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Sport: Wankelmütiger Popsänger

Als vor wenigen Wochen die Mannschaft von Aston Villa im Old-Trafford-Stadion zu Gast war, erhob sich das sonst erstaunlich ruhige und gesättigte Publikum schon während des Aufwärmens der Spieler, um dem Torwart des Gegners zu applaudieren. Peter Schmeichel, der viele Jahre das Tor von Manchester United gehütet hatte und mit 38 Jahren überlegt, ob er noch eine weitere Saison in Birmingham spielen soll, war zurückgekehrt zu seinem alten Klub.

Als vor wenigen Wochen die Mannschaft von Aston Villa im Old-Trafford-Stadion zu Gast war, erhob sich das sonst erstaunlich ruhige und gesättigte Publikum schon während des Aufwärmens der Spieler, um dem Torwart des Gegners zu applaudieren. Peter Schmeichel, der viele Jahre das Tor von Manchester United gehütet hatte und mit 38 Jahren überlegt, ob er noch eine weitere Saison in Birmingham spielen soll, war zurückgekehrt zu seinem alten Klub. Alex Ferguson, Uniteds Trainer, sagte damals, dass Peter Schmeichel eben auch einer sei, der der Herausforderung der englischen Premier League nicht widerstehen könne. Die Herausforderung der Premier League war laut Ferguson nämlich der Grund für seine wenige Tage zuvor bekannt gewordene, eigene Vertragsverlängerung bis Mai 2005. Seine neueste Aufgabe ist das heutige Champions-League-Spiel gegen Bayern München (20 Uhr 45/live in RTL und Premiere).

Wenige Monate zuvor war Fergusons Begeisterung für die englische Liga nach fünfzehn Jahren Dienst in Manchester beträchtlich gesunken. Der Trainer, der nach dem Gewinn von Meisterschaft, Pokal und Champions League 1999 von der Queen zum Ritter geschlagen worden war, hatte keine Lust mehr. Sein Team spielte eine für Uniteds Verhältnisse schauerliche Hinrunde. Manchester unterlag sechsmal in der Liga, verlor zweimal in der Vorrunde der Champions League gegen Deportivo La Coruña und schied schließlich noch aus dem FA-Cup aus. Zwar gab Ferguson schon am Anfang der Spielzeit das Ende seines Engagements bekannt. Aber die schlechten Leistungen seines Teams bestärkten ihn in seiner Absicht: "Ich werde auf jeden Fall gehen", sagte Ferguson. "Ich werde kein Comeback haben, wie es bei Popsängern üblich ist. Die Entscheidung haben ich und meine Familie getroffen." Die Herausforderung Premier League war doch keine mehr.

Dann lief es auf einmal wieder besser. Nach der letzten Heimniederlage gegen West Ham United gewann die Mannschaft in der Liga achtmal in Folge und setzte sich an die Tabellenspitze. In der Champions League spielte Manchester wieder besser, und nach dem eindrucksvollen 5:1-Sieg gegen Nantes vor zwei Wochen sehen nicht wenige Fergusons Team als Favoriten auf den Gewinn der Champions League. In der Premier League steht die Mannschaft auf Platz eins und kann die vierte Meisterschaft in Folge gewinnen.

Noch vor dem Spiel gegen Nantes hatte Ferguson, wie er sagt, seinen "Sinneswandel". Er wollte doch weitermachen, auch wenn er jetzt ungestraft als wankelmütiger Popsänger diffamiert werden darf. "Vielleicht war der Zeitpunkt meiner Ankündigung falsch. Mein Motiv war es nicht. Ich wollte dem Klub einfach genug Zeit geben, um den richtigen Nachfolger zu finden." Der Plan sollte allerdings nicht aufgehen, denn die Suche nach einem Nachfolger für den 60-jährigen Schotten gestaltete sich schwierig. Gefragt wurden Englands Nationaltrainer Sven-Göran Eriksson, Fabio Capello vom AS Rom oder auch Ottmar Hitzfeld, angeblich Fergusons Wunschkandidat für seine Nachfolge. Keiner wollte zusagen.

Als Manchester United wieder Spiele gewann, kamen die Fans mit Abschiedsgeschenken für Ferguson: "Das hat mich schon ein bisschen in Verlegenheit gebracht. Die Geschenke haben mich noch einmal daran erinnert, wie schwierig es ist, diesen Verein zu verlassen." Als es dann auch noch Weihnachten in Manchester wurde, war es aus mit Fergusons Standhaftigkeit.

Für Manchester United ist Fergusons Vertragsverlängerung bis 2005 ein vorläufiger Glücksfall, wobei der erklärte Labourpartei-Anhänger Ferguson selbst bei einem auf knapp 18 Millionen Euro erhöhten Salär auch kein Leidtragender im herkömmlichen Sinne ist. Dass der Verein mit der Verlängerung froh sein muss, hat auch damit zu tun, dass einige Spieler ihr Schicksal direkt mit dem Schotten verknüpft haben. Kapitän Roy Keane hat gerade einen neuen Vierjahresvertrag unterschrieben. Über einen neuen Vierjahresvertrag mit David Beckham, den Ferguson wie Nicky Butt, Ryan Giggs, Paul Scholes sowie die Brüder Gary und Phil Neville aus der eigenen Jugend holte, wird noch verhandelt. Beckhams Vater Ted gab aber schon Entwarnung: "Egal ob David jetzt oder nach der Weltmeisterschaft verlängert, er wird ein Spieler von Manchester United bleiben." Die meisten anderen Spieler haben noch Verträge.

Es ist nicht sicher, wie lange Glück und Erfolg Manchester United treu bleiben werden und ob Ferguson bei der nächsten Niederlagenserie endgültig die Lust verliert. Unklar ist auch, wie es mit dem Verein nach 2005 weitergehen wird. Denn die Ära Ferguson wird dann definitiv zu Ende und ein Einschnitt notwendig sein. Manchester Uniteds Problem ist also nicht wirklich gelöst, sondern erst einmal aufgeschoben. Und dass Manchester United vor allem abhängig von Sir Alex Ferguson ist, der dem Verein insgesamt sieben Meisterschaften und vier FA-Pokalsiege bescherte, ist schon lange kein Geheimnis mehr.

Als vor kurzem Laurent Blanc, dem Welt- und Europameister und mit 36 Jahren einem der ältesten Spieler im Team, vorgehalten wurde, zu alt und zu langsam für Manchesters Abwehr zu sein, hat Ferguson, bekannt für seine gelegentlichen Verbalattacken, noch einmal um sich geschlagen und seinen Spieler gegen die Kritik verteidigt. Denn obwohl Blanc erklärt hat, nach dieser Saison endgültig aufhören zu wollen, bot ihm Ferguson jüngst an, noch zwei Jahre bei United weiter spielen zu können. Blanc bringe außerordentliche Leistungen und sei immer noch gut genug. Der 60-jährige Ferguson hat sicher nicht nur an seinen Abwehrspieler und an Peter Schmeichel gedacht, als er vor nicht allzu langer Zeit gesagt hat: "Manchmal sind es die Älteren, die sich als die Langlebigsten erweisen."

Julius Müller-Meiningen

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