein. Ein neuer Wunderstürmer lässt sich damit nicht finanzieren.

Der Mehrwert für Hertha dürfte eher ein anderer sein.

Vor zwei Jahren mussten die Berliner am letzten Spieltag noch um den Klassenerhalt zittern; jetzt stehen sie an der Schwelle zum internationalen Fußball. Eine Qualifikation für Europa würde nicht nur der Selbstvergewisserung dienen, dass Mannschaft und Trainer in den vergangenen beiden Jahren ein bisschen was richtig gemacht haben. „Für unser Image wäre es was Schönes“, sagt Trainer Dardai. Es wäre ein Signal an den Rest des Landes, dass sich in Berlin etwas entwickelt, Ausdruck für die gelungene Etablierung des Klubs, der seit der letzten Europapokalteilnahme je zweimal ab- und aufgestiegen ist. „Hertha BSC kommt wieder in eine andere Dimension“, sagt Dardai. Die Spieler müssen nicht zwingend weg aus Berlin, um international zu spielen. In Vertragsgesprächen kann das durchaus eine Rolle spielen. „Ein Nachteil ist das nicht“, sagt Manager Preetz.

Bei Hertha wissen sie allerdings auch, dass die Europa League den Verein und die Mannschaft vor große Herausforderungen stellen wird. Der Klub kann es sich finanziell nicht erlauben, Pal Dardai einen Kader mit 20 gleichwertigen Spielern hinzustellen, sodass der Trainer eifrig hin- und herrotieren kann. Andererseits heißt das: Gerade die jungen Spieler, die in dieser Saison schon mal ein bisschen am Profifußball schnuppern durften, werden mehr Gelegenheiten bekommen, sich unter Realbedingungen zu behaupten. Dass das ihrer persönlichen Entwicklung nur förderlich ist, zeigt aktuell das Beispiel Jordan Torunarigha.

Im vergangenen Sommer hat niemand von dem jungen Innenverteidiger aus der U 23 gesprochen, aber dank regelmäßiger Einsätze in der Bundesliga gilt der 19-Jährige inzwischen als vollwertiges Kadermitglied bei den Profis. Vielleicht kann von den anderen Talenten – Arne Maier, Florian Baak, Julius Kade – der eine oder andere in der nächsten Saison einen ähnlichen Weg gehen. „Für unsere jungen Spieler ist das eine Riesenchance, weil wir sehr viele Spiele haben“, sagt Pal Dardai. Ein Nachteil sei die Europapokalteilnahme nur „für unsere Frauen“, glaubt der Ungar. „Durch die Doppelbelastung bist du ständig weg.“

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