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Sport: Wasserball: Nicht nur für die Hymne

Ein Witzbold ist Hagen Stamm keineswegs. Eher der Vertreter des trockenen Humors.

Ein Witzbold ist Hagen Stamm keineswegs. Eher der Vertreter des trockenen Humors. Ein Beispiel gefällig? "Vielleicht müssen wir ja nach Öl bohren, am Strand zelten und Fische fangen", sagte er, als ihm wegen der katastrophalen Finanzlage im deutschen Wasserball nun wirklich nicht zum Lachen war. Als Trainer der Nationalmannschaft kennzeichnete er damit nur eine beschämende Situation. Da hatte sich sein Team mit einem - wenig glanzvollen - neunten Platz bei der Europameisterschaft für die Welttitelkämpfe in Fukuoka qualifiziert, aber niemand wusste, ob es tatsächlich den weiten Flug dahin antreten kann. Doch der Schwimmverband schichtete Gelder um und kratzte auch die letzten Reserven zusammen. Mittlerweile sind die Deutschen in Japan angekommen, wohnen in einem ordentlichen Hotel, brauchen auch nicht zu darben und die Konten der Spieler wurden ebenfalls für diesen Trip nicht angetastet.

Platz elf ist nun das Minimalziel auf dem Weg in die Förderstufe zwei des deutschen Sports, damit ein Zittern wie vor Fukuoka zunächst nicht mehr nötig ist. Die deutschen Wasserballer, die bei der WM 1998 in Perth und auch bei Olympia in Sydney fehlten, müssen gegen den EM-Siebenten Griechenland (19. Juli), Kasachstan (21.) und Olympiasieger Ungarn (22.) antreten. "Unser Endspiel findet gegen Kasachstan statt", sagt Stamm, dessen Vertrag am 30. August endet. Doch Stamm bangt: "Wenn wir gegen Kasachstan verlieren, ist die WM für uns im Prinzip schon nach zwei Tagen vorbei." Dann ginge es nur um die Plätze 13 bis 16. Stamm fürchtet um die Investition von 180 000 Mark in die Reise nach Japan und um vergeudetes Potenzial seines Teams, "mit dem wir durchaus in die olympische Zukunft nach Athen 2004 blicken können".

Was den Honorar-Bundestrainer Stamm ("Nach der WM habe ich viel Zeit, über meine Tätigkeit nachzudenken") weiterhin skeptisch sein lässt, ist die Geschichte um seinen Torjäger Marc Politze. Der 23-Jährige vom deutschen Vizemeister Waspo Hannover fehlt im 13er Aufgebot, weil er auf dem Weg zum Wirtschaftswissenschaftler im Juli an der Universität Hannover Vordiplom-Prüfungen ablegen muss. Einen Antrag auf einen Nachholtermin hatte die Hochschule nach einer extra einberufenen Professoren-Tagung abgelehnt. "Das ist so, als müsste Rudi Völler bei einer Fußball-WM auf seinen besten Angreifer verzichten", sagte der zweimalige Europameister Stamm dazu. "Die anderen Nationen lachen über uns."

Politze selbst wäre zu gern nach Japan mitgeflogen, aber "ein weiteres Urlaubssemester kann ich mir einfach nicht leisten. Meine einzigen Sponsoren sind nun mal die Eltern, und denen kann ich doch nicht ewig nur auf der Tasche liegen". Würde Politze beim deutschen Rekordmeister Wasserfreunde Spandau 04 spielen, dann bekäme er wenigstens etwas Geld für seinen Sport. Aber bei Waspo Hannover, da gibt es keine müde Mark. Deshalb fordert der Unternehmer Stamm vom Deutschen Schwimmverband die Chance zur Eigenvermarktung für die Wasserballer. Er sieht nach eigenem Bekunden Möglichkeiten, Sponsoren selbst zu finden. 250 000 Mark jährlich sollen in die Kasse fließen. DSV-Präsidentin Christa Thiel signalisierte Entgegenkommen. "Wenn unsere Wasserballer gute eigene Ideen haben, kann ich mir vorstellen, die Vermarktungs- und Fernsehverträge freizugeben." Dann könnte ein professionelleres Umfeld geschaffen und der Anreiz erhöht werden, für eine Wasserball-Karriere mehr zu tun. "1000 Mark pro Monat kann ich mir an Bezahlung für die Spieler vorstellen", meint Stamm. "Die bekommen rein gar nichts dafür, dass sie in der Nationalmannschaft aktiv sind. Meine Leute spielen doch nur für die Nationalhymne. Das ist auf Dauer ernüchternd. Auch im Vergleich mit der Weltklasse schwimmen deutsche Wasserballer weit hinterher. "Die machen zwölf Trainingseinheiten pro Woche, wir nur sieben", berichtete Stamm vor der Abreise nach Japan.

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