zum Hauptinhalt
Immer begehrt. Lionel Messi schreibt vor der Weltfußballerwahl in Zürich fleißig Autogramme. Später gewann er die individuelle Auszeichnung zum fünften Mal.

© AFP

Wahl zum Weltfußballer: Lionel Messi und der Preis der Anderen

Lionel Messi gewinnt zum fünften Mal den Ballon d’Or – weil eine ganze Mannschaft für ihn arbeitet.

Es kam es gar nicht so überraschend, dass Luis Suárez den Goldenen Ball gewann. Vor Lionel Messi, Neymar und Andrés Iniesta, seinen drei Kollegen beim FC Barcelona, der Uruguayer bezeichnet sie stets als „die drei besten Fußballspieler der Welt“. Am Ende aber war es die Kernwährung des Fußballs, die für Suárez entschied. An einem Torschützenkönig kommt keiner so leicht vorbei, nicht mal Messi, der im Endspiel nur einmal traf, während Suárez nach seinen drei Toren im Halbfinale noch mal zwei drauf legte, wofür er dann folgerichtig den Goldenen Ball bekam. Als bester Spieler der Klub-Weltmeisterschaft.

Dieses Mitte Dezember in Japan ausgespielte Turnier hat wenig Eindruck hinterlassen und war doch der perfekte Abschluss eines großen Jahres für Luis Alberto Suárez. Für einen, der nach seiner Beißattacke bei der WM 2014 als meistgehasster Spieler der Welt galt, in aller Demut zurückkam und das Gesamtkunstwerk FC Barcelona veredelte. Schön gespielt hat Barça schon immer, der Erfolg aber stellte sich nach zuvor sechs verhaltenen Jahren erst wieder mit Suárez ein. Das Quadrupel von Champions League, spanischer Meisterschaft, Copa del Rey und Klub-WM ist vor allem ein Verdienst seiner Tore. 49 waren es im Jahr 2015, Messi kam nur auf 47.

Seit 2008 haben immer Messi oder Ronaldo gewonnen

Als nun aber am Montag im Züricher Schauspielhaus der Weltverband Fifa den von ihm gestifteten Ballon d’Or vergab, gehörte der „beste Mittelstürmer der Welt“ (Barcelonas Trainer Luis Enrique) nicht mal zu den drei nominierten Kandidaten. Den wichtigsten Goldball der Welt gewann Lionel Messi vor Cristiano Ronaldo im ewigen Duell der üblichen Verdächtigen. Seit 2008 machen Barcelonas Argentinier und der Portugiese von Real Madrid den Weltfußballer unter sich aus. Nach zuletzt zwei Triumphen für Ronaldo war diesmal wieder Messi an der Reihe, zum fünften Mal nach seiner Serie zwischen 2009 und 2012. Dass da noch ein dritter auf der Liste stand, war ein zu vernachlässigendes Detail für die offiziellen Jahrbücher. Nach Fernando Torres, Xavi Hernandez, Andres Iniesta, Franck Ribéry und Manuel Neuer übernahm dieses Mal der Brasilianer Neymar die Rolle des vom Reglement vorgeschriebenen Zählkandidaten.

Natürlich ist Lionel Messi ein würdiger Preisträger. Dass die Wahl von Jahr zu Jahr ein bisschen vorhersehbarer und langweiliger wird, ist schwerlich ihm und seiner Klasse anzulasten. Sein Spiel ist auch im zwölften Profijahr eine Synthese von Tempo und Poesie, was im Hochgeschwindkeitsfußball des dritten Jahrtausends gar nicht hoch genug bewertet werden kann. Auch Ronaldo muss sich seiner Dauerpräsenz bei der Züricher Gala nicht schämen. Der Fußball verdankt ihm eine späte Renaissance der Kunst des Dribblings, seine Kopfball-und Schussstärke machen ihn zu einem kompletten Spieler. Und doch bleibt ein Unbehagen. Ein Anflug von Widerwillen angesichts der im Jahresrhythmus greifenden Automatismen, wenn der Mannschaftssport Fußball immer wieder dieselben Individualisten über das Kollektiv stellt.

Längst sind Lionel Messi und Cristiano Ronaldo mehr als Lionel Messi und Cristiano Ronaldo. Beide stehen sie am Ende eines über Jahre hinweg justierten Prozesses. In Barcelona ist die gesamte Mannschaft darauf abgestellt, Messis Qualitäten zum Tragen zu bringen. Niemand läuft so wenig, niemand gönnt sich so zahlreiche Pausen wie das Wunderkind aus Rosario. Und als Real Madrid im Sommer 2013 den Linksaußen Gareth Bale für geschätzt 100 Millionen Euro von Tottenham Hotspur kaufte, musste dieser mit seinem begnadeten linken Fuß auf die rechte Seite ausweichen. Die linke ist bis in alle Ewigkeit für Cristiano Ronaldo reserviert.

Messi hat mit seinem Nationalteam noch keinen großen Titel gewonnen

Wie prägend die Arbeit im Hintergrund für die Großtaten dieser beiden Ausnahmespieler ist, kann immer dann bestaunt werden, wenn sie ihre Kunst jenseits des Klub-Alltages vorführen. Im reifen Alter von 28 und 30 Jahren warten Messi und Ronaldo immer noch auf einen großen Titel mit der Nationalmannschaft. Portugal reduziert seine Spielidee schon bald zehn Jahre lang darauf, Ronaldo in Szene zu setzen, was aber angesichts der knapp bemessenen Zeit zum Einspielen nie so gut funktionieren kann wie bei Real. Messi genießt im Kreise seiner Argentinier das Mitwirken mehr individueller Qualität – und hat dort im entscheidenden Augenblick doch nie eine so überragende und das Spiel prägende Rolle wie in Barcelona gespielt. Im WM-Finale 2014 und ein Jahr später im Endspiel um die Copa América war er kaum mehr als ein Mitläufer (der allerdings kaum mitlief).

In diesem Sinne ist Messis Ballon d‘Or ein Preis, den ein herausragender Künstler stellvertretend für all jene entgegennimmt, die ihm im Hintergrund dienen. Zum Beispiel Luis Suárez, der den Führugsanspruch seines Kapitäns vorbehaltlos akzeptiert, in jedem Spiel 90 Minuten für ihn arbeitet – und im Jahr 2015 ganz nebenbei 49 Tore geschossen hat.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false