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Sport: Vor einem traurigen Geburtstag

Der Traditionsklub Tennis Borussia wird bald 101 Jahre alt – morgen aber muss der Verein vorläufige Insolvenz anmelden

Berlin. Erhard Rösler sah in entgeisterte Gesichter. Gerade hatte er bei der Krisensitzung im Vereinsheim am Mommsenstadion den sieben anderen Anwesenden den Vorschlag unterbreitet, ein jeder solle 10 000 Euro zahlen, um das Schlimmste von Tennis Borussia abzuwenden. „Die Ablehnung war einstimmig“, sagte Rösler, Vorstandsmitglied bei TeBe. Als die Herren des noch amtierenden Vorstands, ihre bereits feststehenden potenziellen Nachfolger und zwei neu gewählte Mitglieder des Aufsichtsrates später den Raum verließen, stand fest: Tennis Borussia, längst zahlungsunfähig, muss in die vorläufige Insolvenz. Damit ist das eingetroffen, was sich bei der letzten Mitgliederversammlung am 17. März bereits angedeutet hatte.

Mit den von Rösler („Ich hätte einen Kredit aufnehmen müssen“) erhofften 80 000 Euro wären die 100 000 Euro noch nicht erreicht worden, die TeBe benötigt, um den Spielbetrieb zumindest bis zum Saisonende aufrechtzuerhalten. Doch es wäre eine Summe gewesen, mit der die Gläubiger vielleicht hätten hingehalten werden können. Dass man sich letztlich zum Schritt der vorläufigen Insolvenz entschloss, lag auch daran, dass sonst dem Vorstand wegen Insolvenzverschleppung strafrechtliche Verfolgung gedroht hätte.

Nun muss also Geld aufgetrieben werden, um die Gläubiger zu befriedigen. „Von Sponsoren hatten wir Zusagen über 40 000 Euro. Freilich nur unter der Bedingung, dass wir nicht insolvent werden“, sagt Stefan Wöpke, Stadtrat für Soziales in Steglitz-Zehlendorf und wie Sebastian Schütz, Sohn des früheren Regierenden Bürgermeisters Klaus Schütz, Mitglied des kürzlich gewählten Aufsichtsrates.

Ob die Hoffnungen auf die Zahlungsmoral der Vereinsmitglieder realistisch sind, bleibt abzuwarten. Ein jedes sollte nach einem Beschluss 150 Euro als Solidaritätsbeitrag einzahlen. 190 Mitglieder zahlten, 300 nicht. Jetzt schickte man den Säumigen ein Schreiben, in dem bei weiterer Nichtzahlung der Rechtsweg angedroht wurde. „Nicht mal die 150 Euro für die Briefmarken wurden von den neuen Leuten aufgetrieben“, kritisiert Rösler. Und ob durch die Insolvenz die „Zahlungsbereitschaft größer wird, wage ich zu bezweifeln“, sagt Klaus Schumann, der noch amtierende Präsident.

Zum Mahnschreiben, mit dem man Gefahr läuft, dass Mitglieder ihren Austritt erklären, fühlte sich der Verein neben der finanziellen Notlage laut Schumann „auch moralisch verpflichtet“. Gegenüber jenen, die bereits ihren Obolus entrichtet haben. Dass die zumeist gut betuchten Mitglieder der Prominentenmannschaft, von denen lediglich ein Drittel die 150 Euro zahlte, nicht angeschrieben wurden, sorgte bei manchen Vereinsmitgliedern für zusätzlichen Ärger.

Zweifelhaft ist auch, ob die Oberliga-Fußballer noch mitziehen. Seit Januar haben sie kein Geld mehr gesehen. Während sich Trainer Peter Ränke gestern vor dem Arbeitsgericht 12 609,54 Euro von TeBe erstritt, halten die Spieler noch still. Es bleibt die Hoffnung, dass sie die Saison – ohne Aussicht auf den Aufstieg – noch durchziehen. Sollten sie es tun, könnte sich eine neue Geldquelle auftun. Tennis Borussia steht nämlich im Halbfinale des Paul-Rusch-Pokals. Zöge der Verein in die 1. Hauptrunde des DFB-Pokals ein, würde man mit rund 60 000 Euro Einnahmen kalkulieren.

50 000 Euro erwartet Tennis Borussia weiterhin aus dem Transfer von Müslim Can und Faruk Namdar in die Türkei. Freilich schon seit anderthalb Jahren. Selbst das Einschalten des Weltverbandes Fifa und des Deutschen Fußball-Bundes hat bislang nicht gefruchtet. Wobei die Chance dadurch noch geringer geworden ist, dass Altayspor, der Verein von Can und Namdar, abgestiegen und dabei selbst in finanzielle Schwierigkeiten geraten ist. Ein Vermittler hat kürzlich 10 000 Euro angeboten, doch TeBe hat abgelehnt. „Vielleicht sollten wir angesichts unserer jetzigen Situation diese Summe doch akzeptieren“, sagt Schumann.

Der 65-jährige Schumann wird am Dienstag wohl seinen letzten Arbeitstag auf der TeBe-Geschäftsstelle gehabt haben. Wenn nämlich morgen der Antrag auf vorläufige Insolvenz beim Amtsgericht Charlottenburg gestellt worden ist, wird vermutlich gleichzeitig der jetzige Vorstand zurücktreten. Dann kann sich Schumann in sein Feriendomizil auf Fuerteventura zurückziehen.

Übrigens: In wenigen Tagen, am 9. April, wird Tennis Borussia 101 Jahre alt. Es wird ein trauriger Geburtstag werden.

Klaus Rocca

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