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Sport: Warum denn nur sein Aus feiern?

Ganz Dortmund war selig am Dienstagabend. Der Trainer Jürgen Klopp hielt sich demonstrativ die offenen Handflächen an die Ohrmuscheln, auf das auch kein Phon verloren ging vom Jubelpegel in der schunkelnden Arena.

Ganz Dortmund war selig am Dienstagabend. Der Trainer Jürgen Klopp hielt sich demonstrativ die offenen Handflächen an die Ohrmuscheln, auf das auch kein Phon verloren ging vom Jubelpegel in der schunkelnden Arena. Der Geschäftsführer Joachim Watzke freute sich über ein „fantastisches Erlebnis“ und „großartiges Fußballspiel“. Und der Verteidiger Mats Hummels sprach in der ihm eigenen Nonchalance von einem „geilen Abend, der leider ein bisschen traurig endete“.

Da ist was dran. Die Borussia aus Dortmund hat ihrem Publikum einen großartigen Abend beschert, Real Madrid trieselig gespielt und ihren Teil beigetragen zur Rettung der abendlichen Fernseh-Unterhaltung (was in den Zeiten nach „Wetten dass“ so unwichtig nicht ist). Aber, und das ist ein bisschen untergegangen in all den Jubelgesängen über das schöne, leidenschaftliche und begeisternde Spiel: Borussia Dortmund ist in der Champions League ausgeschieden. Hat in der Addition von zwei Spielen verloren. Ist nicht mehr dabei, wenn die vier besten Klubs Europas ihren Champion ausspielen.

Dieser Nebenaspekt hat niemanden so richtig interessiert. Wieder mal nicht, denn dieser Dienstagabend von Dortmund fügte sich ganz gut in ein historisch stimmiges Muster. Die Deutschen, sie sind nicht mehr die alten Pfennigfuchser, die das Ergebnis über alles stellen und die Herangehensweise negieren. Sie neigen mit zunehmender Zeit dazu, sich ihr Wohlbefinden auch über schöne Niederlagen zu definieren und Siege nicht mehr über alles zu stellen.

Aus historisch nachvollziehbaren Gründen (don’t mention the war!) ist das nicht das schlechteste Zeichen.

Eine kleine und natürlich völlig willkürliche Auswahl: Bis heute feiern die Fans zwischen München und Hamburg eine 3:4-Niederlage gegen Italien bei der Weltmeisterschaft 1970 als größtes Fußballspiel aller Zeiten. Schalke 04 hängt nach einer Fernduell-Niederlage in letzter Sekunde gegen Bayern München doch sehr am Titel „Meister der Herzen“. Und den FC Bayern haben die Deutschen erst nach dem Sekunden-Tod im Champions-League-Finale gegen Manchester United richtig lieb gewonnen.

Was wohl der Rest der Welt hält von dieser neuen deutschen Genügsamkeit? In Madrid hat sich vor einem Jahr niemand darum geschert, dass Real nach einer 1:4-Niederlage im Halbfinalhinspiel Dortmund beinahe noch hochkantig aus dem Bernabéu gekickt hätte. Was zählte, war das Ausscheiden, und das nahmen sie damals mit einer Verbissenheit zur Kenntnis, wie sie früher den Deutschen eigen war. Die Niederlage am Dienstag nahmen die Spanier mit, wie man eben Niederlagen mitnimmt, die einem nicht wehtun. Eher beiläufig. Und wie sie die Dortmunder da deren Ausscheiden feiern sahen und schwelgen hörten von einem Spiel, an das sie noch alle lange und gern zurückdenken würden, da haben sich Reals Spanier, Argentinier, Brasilianer und Portugiesen vielleicht gedacht: Wirklich nette Leute, diese Deutschen. Wäre doch schön, wenn wir auch im Sommer bei der WM in Brasilien gegen sie spielen könnten.

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