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Sport: Was von der Party bleibt

Viele Stars sind gegangen, wenige sind gekommen – doch die Bundesliga kann etwas lernen

Es wäre eine Katastrophe für die Bundesliga, so zu sein wie die Serie A in Italien. Im Land des Weltmeisters kamen in der vergangenen Saison im Schnitt gerade mal etwas mehr als 20 000 Zuschauer zu den Spielen der ersten Liga mit den vielen europäischen Top-Klubs – schon bevor der große Manipulationsskandal aufflog. In der Bundesliga waren es in der vergangenen Saison fast 39 000, zum fünften Mal in Folge wurde ein neuer Rekord aufgestellt.

Nirgendwo in Europa kommen mehr Fans in die Stadien als in Deutschland, und das, obwohl sich die Bundesliga in jedem Jahr ein bisschen neu erfinden muss. Michael Ballack, Johan Micoud, Dimitar Berbatow, Jan Koller, Zé Roberto, Tomas Rosicky, auch Marcelinho – sie sind alle nicht mehr da. Gekommen sind dafür Kompany, Diego, Pardo, Insua. Sie sollen erst noch zu bekannten Gesichtern werden, deren Poster sich die potenziellen WM-Stars von 2022 und auch manches Mädchen übers Bett hängen.

Viele Poster können dort einstweilen ihren Platz behalten. Die fertigen Stars, die die Vereine neu verpflichtet haben, sind gute Bekannte: Podolski, van Buyten, Mertesacker. Die Marke Bundesliga generiert ihre Aushängeschilder selbst, mit den Gehältern in Spanien, Italien oder England kann selbst der FC Bayern nicht mithalten, obwohl die Deutsche Fußball-Liga (DFL) mit 430 Millionen Euro aus der Medienverwertung 130 Millionen mehr erzielt als im Vorjahr. Das ist im Vergleich mit den anderen Spitzenligen aber immer noch wenig.

Deshalb startet die Bundesliga heute einmal mehr ohne große internationale Stars. Nach einer berauschenden WM sind diese bis auf die neuen nationalen Helden wieder abgereist. „Ich erwarte keinen neuerlichen Schub. Der WM-Effekt fand schon in der vorigen Saison statt“, sagt etwa der Vorstandsboss von Eintracht Frankfurt, Heribert Bruchhagen. „Wir in Frankfurt sind bei der Kapazitätsauslastung an der Grenze, auch im Merchandising sind keine großen Sprünge mehr drin. Die WM hat eine stabilisierende Wirkung.“

Die Klubs dürfen zwar auf ein erst einmal gestiegenes Interesse von Sponsoren am Fußball hoffen. Um zumindest einen Teil des Eventpublikums, dass bei der Weltmeisterschaft vier Wochen lang gefeiert hat, aber langfristig für die Bundesliga zu begeistern, muss mehr Spektakel her. Das Niveau der Liga ist, im internationalen Vergleich gesehen, in den vergangenen Jahren nicht besser geworden. „Das ist der uralte Streit zwischen Attraktivität und Effektivität. Karl-Heinz Rummenigge fordert, dass der FC Bayern schöner spielen und von Klinsmanns Stil lernen soll, Trainer Magath verweist auf seine Erfolge“, sagt der Sportwissenschaftler Roland Loy. „Aber die deutschen Vereine hängen prinzipiell taktisch hinterher. In Italien wird oft 120 Minuten lang Taktik trainiert. Und die Trainer sind besser ausgebildet.“

Was können die Bundesligavereine jeder für sich also besser machen, um die WM-Begeisterung mit in die Liga zu nehmen? Mit gleich zwei defensiven Mittelfeldspielern vor der Abwehr spielen und kaum Torchancen des Gegners zulassen, so wie es beispielsweise Frankreich erfolgreich praktiziert hat – das werden eher wenige Bundesligaklubs. Bei der WM kann ein Gegentor das Aus für das ganze Turnier bedeuten, deshalb wird hier generell vorsichtiger gespielt als in einer Ligasaison.

„Taktisch haben wir nichts absolut Neues gesehen“, sagt Heinz Werner, der bei der WM eine Beobachtungsgruppe von 128 Trainern des Bundes Deutscher Fußball-Lehrer (BDFL) geleitet hat. „Die bekannten Systeme wurden perfektioniert und flexibilisiert. Auffällig war zunächst, dass wenige Kontertore gefallen sind, nach Ballverlusten waren meistens gleich acht Abwehrspieler hinter dem Ball.“ Das hört sich eher nach Defensive als nach Spektakel an.

Werner sitzt noch an der Auswertung der Einzelanalysen, aber ihm ist klar, dass das „Publikum in Zukunft etwas anderes verlangt. Die Zuschauer wollen vor allem attraktive Spiele sehen.“ Bis Mitte September will Werner alle Berichte durchgearbeitet haben. Die Ergebnisse fließen ein in das Programm, dass Sportdirektor Matthias Sammer im Herbst vorstellen will, wenn der Deutsche Fußball-Bund seine eigenen Beobachtungen wissenschaftlich ausgewertet hat. Die Aus- und Fortbildung der Trainer ist für Sammer der Schlüssel für die Zukunft des deutschen Fußballs. Also auch dafür, ob mittel- und langfristig neue Schweinsteigers, Podolskis und Lahms die Starrolle in der Bundesliga übernehmen können.

Das hilft den Vereinen kurzfristig aber gar nicht, um beispielsweise in den internationale Wettbewerben mal wieder etwas weiter zu kommen als in den vergangenen Jahren und sich nicht nur auf die Marke Bundesliga zu verlassen. Dafür können sie vielleicht auf anderen Feldern von der WM lernen. „Die deutsche Mannschaft hatte im athletischen Bereich sehr gut gearbeitet. Aber über Spezialtrainer und die Individualisierung des Trainings reden wir schon seit 20 Jahren. Solche Erkenntnisse müssen allerdings auch umgesetzt werden“, sagt Heinz Werner. Und Roland Loy fordert die Vereine auf, mehr wissenschaftliche Erkenntnisse in ihre tägliche Arbeit aufzunehmen.

Es gibt also viel zu tun. Großen Druck haben die Vereine nicht. Der Zuschauerrekord dürfte in dieser Saison ausnahmsweise nur deshalb nicht gebrochen werden, weil die Aufsteiger aus Cottbus und Aachen zu kleine Stadien haben. Da gehen kaum mehr Fans rein, als in Italien im Durchschnitt kommen.

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