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Sport: Wechselnde Winde und sonstige Unruhe

Beim Springen von der Großen Schanze landet kein Deutscher unter den ersten zehn – Thomas Morgenstern gewinnt Gold

Das olympische Springen von der Großen Schanze begann am Vorabend in einem Hotelzimmer in Pragelato. Dort hatten sich die deutschen Skispringer versammelt, um gemeinsam mit ihrem Trainer Peter Rohwein und dem Skiverbandspräsidenten Alfons Hörmann über das Schicksal ihres Teamkollegen Alexander Herr zu entscheiden. Es dauerte nicht lange, bis sich alle Anwesenden einig waren, dass Herr seine Taschen packen muss. Später sagte Hörmann: „Das war der unrühmliche Höhepunkt dieser Spiele.“

Als am folgenden Abend der Olympiasieger gesucht wurde, war Herr bereits auf dem Weg nach Hause. Er sah nicht mehr, wie Thomas Morgenstern den ersten österreichischen Olympiasieg im Skispringen seit 1976 feierte, 0,1 Punkte vor seinem Landsmann Andreas Kofler. Der Norweger Lars Bystöl folgte mit 25 Punkten Rückstand auf Rang drei. Er sah auch nicht mehr, wie die deutschen Springer auf die Ränge 11 (Michael Neumayer), 16 (Michael Uhrmann), 19 (Martin Schmitt) und 20 (Georg Späth) sprangen. „Ich bin nicht so frustriert“, sagte der Bundestrainer über das Ergebnis, „ich weiß ja, warum es so ist.“ Rohwein hatte die wechselnden Winde als Ursache ausgemacht. „Wer es zweimal günstig erwischt hat, der liegt ganz vorne.“ Aber auch der Fall Herr habe eine Rolle gespielt. „Natürlich ist so etwas belastend“, sagte Rohwein.

Der Bundestrainer hatte Schmitt und nicht Herr für die Qualifikation auf der Großen Schanze nominiert, weshalb ihn der Aussortierte öffentlich angriff: „Die Entscheidung ist eine Lachnummer, das sagt alles über die Kompetenz des Trainers.“ Diese Reaktion habe ihn nicht überrascht, erwiderte Rohwein. „Wer ihn kennt, weiß, was er für ein Typ ist.“ Zwar stand am Montag noch ein Mannschaftsspringen an, doch Herr habe ihm bereits gesagt, dass ihn das nicht interessiere. „Das zeigt, dass er kein Teil der Mannschaft war und noch nie gewesen ist.“ Verletzt sich einer der vier verbleibenden Springer kann der Deutsche Skiverband am Montag keine Mannschaft mehr aufbieten. „Dann verzichten wir auf das Springen“, sagte Hörmann, „wir schätzen Fairplay höher ein als den sportlichen Erfolg.“

Herr hatte die Verantwortlichen des Verbandes bereits vor seiner Attacke verärgert: Er war im Training mit einem nicht wettkampfgemäßen Anzug gesprungen und hatte sich damit einen Vorteil gegenüber seinem Konkurrenten Schmitt verschafft. „Es gab dreimal die Ansage, dass mit Wettkampfanzügen gesprungen werden muss“, sagte Rohwein. Doch Herr habe sich nicht daran gehalten. Hörmann bewertete „diesen Manipulationsversuch viel schwerer als seine öffentlichen Aussagen“ und sieht daher nur noch eine Chance auf eine Zukunft des Springers im deutschen Team: „Er muss sich beim Trainer und der Mannschaft deutlich vernehmbar entschuldigen.“

Aufgrund der schwierigen Windverhältnisse wollte sich keiner der deutschen Springer länger mit den gestrigen Ergebnissen aufhalten. „Das war nur das Vorgeplänkel“, sagte Michael Neumayer. Wichtiger ist das Mannschaftsspringen, in dem das deutsche Team gegen Österreich, Norwegen und Finnland um eine Medaille kämpft. „Es sind immer die gleichen Kandidaten, wir müssen einen von denen hinter uns lassen“, sagte Michael Uhrmann. Neumayer merkte an, auch für seinen Trainer Peter Rohwein springen zu wollen: „Er steht jetzt sehr unter Beschuss, er tut uns schon leid.“ Der 27-Jährige will heute versuchen, das Teamgefühl zu fördern, das Herr tags zuvor empfindlich gestört hat. Er hat auch schon eine Idee, wie das zu bewerkstelligen ist: „Wir setzen uns gemeinsam vor den Fernseher und sehen uns die anderen Wettbewerbe an.“

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