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Sport: War einmal ein unbesiegbares Dorf

Das Sportstadl ist eine noble Gaststätte gleich neben dem Fußballstadion in Unterhaching. Männer in Anzügen trinken in der Mittagspause Cappuccino.

Das Sportstadl ist eine noble Gaststätte gleich neben dem Fußballstadion in Unterhaching. Männer in Anzügen trinken in der Mittagspause Cappuccino. Kaum vorstellbar, dass hier vor einigen Monaten noch, na, sagen wir, Schalker Fußballfans Wildschweinlendchen auf Blattspinat bestellt haben. Zwei Jahre spielte die SpVgg Unterhaching in der Ersten Bundesliga. Tausende Fußballfans reisten in die Gemeinde am Münchner Stadtrand und parkten ihre Autos auf Feldwegen. Im Sommer ist Unterhaching wieder abgestiegen. Von der Erstklassigkeit ist nicht viel geblieben.

Unterhaching hat unter den deutschen Fußballfans ungefähr so ein attraktives Image wie Rot-Weiß Oberhausen. Trotz der Ersten Liga. Und in München, da spielen der FC Bayern und 1860. "Wir stehen weit hinter denen", sagt Unterhachings Pressesprecher Markus Sieger. "Bedeutungslosigkeit? Nee, ganz so schlimm ist es nicht." Am Sonntag spielen die Hachinger gegen den 1. FC Union aus Berlin. "Ich erwarte, dass sich meine Mannschaft zerreißt", sagt Unterhachings Trainer Rainer Adrion. So etwas sagt man eben, wenn die eigene Mannschaft vier Spiele in Folge verloren hat und aus dem DFB-Pokal ausgeschieden ist. Werbung kann nicht schaden. "Die Kartensituation für das Spiel gegen Union ist entspannt", sagt Pressesprecher Sieger. Und weil am Sonntag 500 Fans aus Berlin erwartet werden, verteilt ein Sponsor nun 2000 Rasseln, "damit ein bisschen Stimmung aufkommt".

Ein Düsseldorfer Spieler hat einmal gesagt: "In Unterhaching schreien höchstens 20 Leute - wie bei einem Freundschaftsspiel. Und deshalb verliert man da auch immer." Was natürlich Unsinn ist. Doch selbst die Blaskapelle, die sie in Unterhaching "Blechschaden" nennen, war erst einmal da.

Vor dem Aufstieg in die Erste Liga war der Sportpark Kult. Da tranken die Fans im Biergarten ihr Weißbier. Wurden es ein paar Gläser mehr, konnten die Fans auf dem Rasenhügel hinter der Gegengeraden ausnüchtern. Doch 1999, nach dem Aufstieg, wurden die Kieselsteinchen auf den Stadionwegen eingesammelt und der Rasenhügel platt gemacht. Für 14 Millionen Mark wurde das Stadion umgebaut: Vip-Gebäude, Rasenheizung, neue Tribünen. 750 Millionen Mark zahlen die Fernsehanstalten an die Klubs der Ersten Liga. Da bekam auch Unterhaching etwas ab. Jetzt sind es nur noch 150 Millionen Mark vom Fernsehen. Der Etat sank von 33 Millionen Mark auf 17 Millionen. Das Fünf-Millionen-Darlehen für den Ausbau hat der Freistaat Bayern erlassen. In der Zweiten Liga wäre es sonst eng geworden.

Auf der Geschäftsstelle riecht es nach Fast-Food. Norbert Hartmann sitzt an seinem Schreibtisch und plaudert. Seit 16 Jahren ist er Manager in Unterhaching. "Die Bundesliga war Gift für die Entwicklung des Vereins. Als wir vor eineinhalb Jahren Leverkusen schlugen und Bayern München dadurch Meister wurde, waren wir auf einmal das unbesiegbare Dorf, ein Teil der Bundesliga." Das passte irgendwie nicht. Auf der Geschäftsstelle ist es inzwischen viel ruhiger geworden. Nicht, dass man ihn falsch versteht, die Bundesliga war andererseits keine schlechte Erfahrung, sagt Hartmann. Zumindest sei der Verein im deutschen Fußball ein Begriff. So etwas hilft bei der Sponsorensuche. Neulich hat ein Blumenhändler eine Werbebande gekauft.

Der Großteil der Mannschaft ist nach dem Abstieg zusammengeblieben. Strehmel, Rraklli, Breitenreiter. Marko Haber hat zu besseren Zeiten sogar in der Nationalmannschaft gespielt. Vor dem Spiel gegen Union wurde er aus dem Kader gestrichen. "Mangelnde Einsatz- und Leistungsbereitschaft", sagt Trainer Adrin. "Dennoch haben wir eine erfahrene Mannschaft. Wir sind jetzt die Favoriten", sagt Hartmann. Eine ungewohnte Situation. Anfang September stand Unterhaching mit vier Punkten weit unten in der Tabelle. In der Ersten Liga wäre das nicht so schlimm gewesen. Aber in der Zweiten? In jenen Tagen zerbrach die Idylle: Der Hauptsponsor meckerte, der Vorstand tagte. Sogar ihren Langzeit-Trainer Lorenz-Günther Köstner haben sie entlassen.

Trainerrotation. Ein bisschen haben sie aus dem Showgeschäft der Ersten Liga also doch mitgenommen.

André Görke

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