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Sport: Wem sollen die Italiener die Daumen drücken?

Ruhe vor dem Sturm: An keinem anderen Grand-Prix-Kurs sind die Extreme deutlicher zu spüren wie am "Königlichen Park" von Monza. Ob nun mit oder ohne Michael Schumacher, für die fanatischen Ferrari-Fans ist speziell am Rennsonntag kein Zaun zu hoch.

Ruhe vor dem Sturm: An keinem anderen Grand-Prix-Kurs sind die Extreme deutlicher zu spüren wie am "Königlichen Park" von Monza. Ob nun mit oder ohne Michael Schumacher, für die fanatischen Ferrari-Fans ist speziell am Rennsonntag kein Zaun zu hoch. Die Teams haben sich seit Jahren schon darauf eingestellt. Noch bevor der Sieger die schwarz-weiß-karierte Flagge gezeigt bekommt, beginnen sie bereits mit dem Abbau ihrer Kommandobrücken, denn es bleibt ihnen ansonsten nicht mehr sehr viel Zeit dazu. Alles, was wenig später nicht niet- und nagelfest ist, wird zur Beute der Ferraristi. Die Objekte der Begierde sind zuallererst natürlich rot, aber wenn davon nichts mehr zu ergattern ist, kann es auch silbern, blau oder gelb glänzen. Christian Silk, Chef-Renningenieur von Benetton, bringt es auf den Punkt: "Hinsichtlich der großen Flächen in einer wunderschönen Parklandschaft ist Monza ohne Frage das Heiligtum des italienischen Motorsports. Wenn man jedoch kein überzeugter Ferrari-Enthusiast ist, kommt man sich hier etwas fehl am Platz vor." Nicht am Donnerstag vor dem großen Rennwochenende, doch schlagartig ab Freitag, wenn die Formel-1-Boliden beim Freien Training die 350-km/h-Schallmauer durchbrechen.

Nicht ganz klar wird diesmal beim 64. Großen Preis von Italien auf der drittältesten permanenten Rennstrecke der Welt (1922 eröffnet) sein, wem denn nun die Italiener diesmal die Daumen drücken. Michael Schumacher musste wegen seines lädierten Beins passen. WM-Mitfavorit Eddie Irvine beeindruckte zwar mit der schnellsten Testzeit, wird das Team aber zum Saisonende in Richtung Jaguar (derzeit noch Stewart-Ford) verlassen, ebenso wie der tapfere Ersatzmann Mika Salo aus Finnland, dessen künftige Dienste sich der Schweizer Teamchef Peter Sauber gesichert hat. Wie hing da noch im vorigen Jahr in Italien der Himmel voller Geigen, als es nach 53 Runden hieß: Schumacher vor Irvine, damit der ersehnte WM-Titel nach 19 Jahren wieder möglich schien. Im 20. Jahr ohne die Krone des Motorsports stehen zwar die Chancen erneut nicht schlecht, schließlich liegt Irvine nur einen Punkt hinter Titelverteidiger Mika Häkkinen im McLaren-Mercedes, aber der Nordire selbst steckt voller Zweifel. "Meine Titelchancen liegen vielleicht im Bereich von 35 Prozent", ließ er verlauten.

Sollte er wider Erwarten am Sonntag ganz oben auf dem Siegerpodest stehen, wäre er noch einmal für kurze Zeit der Held der Nation. Während er das für die mächtige "graue Eminenz" bei Ferrari und FIA-Ehrenpräsident Gianni Agnelli auch so bereits ist ("Es tut mir leid, dass er uns verlässt"), schwanken die Fans und vor allem die Medien ("Wer ist Schumacher?") mit ihren Urteilen von jeher zwischen Held und Pfeife der Nation. Der 33-jährige Irvine, seit 1996 bei den Roten aus Maranello unter Vertrag, konzentriert sich ohnehin seit Schumachers schlimmem Crash von Silverstone auf die Abrechnung mit seinem "Vorfahrer". Am meisten ärgerte ihn zuletzt die Aussage des deutschen Doppel-Weltmeisters, der Nordire hätte ihn in vier Jahren erst drei Mal überholen lassen. "Michael, du magst ja im Auto großartig sein", erklärte er daraufhin, "aber Mathe scheint nicht deine Stärke zu sein." Der einstige treue Adjutant des heutigen Wahl-Schweizers sieht seine Loyalität bis Silverstone nicht genügend gewürdigt. Nach dem Saisonfinale in Suzuka wird sich das Thema wohl erledigt haben, dann übernimmt der Brasilianer Rubens Barrichello den Status als Nummer zwei bei Ferrari.

Ob nun in diesem Jahr mit den zwei Ferrari-Auslaufmodellen oder in der nächsten Saison mit dem alten sowie dem neuen Idol: Außer dem Rot gibt es vor den Toren Mailands nichts anderes. Und wenn es wieder, wie so oft in Monza, zu einem Rennen ohne Überholmanöver in den Top-Rängen kommt - was auf dem Hochgeschwindigkeitskurs in einer Reihenfolge McLaren-Mercedes vor Jordan-Mugen-Honda und Ferrari sogar ziemlich wahrscheinlich ist? Dann wird es den Sturm der Ferraristi eben aus Frust geben. Und plötzlich auch die Hoffnung, dass im Jahr 2000 mit Michael Schumacher wieder alles ganz anders wird.

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