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Sport: Vorwärts immer

Die Torwartfrage ist beantwortet, doch vor der WM gibt es Probleme in Serie – Teil eins: die Abwehr

Mit der Entscheidung in der Torwartfrage hat Bundestrainer Jürgen Klinsmann ein Problem gelöst, von dem Assistent Joachim Löw gesagt hat: „Das würden wir uns auf anderen Positionen auch wünschen.“ In den anderen Mannschaftsteilen sieht es weniger gut aus. Eine Serie von Problemen. Teil eins: die Abwehr.

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Jürgen Klinsmann ist ein durch und durch strukturierter Mensch. Seine Tätigkeit als Bundestrainer ist von Anfang an einem klaren Plan gefolgt. Im ersten Jahr seiner Amtszeit sollte die Nationalmannschaft die offensive Grundeinstellung verinnerlichen. Die Organisation der Abwehr stand erst im zweiten Jahr auf dem Plan. Zwei Monate vor der WM gibt es begründete Sorgen, dass die Abwehr das Klassenziel nicht ganz erreichen wird.

Die Schwäche der deutschen Abwehr ist vor allem ein Personalproblem und betrifft in erster Linie die Innenverteidiger: Christoph Metzelder war fast zwei Jahre verletzt und hat in Dortmund seinen Stammplatz verloren. Robert Huth trainiert in Chelsea zwar täglich mit einigen der besten Spieler der Welt, muss auf Spielpraxis in der Premier League jedoch weitgehend verzichten. Die deutsche Abwehr soll nun von dem 21 Jahre alten Per Mertesacker geführt werden, der eigentlich selbst noch Führung benötigte. Neben Metzelder, Mertesacker und Huth bliebe für die Innenverteidigung noch eine Planstelle im WM-Kader frei. Die Namen möglicher Kandidaten unterstreichen nur das gravierendste Problem der Nationalelf. Zum Länderspiel gegen die USA lud Klinsmann den Mainzer Manuel Friedrich ein, der alles andere als eine berauschende Rückrunde spielt. Der Stuttgarter Markus Babbel, 33 Jahre alt, stand nach seinen zuletzt schwachen Leistungen am Wochenende nicht mal beim VfB in der Stammelf. Rückt am Ende also doch noch der Leverkusener Jens Nowotny als letzte Rettung in den Kader, der vier Kreuzbandrisse hinter sich hat und, obwohl bereits 32 Jahre alt, noch nie bei einer WM gespielt hat?

Wahrscheinlich hat Christian Wörns einfach zu früh gegen Klinsmann aufgemuckt. Der Dortmunder wäre vermutlich bei der WM dabei gewesen, wenn er die Nichtnominierung durch den Bundestrainer weiterhin klaglos ertragen hätte. Dabei passt er mit seinem Spiel ebenso wenig in Klinsmanns Philosophie wie Oliver Kahn. Wörns verteidigt mit dem Gesicht zum eigenen Tor. Genau das will Klinsmann nicht. Vorwärtsverteidigung, wie sie dem Bundestrainer vorschwebt, bedeutet nicht zwangsläufig, dass die Verteidiger sich permanent in die eigenen Angriffe einschalten. Vorwärts verteidigen heißt, den Ball möglichst früh zu gewinnen, das gegnerische Tor dabei stets im Blick zu haben und mit dem Zugriff nicht bis zum letzten Moment zu warten, wie Wörns es zu tun pflegt.

Klinsmanns Idee von der Verteidigung ist sehr viel schwieriger umzusetzen als die sture Manndeckung. Sie erfordert fast blindes Verständnis der Verteidiger untereinander, eine hohe taktische Reife und eingeübte Automatismen. Der Bundestrainer ist zuversichtlich, dass seine Spieler all das in der unmittelbaren Vorbereitung auf die WM noch lernen können. Eine Umstellung von der Vierer- zur leichter zu spielenden Dreierkette hat Klinsmann jedenfalls schon ausgeschlossen.

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