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Schräge Boote. Die neuen Katamarane für den America’s Cup, hier mit dem beim Testrennen in Portugal siegreichen neuseeländischen Team, schweben über dem Wasser. Foto: dapd

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Sport: Wandlung ohne Wind

Sie beschleunigen binnen Sekunden, ihr Flügelmast türmt sich 22 Meter in die Höhe. Die Katamarane machen Segeln wagemutiger und revolutionieren den America’s Cup

Zäh hing der Nebel über der Bucht von Cascais. Wo es an der portugiesischen Küste zu dieser Zeit normalerweise mit vier bis fünf Windstärken weht, herrschte zum Auftakt der neuen America’s-Cup-Rennserie Windstille. Ein Lüftchen vielleicht war zu spüren, mehr nicht – so berichten es die Teilnehmer hinterher via Internet in alle Welt. Die acht Teams dümpelten zunächst mit ihren nagelneuen futuristischen Zweirumpf-Racern in öliger See. Für jede andere Jacht wäre der Segeltag gelaufen.

Aber der America’s Cup sollte nicht mehr wie eine normale Regatta sein, sondern größer und teurer. Software-Milliardär Larry Ellison, der den Cup Alinghi vergangenes Jahr in einem spektakulären Duell abgejagt hatte, versprach, die älteste Sporttrophäe der Welt in die Zukunft zu führen. Und dort ist sie jetzt. Und es scheint, als habe selbst der Wind an diesem Tag in Portugal noch nicht aufgeholt. Nirgends ein Kräuseln, nirgends ein Zeichen für mehr als einen Hauch.

Man verspricht sich wahre Wunderdinge von diesen Booten. In Rekordzeit sind sie entwickelt und nach den Vorstellungen von Titelverteidiger Oracle Racing aus ultraleichtem Kohlefasermaterial (Karbon) gebaut worden. Mit 1,4 Tonnen wiegen sie so viel wie ein Mittelklassewagen, dabei sind es stattliche Geräte: 13 Meter lang, beinahe ebenso breit und darüber türmt sich der Flügelmast 22 Meter in die Höhe. Sie sollen eine neue Generation von Extremseglern hervorbringen. Bis 2013, wenn um den 34. America’s Cup auf annähernd doppelt so großen Maxikatamaranen gekämpft wird, dauert die Trainingsphase. Schon als das Ellison-Team den Prototyp des AC 45, wie der Trainingskatamaran offiziell heißt, in der Bucht von San Francisco vorstellen wollte, war auch die Hybris erkennbar, die hinter der Innovationswut des Amerikaners steckt. Der von Supersegler und Syndikatchef Russell Coutts gesteuerte Katamaran bohrte sich in einer Böe kopfüber ins Meer, die Mannschaft wurde ins Wasser geschleudert. Und auch in Cascais, wo die Hochgeschwindigkeitsapparate erstmals gegeneinander antraten, war nun so etwas wie ein Impuls zu spüren.

Denn an der Startlinie aufgereiht, als der Nebel sich lichtet, durchlaufen die Katamarane mit dem Startsignal eine irre Wandlung. In den neuen Rennvideos sieht man sie binnen Sekunden beschleunigen, wie aus dem Nichts, nur eine kleine Justierung des riesigen Flügelmasts ist dafür nötig, und schon hebt sich der Rumpf, gewinnt das Boot an Fahrt. Fünf Besatzungsmitglieder bedarf es, um zwei Vorsegel, Steckschwerter auf jeder Seite und das Flügelsegel zu bedienen. Obwohl die neue Generation der America’s-Cup-Profis keineswegs aus zusammengekauften Katamaran-Veteranen besteht, hat der Technologiesprung doch auch neues Personal in die über Jahrzehnte abgeschottete Segelelite gebracht. Franzosen wie Loick Perron (Energy Team) oder Alain Gaultier (Aleph), die als Experten für große Katamarane einen Erfahrungsvorsprung haben, sind nun ebenso dabei wie athletische Skiffsegler.

Trotzdem bleibt die America’s-Cup-Gemeinde weitgehend unter sich, sie hat lediglich das Spielgerät gewechselt. Wie gut Dean Barker, der in der Vergangenheit oft nur knapp unterlegene Star vom neuseeländischen Herausfordererteam, auch auf zwei Rümpfen ist, demonstrierte er in Cascais eindrucksvoll. Die Neuseeländer setzten sich sofort an die Spitze der Rangliste und ließen sich in den rauer werdenden Bedingungen der bis gestern andauernden Rennwoche von dort nicht mehr vertreiben. Jeden Tag dasselbe Bild. Emirates Team New Zealand erwies sich sowohl bei den Speed Trials mit der Höchstgeschwindigkeit von 42,35 Stundenkilometern als schnellstes Boot, setzte sich bei den Match-Race-Duellen meist durch und sammelte auch in den Flottenrennen verlässlich Punkte. Am Ende dieser ersten Weltcup-Serie, die dem America’s Cup als zusätzliche Attraktion vorgeschaltet ist, stand Barkers Team als Gesamtsieger fest.

Nur eines haben sie nicht geschafft. Im Match-Race-Finale unterlag Barker seinem Kontrahenten James Spithill, der eines von zwei Oracle-Booten steuerte und nun zumindest für sich behaupten kann, die wichtigere Disziplin, nämlich den Zweikampf, noch immer zu dominieren.

In Cascais hat der America’s Cup sich von seiner neuen Seite gezeigt. Bevor es im September in Plymouth weitergeht, steht fest, dass Segeln nie zuvor so wagemutig und unberechenbar ausgesehen hat. Denn man muss die ultraleichten, kraftvollen Boote beherrschen können. Und viele Teams werden das vielleicht nie ganz bewerkstelligen. Der am häufigsten aus Cascais überlieferte Satz lautete deshalb: „Wir haben wieder viel gelernt.“

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