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Markenzeichen: leere Hände. Michael Frontzeck ist zu Hause sieglos. Foto: Reuters

© REUTERS

Sport: Wendig wie ein Öltanker

Gladbachs Trainer Frontzeck lässt den biedersten Fußball der Liga spielen – und zeigt sich starrsinnig

Tamas Hajnal hatte gerade ein Fernsehinterview gegeben, und der Mittelfeldspieler des VfB Stuttgart hätte wohl gerne noch weitergeredet. Aber sein Typ wurde nun verlangt. Aus dem Trakt der Stuttgarter drangen laute Musik und Fangesänge, als hätte eine Horde Ultras sich unrechtmäßig Zugang verschafft, und bei den Feierlichkeiten durfte der Mann, der dem Spiel eine wundersame Wende gegeben hatte, natürlich nicht fehlen. 0:2 lagen die Stuttgarter zur Pause bei Borussia Mönchengladbach zurück, dann kam Hajnal, und am Ende hieß es 3:2 für den VfB. Dass der Ungar maßgeblich zu dieser Entwicklung beigetragen hatte, war offensichtlich. Nur Michael Frontzeck, der Trainer der Gladbacher, hatte das Geschehen auf dem Spielfeld mit einer Beharrlichkeit ignoriert, die bereits den Tatbestand des Starrsinns erfüllte.

„Nach der Pause sind wir durch die Umstellungen von Stuttgart gar nicht mehr klargekommen“, sagte Borussias Sportdirektor Max Eberl. Frontzeck hatte den Zügen seines Stuttgarter Kollegen nichts entgegenzusetzen. Bruno Labbadia gruppierte sein Personal nach der Pause zu einem 4-3-3-System, stellte Hajnal hinter die Spitzen – und ließ die Borussen fortan orientierungslos hinter dem Ball herlaufen. Die Stuttgarter waren im Mittelfeld ständig in Überzahl, „wir haben ihnen zu viele Räume gelassen“, sagte Frontzeck.

Auf die Frage, warum er nicht reagiert habe, antwortete Borussias Trainer, dass Eintracht Frankfurt eine Woche zuvor im selben System gespielt habe, „und da dachte ich, haben wir es ganz gut hingekriegt“. Eine seltsame Argumentation, weil die Gladbacher es gegen Stuttgart eben nicht hinkriegten. Schon zehn Minuten nach der Pause war ihre Führung futsch, und selbst wenn der Sieg des VfB letztlich durch zwei zweifelhafte Schiedsrichterentscheidungen begünstigt wurde – niemand hatte am Ende das Gefühl, dass die falsche Mannschaft gewonnen hatte.

Die Gladbacher bekamen Hajnal nie in den Griff. Roman Neustädter, sein vermeintlicher Gegenspieler, war ihm schon körperlich nicht gewachsen. Neustädter ist 1,90 Meter groß und wendig wie ein Öltanker, Hajnal misst gerade 1,68 Meter. Mit Tony Jantschke und dem Winterzukauf Michael Fink hatte Frontzeck zwei Spieler auf der Bank, die deutlich besser zu Hajnal gepasst hätten. Aber er tat: nichts. Und so war es letztlich unerheblich, ob Frontzeck aus Trotz oder aus Ignoranz nicht reagierte; entscheidend war, dass er nicht reagierte.

Die Niederlage gegen Stuttgart hat die Gladbacher im Abstiegskampf weit zurückgeworfen; vor allem aber hat sie die Zweifel an Frontzecks Qualifikation genährt. Seine Mannschaft hat in dieser Saison noch kein Heimspiel gewonnen, dafür bereits 53 Gegentore kassiert. Die Gladbacher spielen den biedersten Fußball der Liga; ihr bevorzugtes Stilmittel ist der Befreiungsschlag. Gegen den VfB machte sich der gewollte Verzicht auf Spielkultur erneut bemerkbar. Es war das sechste Spiel in dieser Saison, das die Gladbacher trotz Führung nicht gewinnen konnten; in der vorigen waren es sieben. Wenn die Borussen das Spiel kontrollieren und den Ball halten sollen, sind sie nun mal schlichtweg überfordert.

Die Entwicklung ist über Borussia Mönchengladbach hinweggegangen. Mit ihrem 80er-Jahre-Fußball ist die Mannschaft nicht mehr konkurrenzfähig. Und während sich überall in der Liga junge Talente in den Vordergrund spielen, kommt gerade bei dem Verein, der einmal das Copyright auf erfolgreiche Nachwuchsförderung besaß – nichts. Unter Frontzeck hat es kein Spieler aus der eigenen, exzellent ausgebildeten Jugend zum Stammspieler gebracht; überhaupt ist, von Marco Reus abgesehen, kein Spieler unter seiner Anleitung individuell besser geworden. Im Gegenteil. Inzwischen sind einige hoffnungsvolle Begabungen, Torhüter Logan Bailly, Michael Bradley und Raul Bobadilla, auf der Strecke geblieben.

Nur mit Sarkasmus lässt sich das als weitsichtige und strategische Personalplanung deuten. Für die Zweite Liga wären Bailly, Bradley und Bobadilla sowieso viel zu teuer.

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