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Walther Tröger, 84, war von 1989 bis 2010 Mitglied des IOC und ist seitdem Ehrenmitglied des IOC.

© dpa

Walther Tröger im Interview: "In jeder Hinsicht auf Augenhöhe"

IOC-Ehrenmitglied Walther Tröger spricht im Tagesspiegel-Interview über die Macht des Präsidenten und den politischen Anspruch des IOC.

Herr Tröger, das Internationale Olympische Komitee und der Weltfußballverband Fifa haben ihre großen Veranstaltungen zuletzt nach Südamerika und Asien gegeben, um neue Märkte zu erschließen. Wäre es da nicht konsequent, wenn auch der nächste IOC-Präsident nicht aus Europa käme?

Das ist ein wichtiger Aspekt, aber es gibt im IOC heute keine Unbekannten mehr. Man hat Beziehungen über die Kontinente, das gleicht es ein bisschen aus. Die Europäer stellen drei von sechs Kandidaten. Ich glaube nicht, dass sich in den ersten beiden Durchgängen schon eine Mehrheit ergibt.

Ist Thomas Bach der Favorit?

Vor ein paar Monaten war er der Favorit, ob er es immer noch ist, weiß ich nicht. Im IOC ist alles möglich. Alle sechs Kandidaten sind präsidiabel, mehr oder weniger.

Wäre Ihnen bei einem Kandidaten weniger wohl, wenn er gewählt würde?

Nein, es gibt aber sehr unterschiedliche Charaktere. Es sind Leute dabei, die das IOC sehr ausgeglichen leiten würden, und andere, die schon ein wenig mehr diktatorisch wären. Aber das IOC ist in seinem Präsidium so gut aufgestellt, dass man das schon unter Kontrolle bekommt.

Wie groß ist denn überhaupt der Einfluss eines IOC-Präsidenten?

Ich war ja auch acht Jahre in der Exekutive, als Juan Antonio Samaranch noch Präsident war. Samaranch war schon bestimmend, ein kleiner Machiavelli. Vor allem hatte Samaranch überall seine Agenten und Späher. Es gab keine Gegenbewegung, in der nicht einer drinsaß, der von Samaranch da hingeschickt worden war. Er wusste immer alles. Unter den sechs Kandidaten ist kein Samaranch. Keiner, der so die Tricks und den Umgang mit anderen Leuten beherrscht, ohne selbst viele Fehler zu machen. Wenn überhaupt einer dazu fähig wäre, dann Thomas Bach. Aber er ist auch ruhiger geworden.

Sie meinen es also als Kompliment, dass keiner so ist wie Samaranch?

Ja. Wissen Sie, der Wind ist auch härter geworden. Samaranch hat zu einer Zeit begonnen, in der das IOC, ich will nicht sagen nicht-existent war. Aber es waren viele ältere Herrschaften drin, es war kein Geld da und Samaranch hat was draus gemacht. Jetzt ist das IOC in jeder Hinsicht auf Augenhöhe mit allen anderen Bewegungen der Welt, den Vereinten Nationen oder der Wirtschaft. Als Samaranch begonnen hatte, gab es auch Doping und politische Fragen, er ist ja mitten in die Phase der Boykotte reingekommen. Aber die Medien haben sich noch nicht groß ums IOC gekümmert. Heute hat man sich sehr viel schneller eine Ohrfeige eingefangen.

Ein so starker Präsident wie Samaranch es war, kann man heute also gar nicht mehr werden?

Völlig richtig. So wie Samaranch es zumindest bis zur Salt-Lake-City-Korruptionsaffäre war. Da hat er dann Schwächen gezeigt.

"So viel Einfluss hat das IOC gar nicht."

Von welcher Seite kommt heute der größte Druck?

Mit der Politik gibt es meiner Meinung nach keine Probleme. Wenn die Politik in einem Land in den Sport eingreift, suspendiert das IOC das entsprechende Nationale Olympische Komitee. Das IOC macht dem Land klar, wenn ihr ein NOK haben wollt und Mannschaften entsenden wollt, dann müsst ihr nach unseren Satzungen akzeptieren, dass das NOK selbständig ist und seine Leute selber wählt.

Und welchen Einfluss hat das IOC, wenn es um das Gesetz gegen die sogenannte Homosexuellen-Propaganda in Russland geht?

Da gibt es zwei Aspekte. Zum einen hat das IOC seit Langem in seiner Satzung stehen, dass den Sportlern nicht erlaubt ist zu demonstrieren. Wenn jeder anfängt zu demonstrieren, gibt es Unruhe in den Mannschaften. Auf der anderen Seite versucht das IOC einzuwirken, wie es bei China der Fall war, wenn auch nicht ausreichend für den Eindruck der Medien. Aber das IOC muss auch wissen: So viel Einfluss hat es ja gar nicht. Und man darf eines nicht vergessen: Wer ist das IOC?

Wer denn?

Eben nicht nur der Präsident und ein paar Amerikaner und Nordeuropäer, das IOC sind mehr und mehr auch Leute von anderen Kontinenten. Die sehen das alles ganz anders. Die sind einfach nicht bereit, für die sogenannten Menschenrechte und die Demokratie alles aufs Spiel zu setzen.

Wie groß kann der Anspruch des IOC überhaupt sein, durch die Spiele etwas verbessern zu wollen?

Ich glaube, dass das IOC hier den richtigen Weg geht. Das hat sich ja in China bewiesen durch die vielen Begegnungen und die Tatsache, dass so etwas in einem Land stattfindet, das bisher nicht viel Zugang zur anderen Welt hatte. Ich habe mich in China gewundert, wie offen ich mit jungen Menschen reden konnte. Und in China hat sich eine Menge bewegt durch die Olympischen Spiele.

Auch wenn Menschenrechtsgruppen bemängeln, dass die Lage bei vielen persönlichen Freiheiten schlechter sei als vor den Spielen?

Das weiß ich nicht, ob das wirklich so ist. Das kann ich mir auch gar nicht vorstellen. Vielleicht hat das aber auch eine Verbindung miteinander, dass nun die Gegenbewegung ein bisschen stärker geworden ist.

Ist das IOC genauso transparent wie ein großes Unternehmen?

Das denke ich schon. Es kann ja auch jeder nachlesen, dass das IOC von den Milliardeneinnahmen, die es über vier Jahre generiert, sieben Prozent selbst behält und den Rest verteilt, an die NOKs und an die Fachverbände. Wie die dann damit umgehen, das weiß kein Mensch. Da kann natürlich bei einigen Verbänden Geld in die falschen Taschen fließt. Aber das IOC sorgt dafür, dass von dem Geld die gesamte olympische Basis profitiert.

Haben Sie einen Wunsch an den nächsten IOC-Präsidenten?

Gegenwärtig stehen alle Kandidaten für das, was existiert. Wissen Sie, es muss ja nicht jeder Visionen haben. Die Kandidaten sind ja alle in die Programme eingebunden. Thomas Bach ist nun zum dritten Mal Vizepräsident des IOC. Er ist Vorsitzender einer Reihe ganz wichtiger Kommissionen. Wenn er sagt, an diesem und jenem Programm habe ich mitgewirkt und ich setze das Programm fort, dann muss man von ihm nicht verlangen, dass er den Himmel aus den Angeln hebt.

Das Gespräch führte Friedhard Teuffel.

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