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Sport: „Welche Krise? Es gibt keine Krise“

Werner Hackmann, Chef der Deutschen Fußball-Liga, über Fernsehverträge, Profiteure der Kirch-Pleite und das Produkt Bundesliga

Herr Hackmann, bei Ihrem Amtsantritt vor zwei Jahren wollten Sie die Deutsche Fußball Liga zu einer Marktmacht entwickeln. Daraus ist ja wohl nichts geworden, oder?

Sagen wir mal so: Wir sind noch lange nicht so weit, wie wir wollten. Wir sind nicht bei 100 Prozent unseres Leistungsvermögens, sondern bei 50. Ehrlich gesagt wäre ich zu diesem Zeitpunkt lieber bei 70 Prozent.

Wenn Ihnen 20 Prozent fehlen, müssen Sie als Ligachef eine Menge Fehler gemacht haben.

Ach was. Es gab eine Reihe von Tatsachen, die so nicht vorherzusehen waren. Die haben die Liga aus dem Gleichgewicht gebracht. Vor allem die Kirch-Krise, die neuen Transferregeln und der 11. September.

Der 11. September?

Natürlich. Denken Sie nur an die Diskussionen, ob wir vier Tage später spielen sollten oder nicht. Es war ja nicht auszuschließen, dass es zu weiteren Anschlägen kommt.

Und jetzt haben Sie auch noch die Bundesliga-Medien-Krise am Hals.

Welche Krise? Es gibt keine Krise. Wir hatten eine Krise, als Kirch insolvent war und wir im vergangenen Sommer um die damals fällige Rate für das Fernsehgeld bangen mussten. Aber jetzt? Jetzt haben wir doch beste Perspektiven, weil wir ein großartiges Produkt anbieten…

… das aber kein Käufer haben will.

Das sehe ich ganz anders. Die Zuschauerzahlen in den Stadien steigen, und die Werbeeinnahmen der Vereine auch. Die Bundesliga ist gefragter denn je.

Das sehen die Fernsehsender anders. Ihr Free-TV-Partner Sat 1 will im nächsten Jahr statt 80 Millionen Euro nur noch 50 Millionen zahlen, und andere Bieter sind nicht in Sicht.

Ach was, das ist doch nur Geklapper, da wollen einige nur die Preise runterspekulieren.

Wer will das?

Diejenigen, die bisher viel Geld für die Bundesliga gezahlt haben und nun glauben, von Kirchs Pleite profitieren zu können. Das macht Sat 1 im Moment mit der Bundesliga, und das macht RTL mit der Champions League. Aber keine Sorge: Die Sender wissen schon, dass sie den Fußball brauchen. Warten Sie ein paar Wochen ab, bis die ballfreie Zeit vorbei ist, dann legt sich das wieder.

Einige Bundesliga-Manager sind da nicht so optimistisch. Der Dortmunder Manager Michael Meier hat Sat 1 öffentlich scharf angegriffen. Ist die Liga nervös?

Es ist nicht meine Aufgabe – und auch nicht die von Verantwortlichen einzelner Klubs – , bestimmte Sender anzugreifen. Aber es handelt sich nur um Reaktionen auf Äußerungen von Fernseh-Verantwortlichen. Die Sache ist doch ganz einfach: Wir haben Verträge mit der Buli GmbH, die hat Verträge mit dem Vermarkter Infront, und der wieder mit Sat 1. Es ist also Sache von Buli, mit den Sendern klarzukommen und für die Refinanzierung zu sorgen. Wir bekommen jedenfalls von Buli 290 Millionen Euro Fernsehgeld bis zum Jahr 2004.

Was aber passiert nach 2004?

Darauf könnte diese leidige Diskussion in der Tat Einfluss haben, etwa wenn es darum geht, ob Buli die Option für die Spielzeiten 2004/5 und 2005/6 wahrnehmen will.

Wenn Buli verzichtet und sich kein Fernsehpartner im Free-TV findet?

Eine spekulative Frage. Dazu wird es nicht kommen.

Sicher? Der ARD-Sportkoordinator Hagen Boßdorf hat gerade erst gesagt, seine Anstalt wolle die Bundesliga nicht.

Na, das hörte sich vor ein paar Monaten noch ganz anders an. Die ARD hat im Sommer sehr wohl mitgeboten, wollte aber am Ende Sat 1 den Vortritt lassen.

Das hat einigen Vereinen nicht gefallen. Dortmund und Leverkusen waren dagegen, und auch sonst ist immer wieder die Kritik zu hören, die DFL habe zu einseitig auf Kirch gesetzt.

Das ist nicht richtig. Es ist normal, dass, wenn zwei Angebote vorliegen, hart diskutiert wird. Am Ende haben Vorstand und Aufsichtsrat für das Buli-Angebot votiert.

Warum herrscht dann so eine Aufregung in der Bundesliga? Bayern Münchens Manager Uli Hoeneß hat der DFL vorgeworfen, sie lasse sich von den Sendern vorführen und eiere rum. Warum eiern Sie rum, Herr Hackmann?

Die DFL eiert nicht herum. In der Sache sind wir auch mit Hoeneß einig. Denn, noch einmal: Die Sender sind nicht unser Vertragspartner. Selbst wenn Sat 1 jetzt – wie von Herrn Hoeneß gefordert – 120 Millionen Euro jährlich bezahlen würde und nicht 80 Millionen, würde vor allem unser Vermarktungspartner davon profitieren.

Dennoch vermittelt die aktuelle Diskussion kein allzu professionelles Bild von der DFL.

Das ist alles relativ. Damals, als der DFB noch die Verantwortung für alle Vereine trug, da hatten wir das, was der Bundeskanzler mal Kakophonie genannt hat. Jeder Bundesliga-Manager hat damals gegen den DFB geschossen. Das sieht heute ganz anders aus. Ganz vermeiden lassen sich Unstimmigkeiten bei 36 Vereinen aber nie. Bedenken Sie aber bitte, dass ich als Aufsichtsratsvorsitzender nicht für das Tagesgeschäft zuständig bin, sondern für die strategischen Fragen.

Zum Beispiel dafür, ob die Bundesliga beim Deutschen Sportfernsehen einsteigt und nach Auslaufen des Vertrages mit Buli ein eigenes Bundesligafernsehen produziert.

Das hängt vor allem davon ab, wer die neuen Eigentümer beim DSF sein werden. Wenn da jemand versucht, aus dem DSF einen größtmöglichen Mehrwert herauszuholen und dabei nicht unser Produkt Bundesliga im Auge hat, dann nützt uns eine Beteiligung wenig.

Welche strategischen Fragen machen denn Sinn? Wollten Sie nicht mal das Lizenzierungsverfahren für die Profiklubs reformieren?

Diese Reform haben wir bereits beschlossen. Künftig werden nur noch Vereine die Lizenz bekommen, die auch außerhalb des Fußballs seriös wirtschaften – etwa beim Stadionbau. Aber viele Vereine haben in dieser Saison sehr gut reagiert. Besonders in der Zweiten Liga, wo ich die größten Sorgen hatte. Der Schritt des 1. FC Union Berlin hin zu Gehaltskürzungen war sehr mutig – und richtig.

Sie wollten die finanzielle Lage der Liga mal durch einen Generalsponsor verbessern.

Das wollen wir immer noch, aber wir sind noch nicht so weit. Das hängt wie so vieles von der konjunkturellen Lage ab. Es macht nur dann Sinn, wenn für die Vereine ein spürbarer Mehrwert herausspringt und deren eigene Marketing-Maßnahmen unterstützt.

Es gibt also noch viel zu tun. Ihre Amtszeit läuft aber nur noch ein knappes Jahr. Haben Sie sich schon damit beschäftigt, dass es mit Ihrer Macht bald vorbei sein könnte?

Finden Sie, dass ich Macht habe? Für mich haben Leute wie Franz Beckenbauer Macht. Oder die großen Klubs, ohne die in der Liga nichts geht. Wenn man mich als Ligaboss bezeichnet, dann ist das gewaltig übertrieben.

Wollen Sie denn weitermachen? Nach Ihrem Rücktritt als Präsident des Hamburger SV verfügen Sie über keine Hausmacht mehr.

Ich habe mich gefreut, dass Aufsichtsrat und Vorstand mich einstimmig gebeten haben, mein Amt fortzusetzen. Ich empfinde es als große Erleichterung, dass ich nicht mehr für einen Verein verantwortlich bin. Ich kann jetzt eine völlig andere, wirklich neutrale Blickweise einnehmen. Dazu macht mir die Arbeit großen Spaß. Nach meinem Ausscheiden beim HSV bin ich schon froh, dass ich die DFL habe. Ansonsten würde ich zu Hause die Wände hoch und runter laufen.

Das Gespräch führten Sven Goldmann und

Robert Ide.

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