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Sport: Vorgezogener Aschermittwoch

Manchmal sind es Äußerlichkeiten, die Einblick ins Innenleben gewähren. Für das nicht ganz so unbedeutende Bundesligaspiel am Dienstag in Cottbus hatte Jürgen Röber den dunklen Einreiher entgegen seinen Gewohnheiten weggelassen.

Manchmal sind es Äußerlichkeiten, die Einblick ins Innenleben gewähren. Für das nicht ganz so unbedeutende Bundesligaspiel am Dienstag in Cottbus hatte Jürgen Röber den dunklen Einreiher entgegen seinen Gewohnheiten weggelassen. Im engen Stadion der Freundschaft hatte sich der Trainer von Hertha BSC für die sportive Wettkampfkleidung entschieden. Einen Trainingsanzug trug Röber zuletzt in Tagen, da sie bei Hertha von der Champions League träumten. 1999 wurde der Traum wahr und der Trainer gern gesehener Kunde in teuren Konfektionsläden. Aber Cottbus ist nicht Barcelona und schon gar nicht Mailand. Vor allem sind die Sorgen andere geworden, seitdem feststeht, dass sich die Wege von Röber und Hertha trennen werden. Und das nach den negativen Erlebnissen des noch frischen Jahres schneller als geplant. Gestern gab der Verein bekannt, dass man "in gegenseitigem Einvernehmen" auseinandergeht. Sofort. Bis zum Saisonende übernimmt Falko Götz, bislang Amateur- und Jugendkoordinator, das Training der ersten Mannschaft. Sein Assistent ist Ex-Nationalspieler Andreas Thom. Im Sommer kommt dann wie geplant Huub Stevens aus Schalke.

Zum Thema Fotostrecke I: Bilder der Saison 01/02 Fotostrecke II: Hertha Backstage Bundesliga aktuell: Ergebnisse und Tabellen Bundesliga-Tippspiel: Das interaktive Fußball-Toto von meinberlin.de In Cottbus wollte Jürgen Röber noch einmal Nähe zum Team und Lust an seiner Tätigkeit demonstrieren. Das Ausscheiden aus dem Pokal vor einer Woche war vielleicht ein Knackpunkt, das 0:1 in Cottbus wohl der Endpunkt. Seit dem Pokalaus gegen Köln musste man sich fragen, wie weit es ist mit der Zweckgemeinschaft. Diese wurde vollmundig um Weihnachten ausgerufen, kurz bevor Stevens als Nachfolger Röbers vorgestellt wurde. Vielleicht dachte Röber in Cottbus an Stevens, der an der Seitenlinie in Berlin bald Anzug tragen muss. Noch ist er auf Schalke, trägt königsblaue Ballonseide - mit ziemlichem Erfolg.

Das Innenleben von Hertha BSC anno 2002 ist nicht gerade wohl sortiert. Im Gegenteil, es stellt sich wackelig, bisweilen labil dar. Der Verein, der sich vor der Winterpause trotz des schlechten Saisonstarts noch in eine gute Ausgangsposition für die Rückrunde gespielt hatte, verlor in den vergangenen zehn Tagen drei von vier Spielen (bei einem Unentschieden). Herthas Manager Dieter Hoeneß sprach gestern von einer "bedrückenden Situation, die sich jeder anders vorgestellt hat". Am Vormittag nach dem Desaster von Cottbus war noch "nicht klar, welche Maßnahmen zu ergreifen sind, die für eine Verbesserung sorgen. Wir werden erst nachdenken und dann handeln. Das haben wir immer so gemacht in kritischen Situationen." Dies sagte Hoeneß im Hinterland des Olympiastadions während eines "koordinativen Gesprächs" mit Journalisten. Die waren dort gestern in einer Anzahl erschienen, als sei gestern auf dem Vereinsgelände von Hertha BSC die Berlinale feierlich eröffnet worden.

Zu diesem Zeitpunkt hatte Jürgen Röber das Feld längst verlassen. "Wir reden hier nicht über, sondern mit dem Trainer", sagte Dieter Hoeneß. Nach der vormittäglichen Übungseinheit wurde der Mannschaftsrat gestern zum Manager zitiert. Michael Preetz, Eyjölfur Sverrisson und Stefan Beinlich kamen der Einladung nach. Am Nachmittag tagte die Vereinsführung. "Hier wird keine Entscheidung auf dem Berg getroffen", sagte Hoeneß noch einmal, "es geht um Eindrücke und Informationen, die wir einholen müssen, um zu wissen, was zu tun ist." Dann fiel die Entscheidung doch ziemlich rasch.

Sechs Jahre war Röber Trainer in Berlin (siehe Chronik unten). Am Ende hatte er keine Basis mehr. "Das Wichtigste ist, dass er selbst daran glaubt, es noch zu schaffen", hatte Hoeneß noch gesagt. Daran allerdings glaubte Jürgen Röber schon vor einigen Monaten nicht mehr. Bereits nach dem 0:4 beim HSV im vergangenen Oktober hatte Röber eine sofortige Trennung angeboten. Damals ließ sich der Trainer vom Manager überreden. "Ich wollte dem Jürgen Röber einen besseren Abgang verschaffen", sagte Dieter Hoeneß inmitten einer erfolgreichen Aufholjagd der Mannschaft im Spätherbst des vergangenen Jahres. Auch nach dem Pokalaus gegen Köln wollte Röber aufgeben.

"Die Situation ist nicht einfach für den Verein, und nur darum geht es, nicht um meine Person", sagte Jürgen Röber über seine Zeit als Trainer auf Abruf. "Die Entscheidung wurde im vergangenen Jahr so getroffen. Es hätte auch in eine andere Richtung gehen können." Am Ende hatte Jürgen Röber einfach keine Lust mehr, "bemitleidend angeguckt zu werden". Fußball sei eigentlich ein einfaches Spiel, was danach schwer zu erklären ist. "Das ging mir zuletzt zu oft so."

Im Trainingslager im Januar in Marbella hatte sich Dieter Hoeneß noch sehr optimistisch angehört. Nach einem katastrophalen Saisonstart habe man "an den richtigen Stellschrauben gedreht". Und was die Entscheidung in der Trainerfrage anbelangt, sprach der Manager Anfang Januar von einer "gewünschten Dramaturgie". Damals wollte sich Hoeneß nicht zu lange damit beschäftigen, was passieren könnte, wenn Hertha unter Röber drei Spiele verlöre. Sondern vorrangig damit, "was wir tun können, um erfolgreich zu sein".

Gestern musste sich Dieter Hoeneß früher als gewünscht auf die Suche nach jenen Stellschrauben machen, an denen nun zu drehen ist. Das wird nicht leicht. Sonnabend kommt der VfB Stuttgart. Ein alter Bekannter. Dort wurden Röber und Hoeneß im April 1995 am selben Tag beurlaubt.

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