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Sport: Vorteil Amerika

Der Wertungen der Kampfrichter beim Kunstturnen stehen in Athen stärker in der Kritik als sonst

Als die Wertung für den Russen Alexej Namow auf der Anzeigetafel aufleuchtete, brach der Tumult aus. Pfiffe, Buhrufe und Protestschreie hallten gestern Abend durch die Olympiahalle in Athen. Die Kampfrichter hatten den Russen, der das Publikum bei seiner Kür am Reck zu Begeisterungsstürmen hingerissen hatte, im Zwischenklassement hinter den US-Amerikaner Morgan Hamm nur auf Rang drei gesetzt. Die Zuschauer empörten sich, minutenlang gellten die Pfiffe durch die Halle, der nachfolgende US-Turner Paul Hamm konnte seine Übung nicht beginnen. Die Pfiffe lösten eine längere Diskussion unter den Punktrichtern aus, an deren Ende sie die Übung plötzlich um 0,4 Punkte nachbesserten. An der Platzierung änderte sich jedoch nichts. Die Zuschauer pfiffen weiter. Alexej Namow musste sie erst durch Handzeichen beruhigen, ehe der US-Amerikaner seine Übung beginnen konnte.

Es hat schon immer im Turnen Diskussionen über die Wertungen gegeben. „Aber was sich hier abspielt, ist ungewöhnlich“, sagt der deutsche Sportdirektor Wolfgang Willam, „da muss sich der internationale Turnverband Gedanken über seine Kriterien machen.“ Zwei offizielle Proteste hat es in Athen bereits gegeben. Die bulgarischen Turner protestieren gegen die Goldmedaille für Griechenland an den Ringen. Südkorea will sogar den Internationalen Sportgerichtshof anrufen. Die Kampfrichter hatten den Ausgangswert des drittplatzierten Südkoreaners Yang TaeYoung im Mehrkampffinale am Barren falsch berechnet. Der Internationale Turnverband gab den Fehler bereits zu und suspendierte drei verantwortliche Kampfrichter. An der Goldmedaille für den US-Amerikaner Paul Hamm änderte der Verband jedoch nichts, obwohl TaeYoung mit dem richtigen Ausgangswert den ersten Platz belegt hätte. Das möchte Südkorea nicht hinnehmen.

Schon wittern einige eine Bevorteilung der Amerikaner. Nach dem Mehrkampffinale sagte der 16-jährige Fabian Hambüchen: „Die Punkte sind den Amis doch geradezu zugeschanzt worden.“ Die russische Titelverteidigerin Swetlana Chorkina antwortete nach dem Mehrkampffinale auf die Frage, was sie von der Siegerin Carly Patterson unterscheide: „Ich bin Russin, und sie ist Amerikanerin.“ Wolfgang Willam aber sagt: „Da hat sie vergessen, dass sie am Balken einen Fehler gemacht hat, ohne den sie Olympiasiegerin geworden wäre.“

Die Bedeutung des Turnens liegt in den USA ungleich höher als in Deutschland. Der Fernsehsender NBC erzielt seine besten Einschaltquoten bei den Olympischen Spielen mit dieser Sportart. Seit 1984, als Mary Lou Retton in Los Angeles die Gold gewann, steht für NBC fest, dass die Einschaltquoten bei den Spielen auch stark mit den Leistungen der eigenen Turner zusammenhängen.In Athen zahlt der Fernsehsender 793 Millionen Dollar für die Übertragungsrechte. Trotzdem glaubt Wolfgang Willam nicht an eine unrechtmäßige Beeinflussung der Wettbewerbe. „Paul Hamm hat von den Fehlern der anderen profitiert", sagte der Sportdirektor, „ich glaube nicht, dass die anderen Turner für NBC Fehler machen.“

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