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Der Überflieger. Der Österreicher Gregor Schlierenzauer hat nach dem Auftakt in Oberstdorf auch das Neujahrsspringen in Garmisch-Partenkirchen gewonnen. Hinter ihm belegten sein Landsmann Andreas Kofler und der Japaner Daiki Ito die Plätze zwei und drei. Foto: dpa

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Sport: Wenig Worte, viele Meter

Schlierenzauer gewinnt das Neujahrsspringen, Freund fällt im zweiten Durchgang auf Platz sieben zurück.

Hat man das nicht schon einmal gehört? Als Grund für seinen Erfolg im Neujahrsspringen von Garmisch-Partenkirchen bot der österreichische Skispringer Gregor Schlierenzauer folgendes Erklärungsmuster an: „Mir ist es gelungen, bei mir zu bleiben.“ Die Nachfrage, wie er so gut mit dem Druck umgehen konnte, beantwortete er ebenso: „Ich bin bei mir geblieben.“ Die Frage, wie nun sein Rezept für die übrigen beiden Springen der Vierschanzentournee lautet, kann man sich eigentlich gleich sparen. Der letzte Springer, der ähnlich eindimensionale Erklärungen abgeliefert hat, hieß Sven Hannawald. „Ich mache mein Zeug“, sagte der Deutsche vor zehn Jahren – und gewann damit alle vier Springen der Vierschanzentournee.

Gregor Schlierenzauer könnte nun in doppelter Hinsicht Hannawalds Nachfolger werden. Die ersten beiden Springen der Vierschanzentournee 2011/12 hat er bereits gewonnen. „Unglaublich, es war ein super Tag für mich“, sagte der 21 Jahre alte Österreicher, „es waren nicht die besten Sprünge heute, umso toller, wenn man trotzdem vorne sein kann.“ Zwei Flüge auf 138 und 134 Meter genügten ihm zum Sieg vor seinem Landsmann Andreas Kofler, der auf 130,5 und 137,5 Meter kam. Neben dem lärmenden Fernsehhubschrauber über Partenkirchen war allerdings der Japaner Daiki Ito das auffälligste Flugobjekt des Tages. Mit 138,5 und 141,5 Meter gelangen ihm die größten Weiten, doch weil er beim zweiten Sprung ohne Telemark landete, kam er nur auf Rang drei. Severin Freund flog als bester Deutscher auf Rang sieben.

Die Gesamtwertung der Tournee führt Schlierenzauer mit 557,8 Punkten bereits mit einem gehörigen Vorsprung vor Kofler (535,6) und Ito (532,2) an. Der junge Österreicher wahrte seine Chance auf die eine Million Schweizer Franken, welche die Organisatoren der Tournee für denjenigen ausgelobt haben, der alle vier Springen gewinnt. „Das geht mir nicht durch den Kopf“, sagte Schlierenzauer, „die Versicherungen haben das clever abgeschlossen.“ Schon zweimal hat er zur Halbzeit der Tourneewertung geführt, musste aber am Ende dem Norweger Anders Jacobsen (2007) und dem Finnen Janne Ahonen (2008) den Vortritt lassen.

Nach dem ersten Durchgang hatte es vor 18 000 Zuschauern an der Olympiaschanze noch nach jenem deutsch-österreichischen Duell ausgesehen, das man sich vor der Tournee versprochen hatte. Severin Freund war mit einem eleganten Sprung auf 138,5 Meter und Platz zwei hinter Schlierenzauer gesegelt. „Dann hat mir aber die Leichtigkeit gefehlt“, sagte Freund. Er verkrampfte im zweiten Sprung und landete nach 130,5 Meter. „Er hat einen kleinen Fehler gemacht im Absprung“, analysierte Bundestrainer Werner Schuster, „ihm hat dann die Höhe gefehlt, und das macht dann vier, fünf Meter Rückstand aus.“ Freund fiel in Garmisch-Partenkirchen auf Platz sieben und in der Gesamtwertung auf Platz fünf zurück. „Ich habe bisher immer gute Leistungen gezeigt“, sagte Freund, „dann kann auch mal einer daneben gehen.“

Das Duell mit Österreich ist damit allerdings fast schon beendet, sein Rückstand auf Schlierenzauer beträgt bereits 31,6 Punkte. Bundestrainer Schuster, ein diplomierter Sportpsychologe, gelingt es dennoch, etwas Positives daraus zu ziehen: „Wir haben jetzt mehr Ruhe in Österreich und werden dort versuchen zurückzuschlagen.“ Der 20 Jahre alte Richard Freitag scheint allerdings von seiner Rolle als Mitfavorit überfordert zu sein, in Garmisch-Partenkirchen reichte es nur zu Platz 25. „Er springt nicht ganz so befreit“, sagte Schuster. Michael Neumayer (Platz 17), Andreas Wank (Platz 20) und Stephan Hocke (Platz 26) blieben im Rahmen ihrer Möglichkeiten.

Für Martin Schmitt ist die Tournee beendet, das deutsche Team wird ohne in nach Innsbruck weiterziehen. „Es ist klar, dass die besten sechs weiterfahren, und zu denen habe ich heute nicht gehört“, sagte der mit 33 Jahren älteste Skispringer im deutschen Team. Mit 121 Metern und Platz 38 schied Schmitt im ersten Durchgang aus, wie schon in Oberstdorf. Doch selbst das vorzeitige Scheitern bei seiner 16. Vierschanzentournee wird seinen Rücktritt nicht beschleunigen. „Das bedeutet gar nichts", sagte Schmitt, „morgen wird die Sonne wieder aufgehen, und ich werde immer noch Skispringer sein.“

Benedikt Vogt[Garmisch-Partenkirchen]

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