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Das Gesicht des Aufschwungs. Bundestrainer Marco Sturm hat dem deutschen Eishockey einen neuen Schub verpasst.

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Vor WM-Viertelfinale gegen Russland: So spielt die deutsche Eishockey-Zukunft

Deutschlands Eishockey-Nationalmannschaft beeindruckt bei der WM mit neuem Mut zur Offensive und steht nun gegen Russland vor einer schweren Augabe im Viertelfinale.

Die deutsche Eishockey-Nationalmannschaft gehört wieder zu den besten acht Auswahlteams der Welt. Was früher eine Selbstverständlichkeit war, wird dieser Tage während der Weltmeisterschaft in Russland als eine Art Auferstehung gefeiert. Tatsächlich hat die Mannschaft von Neu-Bundestrainer Marco Sturm nach Startschwierigkeiten in der Vorrunde überzeugen können. Vier Siege bei einer WM hatte es zuletzt vor 23 Jahren gegeben. Ziemlich lange her. „Das ist ein totaler Schub“, sagt Franz Reindl, der Präsident des Deutschen Eishockey-Bundes (DEB). Mit Marco Sturm hat der zuletzt in seinen Personalentscheidungen nicht immer glückliche Verband diesmal offenbar einen Volltreffer gelandet. „Er erreicht die Spieler. Wir wissen genau, was er von uns will“, sagt zum Beispiel Eisbären-Verteidiger Constantin Braun.

Vor allen Dingen kann Sturm auch das Potenzial der Spieler herauskitzeln. Denn dass es in Deutschland auch im Eishockey gute Talente gibt, ist so neu nicht. Immerhin acht Spieler waren in der vergangenen Saison in der National Hockey League (NHL) beschäftigt, fünf davon kamen bei der WM für die DEB-Auswahl zum Einsatz. Dazu gibt es auch noch Spieler wie Marcel Goc, die ebenfalls Nordamerika-Erfahrung mitbringen. Und Spieler, die in ihren deutschen Klubs nicht nur in der dritten oder vierten Reihe auflaufen, sondern selbst Akzente setzen. Nürnbergs Patrick Reimer hat gerade erst die sonst zuverlässig von Importspielern dominierte Scorerwertung in der Deutschen Eishockey-Liga (DEL) gewonnen.

Augenscheinlich ist bei dieser WM die Steigerung der deutschen Mannschaft in der Offensive. 22 Tore erzielte das Team in den sieben Spielen – bei den vergangenen vier Weltmeisterschaften waren 14 Treffer das Maximum. „Wir haben gezeigt, dass wir auch spielerisch etwas lösen können“, sagt Philip Gogulla, der allein schon sieben Scorerpunkte bei diesem Turnier gesammelt hat. Tatsächlich kann die deutsche Mannschaft ein Spiel inzwischen auch bestimmen und muss nicht nur auf Fehler des Gegners warten. Die Klasse dafür ist nicht nur in einer Reihe vorhanden. Dass sie trotzdem in jedem Spiel auch mental alles geben muss, zeigte der 4:2-Sieg am Montag gegen Ungarn. Der krasse Außenseiter machte es den Deutschen schwer – letztlich aber hat die Mannschaft inzwischen das Selbstvertrauen, um auch so ein Spiel noch zu gewinnen.

Die positive Entwicklung kommt zum besten Zeitpunkt

Im Viertelfinale wartet nun Gastgeber Russland mit Superstar Alexander Owetschkin. Der Rekordweltmeister besiegte in seinem abschließenden Vorrundenspiel am Dienstag Schweden mit 4:1 (2:0, 2:0, 0:1) und schloss die Gruppe A hinter Tschechien als Zweiter ab. Die deutsche Auswahl zieht somit am Mittwoch von St. Petersburg nach Moskau um und spielt das Abendspiel am Donnerstag.

Die positive Entwicklung kommt zu einem denkbar günstigen Zeitpunkt für das deutsche Eishockey. Im Herbst steht die Olympia-Qualifikation an, auswärts in Lettland. Der Anspruch dort muss es sein, sich gegen zweitklassige Teams aus Österreich und Japan sowie den Gastgeber durchzusetzen. Auch, um dann im nächsten Jahr mit noch mehr Euphorie in die Heim-WM in Köln gehen zu können. Das Viertelfinale dort erneut zu erreichen, wird dank der aktuell gezeigten Leistungen wahrscheinlicher. Denn Deutschland verbessert sich durch den jüngsten Erfolg auch wieder in der Weltrangliste. Letztmals gab es eine solch positive Phase, als Uwe Krupp das Nationalteam führte. Von dem vierten Platz, den er 2010 mit Deutschland bei der WM erreichte, profitierte der DEB noch eine ganze Weile. Nur war er nicht auf die Ära nach Krupp vorbereitet – und verabschiedete sich zwei Jahre später aus der Weltspitze.

Daher gilt es, den aktuellen Schub auch langfristig mitzunehmen, schließlich hat DEB-Boss Reindl vor einiger Zeit davon gesprochen, auch mal eine Medaille bei einer WM gewinnen zu wollen. 2026 hatte er dafür als Jahreszahl genannt. Doch für dieses Ziel verlässt sich der Verband vor allem auf seine Spieler. Die, die jetzt für die Zukunft stehen – Leon Draisaitl, Tobias Rieder oder Marcel Noebels von den Eisbären, haben ihre Ausbildung einst selbst in die Hand genommen, in dem sie nach Nordamerika gegangen sind. In Deutschland ist die Nachwuchsarbeit immer noch ausbaufähig. Vielleicht sind die aktuellen Erfolge auch deshalb so wichtig, damit die Klubs in Deutschland sehen, dass sich ihre Investitionen in die Ausbildung lohnen können – und Viertelfinals bei einer WM damit tatsächlich wieder die Regel werden. (mit dpa)

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