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Sport: Was heißt eigentlich fit?

Wayne Rooney gilt als verletzungsfrei – spielen könnte er wohl im Achtelfinale

Der Herr in dem oben sehr knappen und unten zu schmal zusammenlaufenden Trainingsanzug kratzte sich am Kopf. Er schaute auf seine Uhr, wurde aber nicht recht schlau daraus. „Good morning. Or good afternoon“, sagte er, dann wurde der Ton plötzlich sehr staatstragend. „Ich habe Ihnen etwas mitzuteilen. Danach keine Fragen, bitte. Die gute Nachricht ist, dass Wayne Rooney verletzungsfrei ist. Nun liegt es an uns, ihn match-fit zu bekommen. Ich bin bereit, mit Professor Wallace oder jedem anderen Spezialisten zu reden, aber das letzte Wort in dieser Angelegenheit haben Rooney und ich. Ich handele im besten Interesse Englands, Rooneys und 40 Millionen England-Fans.“ Und was war die schlechte Nachricht? Sven-Göran Eriksson sagte es nicht. Englands Nationaltrainer sagte fast gar nichts mehr. Nach einer knappen Minute war er wieder verschwunden.

Verletzungsfrei ist der 20 Jahre alte Stürmer Rooney nach seinem Mittelfußbruch vor 41 Tagen also, allerdings noch nicht wieder fit. Fit genug jedoch, um am Mannschaftstraining teilzunehmen, wie Kapitän David Beckham verriet. Und laut Steven Gerrard fit genug, beim allgemeinen Leistungstest nicht schlechter als die Kollegen abzuschneiden. Auch fit genug, beim letzten Gruppenspiel gegen Schweden am 20. Juni mitzuwirken? Realistischer ist ein Einsatz im Achtelfinale, vier oder fünf Tage später. Man musste sich diese Prognose selber zusammenbasteln. Vom englischen Verband gab es keinen Kommentar zu Rooneys mittelfristigen Aussichten, und nach dem Willen von Eriksson soll es so schnell auch keinen geben. Das Thema wurde zum Tabu erklärt.

„Ich will keine Diskussionen. Meine Spieler sollen nicht über Rooneys Fuß reden“, verfügte der Trainer kurz vor seinem Abgang. Das wird schwierig werden. Die Kontroverse hat nämlich gerade erst begonnen. Rooneys Kernspintomografie in Manchester hatte am Mittwoch keine eindeutige Erkenntnis gebracht. Englands Mannschaftsarzt Leif Sward sah einen vollkommen geheilten Bruch, sein Gegenüber von Rooneys Verein Manchester United hatte starke Bedenken. Ein vom Welt-Fußballverband Fifa nominierter, unabhängiger Sachverständiger, Professor Angus Wallace aus Nottingham, angeblich eine Koryphäe auf seinem Gebiet, musste entscheiden. Er stimmte zu.

In seinem Urlaubsdomizil in Südfrankreich nahm United-Trainer Alex Ferguson am Mittwoch kurz vor Mitternacht den Hörer in die Hand und erklärte Verbandsvorstand David Davies in unmissverständlichen Worten, was er von Erikssons Entscheidung halte, Rooney vielleicht spielen zu lassen. Am Ende war er machtlos, der Verein musste seinen wertvollsten Spieler zur WM ziehen lassen, das verlangen die Fifa-Statuten. Auf der Internetseite des Klubs wurde ein gewundenes Bulletin veröffentlicht, das zwischen den Zeilen gewaltigen Unmut zum Ausdruck bringt. „Laut der Expertenmeinung des unabhängigen Sachverständigen hat Wayne Rooney eine gute Chance, nach der Gruppenphase fit zu sein“, heißt es dort, „Rooney unterliegt jetzt der Obhut der medizinischen Abteilung von England. Eine sorgfältige Untersuchung, die seine Tauglichkeit betrifft, wird nötig sein, damit er am Turnier teilnehmen kann.“ Im Grunde hat nur der Satz gefehlt: „Wir behalten uns rechtliche Schritte vor, falls er sich in Deutschland verletzt.“ Eriksson stört das alles nicht. In seinem letzten Turnier mit England scheint er fest entschlossen, den Erfolg der Mannschaft über alles zu stellen.

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