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Sport: Warten auf den Fehler

Der Fall Marion Jones zeigt, dass Dopingsünder in den USA jetzt mit größerer Härte rechnen müssen

Man könnte Kenneth Karas für einen sturköpfigen Law-and-Order-Mann halten. Der Bezirksrichter des New Yorker Vororts White Plains hat am Freitag Marion Jones wegen zweifachen Meineides zu sechs Monaten Gefängnis verurteilt, obwohl die Staatsanwaltschaft durchaus mit einer Bewährungsstrafe einverstanden gewesen wäre. Die gedopte Sprint-Olympiasiegerin Jones und ihre Anwälte hatten Karas regelrecht um Milde angefleht. Sie habe schließlich zwei Kinder, hatte Jones erklärt. Doch Karas blieb hart, und in den USA empörte sich kaum jemand über das Urteil.

Im Gegenteil: Es machte sich so etwas wie Genugtuung breit, dass nun endlich einmal gegen dopende Sportler durchgegriffen wird. Jones wurde zwar nicht spezifisch wegen Anabolikamissbrauchs eingesperrt, aber es geht hier ums Gesamtbild. „Das Urteil macht endgültig klar, dass sich Betrug nicht lohnt“, sagte Travis Tygart, Präsident der US-Anti-Doping-Agentur. „Man kann das einfach nicht beschönigen“, stimmte der Vorsitzende des US-Leichtathletik-Verbandes, Bill Roe, zu. „Sie hat wiederholt gedopt, gelogen und betrogen.“

Die Zeiten für Doper sind hart geworden in den USA. Die Öffentlichkeit ist nicht mehr bereit, vor dem Dopingproblem die Augen zu verschließen oder es als Kavaliersdelikt durchgehen zu lassen. Das Urteil gegen Marion Jones ist dafür der beste Beleg: Gegen sie wurde nur ermittelt, weil amerikanische Staatsanwälte die Geduld verloren hatten. Sie glauben nicht mehr daran, dass der Sport sich selber regulieren kann. Der Verdacht auf Einnahme von Dopingmitteln reicht zwar nicht für eine Untersuchung aus. Sobald die verdächtigen Sportler aber in anderer Form das Gesetz übertreten, greift die Staatsanwaltschaft ein.

Jones wurde ihr Meineid gegenüber Bundesbeamten zum Verhängnis, die gegen ihren Dopingbeschaffer Victor Conte mit seiner Firma Balco und ihren Lebensgefährten Tim Montgomery ermittelten. Der Baseball-Star Barry Bonds, derzeit in San Francisco vor Gericht, wird ebenfalls verdächtigt, unter Eid gelogen zu haben. Bonds hatte den Ermittlern im Balco-Skandal wiederholt gesagt, dass er nie etwas Dopingmitteln zu tun hatte. Die vom „San Francisco Chronicle“ gesammelten Belege für Bonds’ Dopingeinnahme riefen jedoch die Gerichte auf den Plan. Die Baseball-Liga hingegen hat bis heute nichts gegen Bonds unternommen.

Bald dürften Bonds und Jones Gesellschaft bekommen. Der ehemalige Baseball-Star Roger Clemens hat sehr vorschnell den Bericht des ehemaligen Senators George Mitchell attackiert, der mit seiner unabhängigen Kommission Indizien dafür fand, dass Clemens sich über Jahre Wachstumshormon und Anabolika hatte injizieren lassen. Jetzt hat ein Kongress-Ausschuss Clemens vorgeladen, damit er am 13. Februar unter Eid aussagt. Wenn Clemens sein Leugnen aufrecht erhält, wird wahrscheinlichkeit auch gegen ihn ein Meineid-Verfahren eingeleitet.

Doch das ist nur der Anfang. Im Bericht der Mitchell-Kommission tauchen 90 Spielernamen auf. Wenn der Kongress alle vorlädt, die wie Clemens Mitchells Funde bestreiten, dann könnten Dutzende von Meineid-Verfahren gegen Baseball-Spieler ins Haus stehen.

Und wenn sie dann in den Saal von Richter Karas kommen, wird’s ernst. Der Jurist verurteilte auch den Trainer von Marion Jones, Steve Riddick, zu fünf Jahren und drei Monaten Gefängnis. Riddick, Olympiasieger von 1976 mit der 4-x-100-Meter-Staffel, wurde schuldig gesprochen, jahrelang mit drei Komplizen, darunter dem ehemaligen 100-Meter-Weltrekordler Tim Montgomery, mehrfach Banken betrogen und Geld gewaschen zu haben.

Sebastian Moll[New York]

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