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Abdellatif Baka gewinnt das 1500-Meter-Finale bei den Paralympics.

© REUTERS

Update

Weltrekord über 1500 Meter: Vier Paralympics-Läufer viel schneller als der Olympiasieger

Wie läuft das denn? Die ersten vier Paralympioniken beim 1500-Meter-Lauf in Rio waren schneller als der Olympiasieger Matthew Centrowritz über die gleiche Distanz.

Von Ronja Ringelstein

Sie hatten Karten für die Paralympics, doch was sie zu sehen bekamen, war reif für Olympia: Die Fans im Olympiastadion in Rio de Janeiro schrien und pfiffen, als die Läufer des 1500-Meter-Finals in der Schadensklasse T13 am Sonntagabend über die Ziellinie sprinteten. Das Erstaunliche war: Die ersten Vier der sehbehinderten Leichtathleten liefen eine bessere Zeit als der diesjährige Goldgewinner der Olympischen Spiele, der US-Amerikaner Matthew Centrowitz.
Centrowitz hatte bei seinem Olympiasieg am 20. August an gleicher Stelle 3:50,00 Minuten für die Strecke gebraucht. Und war damit immer noch langsamer als der viertplatzierte Paralympionike: Der Algerier Fouad Baka verpasste in 3:49,84 Minuten eine paralympische Medaille – olympisches Gold wäre ihm mit dieser Zeit aber sicher gewesen. Sein Bruder Abdellatif Baka gewann das Rennen in der Weltrekord-Zeit von 3:48,29 Minuten. Zweiter wurde der Äthiopier Tamiru Demisse, mit 3:48,49 Minuten.

Hätten die sehbehinderten paralympische Athleten der Startklasse T13 also eine Chance gegen nichtbehinderte Starter bei den Olympischen Spielen? Immer wieder wird diskutiert, wie man die Paralympics aus dem Schatten Olympias heben könnte. Durch eine zeitliche Zusammenlegung der Spiele etwa, oder dadurch, dass sich Athleten mit und ohne Behinderung miteinander messen dürften. Der deutsche paralympische Weitspringer Markus Rehm hatte in der Vergangenheit besonders dafür gekämpft, bei Olympia antreten zu dürfen – doch um antreten zu dürfen, müsste Rehm beweisen, dass er durch seine Unterschenkel-Prothese keinen sportlichen Vorteil hat. Dieser Beweis ist schwer zu erbringen, Rehm wird die Olympia-Teilnahme verwehrt bleiben.
Bei sehbehinderten Läufern aber, die ihr Rennen ohne einen Begleitläufer oder „Guide“ bestreiten können, stellt sich die Frage des Vorteils nicht. Als T13 eingestufte Athleten sind in ihrem Sehvermögen stark eingeschränkt, aber nicht blind. Es könnte für die 1500 Meter also tatsächlich eine Vergleichbarkeit geben.
Man muss allerdings wissen, dass das Finale der Olympischen Spiele dieses Jahr ein besonders taktisches und extrem langsames war. Das Entscheidende spielte sich auf den letzten 400 Metern ab. Das olympische Rennen war sogar so verhalten, dass der zu Beginn der dritten Runde nach einer Kollision gestürzte Kenianer Ronald Kwemoi schnell wieder zum Feld aufschließen konnte.

2012 wurde Centrowitz in London mit einer besseren zeit nur Vierter

Vor vier Jahren, bei den Olympischen Spielen in London 2012, wurde Centrowitz mit einer weit besseren Zeit von 3:35,17 Minuten nur Vierter. Seine diesjährige Zeit über die 1500 Meter verzerrt damit das Bild dessen, was er eigentlichen leisten kann. Seine Bestzeit liegt sogar bei 3:30,40 Minuten – mit diesem Tempo hätten die paralympischen Läufer kaum mithalten können. Ein ähnlich langsames Rennen in einem olympischen 1500-Meter-Finale wie 2016 gab es zuletzt bei Olympia 1932. Damals lief der italienische Goldgewinner Luigi Beccali 3:51,20 Minuten.

Die Taktik spielt bei Mittelstreckenläufen wie den 1500 Metern eine große Rolle. Auch die algerischen Baka-Brüder arbeiteten am Sonntag deutlich sichtbar zusammen, kamen gemeinsam erst im letzten Renndrittel nach vorne und verdrängten den bis dahin führenden Brasilianer. Am Ende konnte sich nur Abdellatif bis zur Spitze durchkämpfen, sein Bruder Fouad musste sich mit Platz vier zufrieden geben – und einem Sonderplatz in den paralympischen Geschichtsbüchern. Für weiteres Aufsehen im historischen 1500-Meter-Finale vom Sonntag sorgte der Zweitplatzierte Äthiopier Tamiru Demisse, der beim Überqueren der Ziellinie beide Arme über seinem Kopf kreuzte – in seiner Heimat ein Zeichen des Protests gegen die autoritäre Regierung. Es gab also gleich mehrere Gründe dafür, dass das Rennen noch lange ein Thema sein dürfte.

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