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Sport: Wenn der Samstag kommt: Das Nirwana der Champions

Wer will in diesen Zeiten überhaupt noch Meister werden? Spitzenklubs der englischen Premier League wie Liverpool, Arsenal, Chelsea oder Leeds können sich problemlos auf ein Saisonziel einigen: Platz zwei.

Wer will in diesen Zeiten überhaupt noch Meister werden? Spitzenklubs der englischen Premier League wie Liverpool, Arsenal, Chelsea oder Leeds können sich problemlos auf ein Saisonziel einigen: Platz zwei. Auch der Dritte darf sich dann irgendwie noch als knapper Zweiter fühlen. Und das liegt nicht nur daran, dass die Meisterschaft ohnehin für das übermächtige Manchester United reserviert ist.

Meister zu sein, der Champion, ganz vorn, auf Platz eins zu stehen - das mag für die Fans immer noch das Größte sein. Für die Vereine ist nur noch der Einzug in die finanziell lukrative Champions League wichtig, jene europäische Liga, die eben nicht nur den Champion, sondern auch den Zweiten und den Dritten aufnimmt. Trophäen, das hübsche Silber mit Griffen dran, ist nur noch von geringer Bedeutung für Trainer wie Liverpools Gerard Houllier oder Arsenals Arsene Wenger. Beide Teams treffen sich im Finale des FA Cups am 12. Mai. Der Sieger startet im Uefa-Cup.

Es ist nicht das einzige Finale für Liverpool in dieser Saison: Das Team von der Anfield Road hat schon den englischen Ligapokal gewonnen, und darf deshalb ohnehin schon im Uefa-Cup antreten. Und Liverpool steht natürlich noch im Uefa-Cup-Finale gegen Alaves in Dortmund. Doch selbst die Aussicht, ein bisher nie dagewesenes Pokal-Triple zu schaffen, macht Herrn Houllier nicht glücklich: Als Liverpool den großen FC Barcelona im Halbfinale des Uefa-Cups geschlagen hatte, hielt sich Houllier damit gar nicht lange auf, sondern freute sich lieber auf das nächste Premier-League-Spiel gegen die mittelmäßigen Tottenham Hotspurs drei Tage später. "Wir haben jetzt noch sechs Ligaspiele und zwei Pokalfinals in diese Saison", sagte der Franzose. "Aber für mich bleibt die Qualifikation für die Champions League das Wichtigste." Gebetsmühlenhaft haben Houllier und Wenger diesen Spruch in dieser Saison wiederholt - sehr zum Verdruss der Arsenal- und Liverpool-Fans.

Letzten Samstag, nachdem Arsenal den FC Everton mit 4:1 geschlagen und den begehrten zweiten Platz gefestigt hatte, wurde Wenger von einem BBC-Mann gefragt, ob dieses Spiel wohl wichtiger war als das verlorene Champions-League-Viertelfinale gegen Valencia am Mittwoch zuvor. Genau das ist es: Die Champions League zu gewinnen ist auch nicht entscheidend, dabei sein ist hier wirklich noch alles. Das Geld, das mit mindestens zwölf Spielen zu verdienen ist, lässt alle anderen Ambitionen der Fußball-Manager erkalten. Auch der Uefa-Cup, wo wegen des K.-o.-Systems keine bestimmte Zahl von Spielen garantiert ist, ist nur ein schwacher Trost.

Da nun das Geschäftsjahr in der Premier League zu Ende geht, bleiben zwei ärgerliche Hindernisse für jene Klubs, für deren finanzielle Planungen das Nirwana der Champions League lebenswichtig ist: Erstens kämpfen mit Arsenal, Liverpool, Leeds und Chelsea vier Kandidaten um zwei Plätze (drei Plätze werden es im nächsten Jahr sein, weil die Deutschen zuletzt so schlecht abgeschnitten haben, dass England einen Platz von ihnen übernimmt). Chelsea - die Elf, die nun wohl schon zum zweiten Mal draußen bleiben muss - wirkt dabei wirtschaftlich besonders verwundbar.

Zweitens ist da Ipswich Town. Der unpopuläre Klub aus der ländlichen Grafschaft Suffolk im Osten Englands ist erst im vergangenen Jahr aufgestiegen und wurde von allen Experten als erster Abstiegskandidat gehandelt. Stattdessen schockierte der Außenseiter die Etablierten. Ohne große Verstärkungen spielt ausgerechnet Ipswich mit schönem Passspiel und starken Nerven jetzt mit um die Champions-League-Plätze. Nebenbei hat Ipswich auch noch die fairsten Spieler und einen Ruf als freundlicher, gut organisierter Klub. Bei diesem Verein, der unter Englands späterem Weltmeister-Coach Alf Ramsey 1962 seinen bislang einzigen Meister-Titel gewann, hat man sogar den Eindruck, dass sie lieber noch eine Trophäe holten als nur um die Champions League zu spielen. Außer dem einen Meistertitel weist ihre Chronik bislang einen FA-Cup-Sieg (1978), aber immerhin auch einen Uefa-Cup-Sieg (1981) aus.

Ipswich wäre gar der Einzug in die Champions League zu gönnen. Liverpool dagegen darf in der Liga ruhig Vierter werden, seine Pokalfinals gewinnen und sich so gleich vierfach für den Uefa-Cup qualifizieren.

Mike Ticher

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