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Wird's bald? Noch trägt die Arbeit von Hertha-Trainer Luhukay keine Früchte, doch seine Philosphie beruht auf Zeit.

© dapd

Vor dem Spiel gegen Regensburg: Hertha braucht elf Karate Kids

Die Fußballidee des neuen Hertha-Trainers Jos Luhukays ist langfristig angelegt. Doch im unruhigen Berlin ist die Geduld schnell aufgebraucht. Das könnte zum Problem werden.

Mr. Miyagi ist ein schrulliger Asiate: Er spricht einen kauzigen Akzent und lässt seinen Schüler seltsame Übungen machen, deren Sinn sich nicht so recht erschließen will. Aber Mr. Miyagi ist ein Meister seines Fachs. Sein Ansatz ist nicht auf schnellen Erfolg ausgerichtet, sondern auf eine tiefe Durchdringung des Metiers. Auf diese Weise führt Mr. Miyagi seinen Schüler mit durchschlagendem Erfolg in die Geheimnisse des Karatesports ein. Mr. Miyagi ist der Lehrer im Film „Karate Kid“. Und Mr. Miyagi ist der Spitzname, den die Spieler von Hertha BSC ihrem niederländischen Trainer Jos Luhukay verpasst haben.

Das mag vor allem mit einer gewissen physiognomischen Ähnlichkeit zusammenhängen, aber auch in der didaktischen Herangehensweise lassen sich Gemeinsamkeiten zwischen Luhukay und Mr. Miyagi erkennen. Herthas neuem Trainer geht es nicht darum, irgendwie erfolgreich zu sein; es geht ihm darum, seinen Spielern einen tieferen Einblick in das Spiel zu vermitteln und eine Mannschaft zu formen, die als Mannschaft stark ist. Dass dieser Prozess Zeit und Geduld brauche, predigt Luhukay seit dem ersten Tag. Es ist ein spannendes Experiment, das gerade bei Hertha abläuft. Ein Trainer, der nur erfolgreich sein kann, wenn er Zeit bekommt, trifft auf das vielleicht ungeduldigste Umfeld im deutschen Fußball. Dass Geduld in Berlin ein rares Gut ist, hat Luhukay schon nach dem ersten Saisonspiel zumindest erahnen können. „So wird der Aufstieg ganz schwer“, prophezeite die „Bild“-Zeitung nach dem 2:2 gegen Paderborn.

Luhukay bewegt sich in einem brisanten Spannungsfeld. Herthas finanzielle Situation ist nach wie vor prekär, und sie ist am Wochenende – durch das Aus im DFB-Pokal – noch ein bisschen prekärer geworden. Die Berliner hatten zwar nur die erste Runde in ihren Etat eingeplant, allerdings hat der Klub offen kommuniziert, dass der kalkulierte Fehlbetrag unter anderem durch Erfolge im Pokal reduziert werden könne. Diese Möglichkeit ist seit der 1:2-Niederlage beim Viertligisten Worms hinfällig. Der Schuldenstand (derzeit rund 35 Millionen Euro) wird in dieser Saison noch steigen, ein zweites Jahr in der Zweiten Liga kann sich Hertha zu den bestehenden Konditionen definitiv nicht leisten. Das führt nicht unbedingt dazu, dass die Vereinsverantwortlichen dem aktuellen Geschehen mit innerer Gelassenheit folgen.

Herthas Pokal-Aus gegen Worms in Bildern:

„Ich habe eine extreme Unterstützung“, hat Luhukay vor dem Saisonstart gesagt. Michael Preetz steht hinter dem Kurs der Geduld. Herthas Manager weiß natürlich, dass es ihm endlich gelingen muss, Kontinuität in den Klub zu bringen und dass Luhukay dafür geradezu prädestiniert ist. Allerdings sagt Preetz auch, dass der holprige Findungsprozess der Mannschaft zu Saisonbeginn idealerweise von einer erfolgreichen Punkteausbeute begleitet werden sollte. Die aber ist bisher ausgeblieben. Vor dem heutigen Heimspiel gegen Jahn Regensburg ist Hertha noch sieglos, von drei Pflichtspielen haben die Berliner zwei verloren.

Als Hertha vor zwei Jahren in der Zweiten Liga gegen Ende der Hinrunde unter Markus Babbel eine Phase des Misserfolgs erlebte, kam bereits das Gerücht auf, der Trainer könnte in der Winterpause entlassen werden. Überhaupt ist Preetz in der Vergangenheit nicht durch große Langmut mit seinen Trainern aufgefallen. In drei Jahren hat er mit sechs Cheftrainern zusammengearbeitet. Doch Luhukay interessiert Preetz’ Ruf als Trainerkiller fürs Erste nicht. Er sei „total unbelastet, offen und ohne Angst“, sagt er.

Alle Hertha-Trainer seit dem Bundesliga-Aufstieg 1997 sehen Sie hier in unserer Bildergalerie:

Herthas Trainer hat angekündigt, dass seine Mannschaft ab Oktober schwer zu schlagen sein werde. Die spannende Frage aber ist, was bis Oktober passieren wird. Hertha sollte den Kontakt zu den Aufstiegsplätzen bis dahin nicht vollends verlieren, sonst könnte die Nervosität in der Vereinsführung deutlich zunehmen. Bei Borussia Mönchengladbach hat Luhukay diese Erfahrung schon einmal gemacht: Obwohl er den Klub 2008 in die Bundesliga zurückgeführt hatte, wurde er Anfang Oktober – nach sechs Niederlagen aus den ersten sieben Saisonspielen – entlassen.

Luhukay funktioniert nur auf seine Art – oder gar nicht. Auf Kompromisse lässt er sich nicht ein. In Mönchengladbach entzündete sich der Unmut vor allem daran, dass sich der Holländer hartnäckig weigerte, eine Stammelf einzuspielen. „Ich weiß gar nicht, ob wir überhaupt eine echte Stammelf haben werden“, hatte er schon vor der Saison gesagt. In der Folge wechselte Luhukay munter durch, änderte bei jedem Spiel Personal und/oder taktische Ausrichtung. Selbst von zunehmender Kritik ließ er sich nicht beirren.

Auch in Berlin ist bereits ein leichtes Murren zu vernehmen, dass Luhukay zu exzessiven Personalwechseln neigt. Gegen Worms hatte er seine Mannschaft auf sechs Positionen verändert. Das passt nicht zu den tradierten Vorstellungen, wonach eine Mannschaft nur funktioniert, wenn sie eingespielt ist. Luhukay sagt, dass es nicht entscheidend sei, dass immer dieselben elf spielen; entscheidend sei, dass jeder auf seiner Position funktioniere.

Nirgendwo hat der Holländer das Vertrauen in seine Person und seine Arbeit stärker zu spüren bekommen als in Augsburg. Zu Beginn seiner zweiten Zweitligasaison verlor die Mannschaft viermal hintereinander. Der Klub reagierte – und unterbreitete Luhukay ein neues Vertragsangebot. Und am Ende der Saison stieg Augsburg zum ersten Mal in der Vereinsgeschichte in die Bundesliga auf.

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