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Sprung nach vorn. Christian Reif will in dieser Saison aus dem Schatten von Sebastian Bayer springen. Mit Bestweiten in Serie ist er derzeit auf einem guten Weg.

© p-a/dpa

Weitsprung: Christian Reif: Schnell wie Saladino

Der Weitspringer Christian Reif ist so gut wie nie – gerade weil er sich mehr Pausen gönnt. Nun hat er Angst, dass er seine Topform zu früh erreicht hat.

Kurz vor dem Balken bremste Christian Reif ab und breitete lächelnd die Arme aus. Eine nette Geste ans Publikum, eine Botschaft: Es macht keinen Sinn, ich absolviere den sechsten Versuch nicht mehr. War auch nicht nötig, er hatte bereits nach dem ersten gewonnen. Da war er nach 8,18 Metern in der Sprunggrube des Braunschweiger Stadions gelandet, zehn Zentimeter hatte er sogar noch verschenkt. Er wusste natürlich nicht, dass es der Siegsprung sein würde. „Ich hatte Fragezeichen in den Augen, Sebastian auch“, sagte Reif.

Keiner wusste, wer noch zulegen könnte. Sebastian Bayer nicht, nicht an diesem Tag jedenfalls. Er wollte acht Meter springen bei den Deutschen Leichtathletik-Meisterschaften, er kam nicht über 7,71 Meter hinaus. „Klar bin ich enttäuscht“, sagte Bayer. Er war als Titelverteidiger angereist, als der Mann, der 2009 mit 8,49 Metern gewonnen hatte. Jetzt reiste er ab als der Athlet, der wegen eines Knorpelschadens im Fuß monatelang gehandicapt war und die Norm für die Europameisterschaft verpasst hatte. Acht Meter, das war die Norm.

Reif hatte es vor dem sechsten Versuch erwischt, die Wade. Vielleicht war er einfach auch geistig ausgepowert, er musste zu diesem Zeitpunkt nicht mehr zittern. „Ich habe gekämpft wie ein Löwe“, sagte er. Ein Spruch, klar, Pathos, aber es klingt lächerlicher als es ist. Christian Reif aus Ludwigshafen, 25 Jahre, kämpfte um seine neue Rolle. Er wollte raus aus dem Schatten von Bayer, dem Hallen-Europarekordler. Er wollte im direkten Duell, auf der Bühne einer Meisterschaft, gewinnen. Reif ist derzeit der beste Weitspringer in Europa. 8,27 Meter sprang er in Hengelo, das machte ihn zum Medaillenkandidaten für die EM in Barcelona in zwei Wochen. Hengelo und die beiden Sprünge in Weinheim (8,22 m) und Bad Langensalza (8,21 m). Drei Sprünge über 8,20 Meter, das hatte er noch nie.

Er hatte das Glück, dass er seine Serie sprang, als Bayer verletzt war. Bayer, der es bis in Stefans Raabs Show gebracht hatte, der alle Aufmerksamkeit absorbiert hatte. 2010 prägt bisher einer die deutsche Weitsprungszene: Reif. Aber er prägte sie in der Unauffälligkeit. Erst das direkte Duell mit Bayer hebt ihn hervor. „Ich war heute in einer eigenen Liga“, sagte er, „insgesamt aber gilt das nicht, das wäre anmaßend.“ Stimmt, aber er kann sich diese Gelassenheit leisten.

Schließlich hatte er schwere Jahre hinter sich, da sind 8,18 Meter und der Titel sehr viel. 2008 verpasste er verletzt die Olympia-Norm, 2009 sprang er die WM-Norm, wieder wegen Verletzungen, eine Woche zu spät. „Das war hart“, sagt er. Die aktuelle Serie von guten Sprüngen kommt ziemlich früh. „Noch nie hatte ich so viel Angst, dass ich meine Form zu früh verliere wie dieses Jahr“, sagte Reif.

Deshalb hat er vor Braunschweig eine mehrwöchige Wettkampfpause gemacht, „damit sich Körper und Geist mal erholen konnten“. Früher hatte er sich solche Pausen nicht erlaubt. Früher hatte er zu hart und nach Verletzungen zu schnell wieder trainiert. Damit hatte er die nächsten Blessuren am Hals. Seit zwei Jahren hat er Ulrich Knapp als Trainer, und zuerst haben sie immer noch zu hart trainiert, aber inzwischen dosieren sie die Belastung richtig. In diesem Jahr konnte sich Reif fast verletzungsfrei auf die Saison vorbereiten.

Jetzt ist das Verkrampfte, dieses Verbissene weg, das seine Auftritte lange geprägt hatte. „Er ist jetzt viel gelassener“, sagt Ulrich Knapp. „Seine ganze Ausstrahlung ist anders.“

Wenn es nicht um Bayer geht. Sie haben ein eher distanziertes Verhältnis zueinander. Ein professionelles, könnte man auch sagen. Bayer könnte auch ohne die EM-Norm nach Barcelona, mit einer Ausnahmegenehmigung des Verbands. Eine Ausnahmegenehmigung? Da wird Reif freundlich kalt. „Ich bin eigentlich dagegen. Und ich glaube auch nicht, dass Sebastian so mitfahren möchte. Das ist nicht sein Anspruch.“

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