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Die Pokal-Macher. Marco Baldi (links), 53, Geschäftsführer von Alba und Kaweeh Niroomand, 63, Manager der BR Volleys.

© Kai-Uwe Heinrich

Vor DFB-Pokal-Halbfinale gegen Dortmund: Alba und BR Volleys geben Hertha Tipps für Pokalsieg

Was Hertha BSC noch schaffen will, haben Marco Baldi mit Alba und Kaweh Niroomand mit den BR Volleys gerade erreicht: Sie sind Pokalsieger geworden. Ein Doppel-Interview.

Herr Baldi, Herr Niroomand, wie wird man eigentlich Pokalsieger?

NIROOMAND: Wir haben ja in diesem Jahr zwei Wettbewerbe gewonnen, den deutschen Pokal und den CEV-Pokal. Zum richtigen Zeitpunkt Heimrecht zu haben, ist die halbe Miete.

BALDI: Es gibt zwei Schlagworte: Killerinstinkt und Unbekümmertheit. Wenn man sich der Bedeutung der Aufgabe zu bewusst wird, kann das in die komplett falsche Richtung laufen.

NIROOMAND: Albas Pokal-Endspiel in diesem Jahr war ja an Spannung wirklich nicht zu überbieten. Ich war an dem Sonntag auf dem Rückweg von einem Fußballspiel von meinem Sohn und habe angehalten, ich konnte das nicht mehr beim Fahren mitverfolgen im Radio, da war so eine Spannung, sensationell.

Wer hat denn den schönsten Pokal?
NIROOMAND: Wir haben jetzt einen nagelneuen. Der wurde extra in Auftrag gegeben, weil der Letzte nicht so schön war.

Konnten Sie bei der Gestaltung Sonderwünsche äußern?
NIROOMAND: Nein, soweit sind wir noch nicht, dass wir ein Abonnement darauf hätten. Es wurde eine Agentur beauftragt, die etwas entwerfen sollte, keine Ahnung nach welchen Vorgaben.

BALDI: Eine Preisvorgabe wahrscheinlich.

NIROOMAND: Ja, also teuer war’s. Gut fünfstellig für den Pokal der Männer und der Frauen zusammen.

Sind Sie pfleglich mit ihm umgegangen?
NIROOMAND: Absolut, wir wussten ja, dass er neu ist, außerdem schwer. Wir haben ihn in Silberfolie herumgetragen.

Und wer hat nun den schönsten Pokal?
BALDI: Das ist wie im klassischen Leben: Wenn ein bisschen Patina drauf kommt, wird es wertvoll. Es gab so eine pseudomoderne Phase in der Basketball-Bundesliga, als sowohl Pokal als auch Meisterschild aus Plexiglas waren. Das war unsäglich, fast eine Entwertung. Wenn Spieler vom Balkan bei uns das Ding bekommen haben, konnten sie gar nicht glauben, dass das nun die Trophäe sein soll. Ich bin froh, dass das wieder geändert wurde. Draus trinken halte ich schon für wichtig. Und er muss küssbar sein.

NIROOMAND: Sehe ich auch so. Deshalb bedauere ich auch, dass man aus unserem nicht trinken kann.

BALDI: Dann müsst ihr eben ein Loch reinsprengen.

Was hat der Pokal, was eine Meisterschaft nicht hat?
BALDI: Das absolute Momentum. Eine Meisterschaft baut sich über die gesamte Saison auf und hat daher zu Recht den höchsten Stellenwert. Im Pokal aber ist das empfundene Glück in der Sekunde des Triumphes so groß, dass man es kaum greifen kann. Dieses Gefühl flaut dann allerdings auch schneller wieder ab.

Niroomand: "Für Volleyball hat das Pokalendspiel einen ganz besonderen Stellenwert."

Ist das Gefühl Ihres Pokalsiegs abgeflaut?
BALDI: Um ehrlich zu sein: ja. Nicht nur, weil wir eine Verletztenserie hatten und Aufs und Abs, sondern genau aus dieser Emotionalität heraus. Dennoch ist ein Titel etwas Bleibendes, fürs Briefpapier, fürs Herz, für Fans, Partner, fürs ganze Umfeld. Er ist ein Stück Identifikation.

NIROOMAND: Für Volleyball hat das Pokalendspiel einen ganz besonderen Stellenwert. 12.000 Zuschauer in Mannheim, im Volleyball vor so einer Kulisse zu spielen, ist ein unglaubliches Gefühl. Einige Spieler werden das nur ein einziges Mal in ihrem Leben erleben.

„Das absolute Momentum.“ Alba-Kapitän Alex King nach dem jüngsten Pokalsieg des Berliner Baketball-Teams.
„Das absolute Momentum.“ Alba-Kapitän Alex King nach dem jüngsten Pokalsieg des Berliner Baketball-Teams.

© imago/Huebner

Hätten Sie gerne jedes Jahr ein Finale in Berlin wie im Fußball?
NIROOMAND: Eigentlich nicht. Ich möchte das auf neutralem Boden erringen. Wir haben eine dominante Position in der Bundesliga, wenn wir dann noch den Heimvorteil im Rücken hätten, wäre das für die anderen nicht ganz fair.

Die Berliner können also froh sein, dass Hertha nicht immer gut gespielt hat, weil das Pokalfinale sonst umziehen müsste?
NIROOMAND: Das DFB-Pokalfinale hat mit Berlin eine ganz andere Tradition, es ist für den Berliner Sportkalender unglaublich wichtig. Es stammt aus einer Zeit, als man Berlin hochpushen wollte.

Hertha ist im Pokal bisher regelmäßig früh gescheitert. Spielt der Kopf bei Pokalspielen eine größere Rolle?
NIROOMAND: Eigentlich ist es Blödsinn, aber wir hatten so eine kleine Blockade im Pokal und ich habe mich selbst schon gefragt: Warum sollen wir überhaupt noch antreten? Vor zwei Jahren in Halle waren wir im Endspiel die bessere Mannschaft. Trotzdem haben wir am Ende verloren, weil in den Hinterköpfen war: Wow, wir können Pokalsieger werden. Dann kommt die Last der Erwartung und alles stürzt ein.

Haben Sie eine Lieblingspokalgeschichte?
BALDI: Das ist der Mithat-Demirel-Gedächtniswurf. Im Pokalfinale 2003 in Berlin gegen Köln schnappt sich der Kleinste auf dem Feld den Ball, mit noch vier Sekunden auf der Uhr, sprintet nach vorne und schmeißt über die Zweimeterbrocken einen Korbleger mit der Sirene rein.

NIROOMAND: 1996 haben wir in Wuppertal das Endspiel gegen Post SV aus Berlin bestritten. Wenn wir verloren hätten, dann hätten wir gar nicht mehr nach Hause zu kommen brauchen. Zum Glück haben wir es noch geschafft.

Baldi: "Wenn man an einem Wettbewerb teilnimmt und in der dritten oder fünften Runde ausscheidet, interessiert das hier keine Sau."

Zählen in Berlin eigentlich nur Titel?
BALDI: Der Anspruch in Berlin ist sehr hoch, das fängt mit der Mentalität an: Licht untern Scheffel ist nicht unbedingt das Markenzeichen von uns Berlinern. Wenn man an einem Wettbewerb teilnimmt und in der dritten oder fünften Runde ausscheidet, interessiert das hier keine Sau. Am Ende zählt nur: Hast du etwas gewonnen oder nicht? Das passt zur Mentalität der Stadt, aber auch zum gewaltigen Angebot.

NIROOMAND: Das hängt auch mit der Situation unter den Profiklubs in der Stadt zusammen. Wir sind alle in unseren Ligen Marken. Die Füchse kann man nicht mit Wetzlar vergleichen. Was Alba im Basketball erreicht hat, ist riesig. Wir sind dabei, eine Marke im Volleyball zu werden. Und was Union, Hertha und die Eisbären machen, ist auch ein Gradmesser für alle anderen. Wenn man in einer Stadt lebt, wo nebenan Meister und Pokalsieger sind und man selbst ist nur Siebter oder Achter, geht man irgendwann unter. Fußball ist auch hier die Ausnahme. Wir pushen uns im städtischen Wettbewerb also gegenseitig hoch.

Freut oder ärgert Erfolg die Konkurrenz?
NIROOMAND: Je erfolgreicher wir sind, desto mehr steigt die Sportbegeisterung in der Stadt. Wenn man in einer Straße als Erster ein Restaurant eröffnet, denkt man: Hoffentlich kommt hier kein anderer hin. Fakt ist: Wenn die Straße bekannt ist als die Straße, in der man gut essen kann, wird sie belebter.

Nun gibt es ja verschiedene Angebote vom Imbiss bis zur Sterneküche.
NIROOMAND: Sportarten sind unterschiedlich. Das Publikum ist es auch. Es spiegelt die Vielfalt der Berliner Gesellschaft. Unser Publikum ist anders als das Fußball- oder Handballpublikum. Wir haben eher mit Basketball eine Schnittmenge. Man sollte nicht vergessen, dass wir insgesamt 140 Bundesligisten in der Stadt haben. Davon profitieren wir alle, nicht nur bei Zuschauern, auch in der Ansprache von Sponsoren.

Hertha ist der größte Klub. Geht es allen gut, wenn es Hertha gut geht?
BALDI: Oh, dann wäre es uns vor einigen Jahren ja allen ganz schrecklich gegangen. Fußball ist natürlich mit Abstand der stärkste Markt. Aber alle Klubs sind unabhängig vom Erfolg auch soziale Akteure in der Stadt. Alba ist zum Beispiel an 140 Schulen in Berlin und Brandenburg unterwegs.

NIROOMAND: Das ist auch ein Grund, warum wir die Initiative der sechs Profiklubs gegründet haben. So können wir unsere Kräfte bündeln, Dinge anschieben und unserer sozialen Verantwortung Rechnung tragen. Das beste Beispiel ist das Projekt Profivereine machen Schule.

Großer Spieltag für den Volleyball. Hier feiert Volleys-Kapitän Robert Kromm (l.) den Pokalsieg in der Mannheimer Arena.
Großer Spieltag für den Volleyball. Hier feiert Volleys-Kapitän Robert Kromm (l.) den Pokalsieg in der Mannheimer Arena.

© Imago/Kurth

Und wie groß ist die Konkurrenz dabei, die Jugendlichen in den Schulen zum Basketball oder Volleyball zu bringen – und nicht zum Fußball oder Handball?
NIROOMAND: Das ist hier nicht wichtig. Unsere Trainer gehen in die Schulen, um mitzuhelfen, den Sportunterricht qualitativ zu verbessern – ungeachtet ihrer jeweiligen Sportart. Es geht uns vor allem darum, Begeisterung für den Sport zu entfachen. Wir sechs Profiklubs sind jetzt in 33 Schulen vertreten, das Programm wird sicher noch wachsen. Auch in den Willkommensklassen engagieren wir uns bei der Integration von Flüchtlingen. Und wir haben ein fertiges Integrationskonzept vorgelegt, das von der Politik diskutiert wird.

Liegt Ihnen das Integrationsthema auch persönlich besonders am Herzen?
BALDI: (lacht) Ich als Zitronenschüttler und du als…

NIROOMAND: …Teppichhändler (lacht).

BALDI: Ich wollte jetzt nicht übergriffig sein.

NIROOMAND: Nein, nein, nein.

Welche Rolle spielt Ihre persönliche Biografie in diesem Engagement?
NIROOMAND: Grundsätzlich ist der Sport die beste Brücke, um in eine Gesellschaft reinzukommen. Das wissen wir alle. Aber klar hat jeder seine Erlebnisse. Als ich nach Deutschland gekommen bin und auf dem Schulhof stand, haben die anderen mich gehänselt, weil meine Schuhe persisch aussahen. Aber abends beim Volleyballtraining war ich mittendrin. Die Erinnerung daran ist noch da und insofern bin ich auch überzeugt, dass Sport der beste Integrationsfaktor ist.

Haben Sie ähnliche Erfahrungen, Herr Baldi?
BALDI: Ich sehe ja nicht unbedingt so klischeemäßig italienisch aus, aber wie Kinder eben sind, suchen sie Schwachstellen beim anderen. Und bei mir dachten sie, das sei halt der Spaghettifresser. Aber was der Sport mir unabhängig von der Integration gegeben hat, ist ein Wertekanon. Beim Erlernen von Verantwortung ist der Sport unersetzlich. Man lernt gerade in einer Mannschaftssportart auf dem sozialen Feld im Prinzip alles. Auch eines: Auf mich kommt’s an. Wenn ich mich hängen lasse, dann wird unser Team da nicht hinkommen, wo wir hinwollen.

Würde denn ein Pokalfinale mit Hertha etwas mit der ganzen Stadt machen? Auch auf Ihre Arbeit abstrahlen?
BALDI: Mir imponiert erstmal diese Dardai-Herangehensweise. Ich bin kein Verfechter davon, Titel heimlich zu gewinnen, also die anderen in die Favoritenrolle zu drücken. Aber dass einer wie Dardai in einem Verein, der immer in der zweiten Runde rausgeflogen ist, mit einer Schelmigkeit, aber auch mit großer Weitsicht sagt: Ich habe diesen Traum vom Pokalfinale. Er hat der Mannschaft dieses Gefühl einpflanzt. Das hat auch mich erreicht.

NIROOMAND: Hertha hat durch Dardai ein emotionales Gesicht bekommen. Weil er offen ist. Kraft ist Nummer eins, aber Jarstein spielt – solche Sprüche sind einfach anfassbar. Und das Thema Pokal hat er in die Köpfe bekommen. So ein Spiel in Heidenheim hätten die möglicherweise vor zwei, drei Jahren verloren, wenn nicht dieser Glaube dagewesen wäre, es am Ende doch zu schaffen. Wenn Hertha den Pokal wirklich gewinnt, würde die ganze Sportstadt Berlin profitieren.

Baldi: "Der Fußball hat sich seine Kraft im Markt erarbeitet. Es liegt an uns, eigene Angebote zu entwickeln."

Obwohl Fußball doch alles platt macht?
NIROOMAND: Als wir uns vor einigen Jahren neu aufgestellt haben, habe ich unseren Mitarbeitern gesagt: Vergleicht euch nicht mit Fußball, sonst steht ihr morgens auf und habt zehn Falten mehr im Gesicht. Die anderen Ballsportarten sind im öffentlich-rechtlichen Fernsehen so gut wie tot. Wir müssen nur sehen, dass wir immer so viel besser werden, dass wir auch halbwegs wahrgenommen werden.

BALDI: Der Fußball hat sich seine Kraft im Markt erarbeitet. Es liegt an uns, eigene Angebote zu entwickeln.

NIROOMAND: Wir haben eine Nische. Und die müssen wir gut besetzen.

Wenn Sie bei Hertha in der Verantwortung wären – was würden Sie tun, um das Stadion zu jedem Bundesligaspiel zu füllen?
NIROOMAND: Das entwickelt sich über die Jahre. Wenn Hertha über mehrere Jahre diese Konstanz, diese sympathische Arbeit wie jetzt unter Dardai und auch diese gute Leistung bringt, werden auch die Zuschauerzahlen wachsen. Man muss dazu bedenken, dass seit der Wende die Hälfte der Stadtbevölkerung ausgetauscht wurde. Die Neu-Berliner sind noch nicht in der Hertha-Tradition, bei ihren Kindern wird das sicher anders sein.

BALDI: Ich glaube, da hat Hertha in der Vergangenheit, unabhängig vom sportlichen Erfolg, nicht immer alles richtig gemacht. Aber seit einigen Jahren spürt man eine neue Ausrichtung.

NIROOMAND: Dieser Wechsel in der Mentalität wird auch in unserer Initiative der Profiklubs deutlich: Es ist nicht selbstverständlich, dass ein großer Fußballklub sich mit einem kleinen Volleyballer an einen Tisch setzt und gleichberechtigt diskutiert. Ich habe vor Jahren mal angefragt, ob Dieter Hoeneß zu uns auf eine Sponsorenversammlung kommen kann. Nach drei Wochen rief mich der Pressesprecher an und sagte, Herr Hoeneß hat keine Zeit. Das ist jetzt anders, auch bei Union.

Was glauben Sie, welcher der Berliner Vereine hat die meisten deutschen Pokalsiege?

NIROOMAND: Alba, oder?

BALDI: Ich habe mich vorhin gefragt, ob es bei uns acht oder neun sind.

Neun.
NIROOMAND: Dann kommen wir mit fünf oder sechs

Vier sind es. Und dann kommen mit jeweils einem Union, Eisbären und Füchse. Hertha hat noch keinen.
NIROOMAND: Das ist natürlich kein ganz fairer Vergleich. Umso mehr würde es uns freuen, wenn Hertha sich in die Liste der Berliner Pokalsieger einreiht.

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