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Sport: Wenn die Beine nur hinterherlaufen

Alba scheitert in Zagreb einmal mehr am Anspruch, zur europäischen Spitze zu zählen

Zagreb. Als alles aus war, drehten sich die Verlierer um und gingen wortlos in die Kabine. Die Basketballer von Alba Berlin trösteten sich nicht gegenseitig, sie brüllten sich nicht an, sie ließen sich nicht entkräftet auf den Boden fallen, wie man es tut, wenn man bis zur letzten Sekunde gekämpft hat. Sie hatten sich schon lange, bevor das 72:90 bei Cibona Zagreb feststand, aufgegeben. Die abgelaufene Uhr erlöste sie und bestätigte nur das, was die Gäste ohnehin wussten: dass sie an diesem Abend keine Chance hatten. Es stand viel auf dem Spiel – und Alba versagte.

Bei einer Niederlage mit weniger als 14 Punkten Differenz hätte Alba wegen des 84:70 im Hinspiel zumindest den direkten Vergleich gegen Zagreb gewonnen und mit Siegen gegen Pau-Orthez und Barcelona noch eine winzige Chance auf den Einzug in die Europaliga-Zwischenrunde gehabt. Doch jetzt ist der fünfte Platz, der dazu berechtigt, nicht mehr zu erreichen. Die Chance, dass Alba als bester Sechster der drei Gruppen doch noch weiterkommt, ist nur noch theoretischer Natur. „Wir haben ohne Rhythmus und Konzentration gespielt“, sagte Trainer Emir Mutapcic, der mit gefalteten Händen bei der Pressekonferenz saß und erklären musste, warum sein Team in Europa erneut gescheitert ist. Kurz vor dem Ende hatte er noch eine Auszeit genommen, die Spieler beschworen, sich zu wehren. Marko Pesic schaute immer wieder auf die Anzeigentafel, rechnete – und konnte es doch nicht verhindern, dass die Zahlen sich auseinander statt aufeinander zu bewegten. Gerade Pesic hatte davon gesprochen, dass Alba individuell besser besetzt sei. Doch mit Ausnahme von Quadre Lollis (21 Punkte/10 Rebounds/6 Assists) überzeugte kein Berliner. Dabei spielte auch Zagreb nicht überragend, leistete sich wie Alba 21 Ballverluste.

„Ich hatte nie das Gefühl, dass sich bei uns die Verkrampfung lösen würde“, sagt Vizepräsident Marco Baldi. Spielmacher John Celestand kam auf eine Feldwurfquote von 17 Prozent, Mithat Demirel auf 27 Prozent. Centerspieler Jovo Stanojevic war nach fünf Minuten schon mit drei Fouls belastet. Nachts suchte er vergeblich Schlaf, das Spiel lief ein ums andere Mal in seinem Kopf ab, wie ein Endlosband. „Der Schiedsrichter hat mich fertig gemacht. Zu 30 Prozent ist er an unserer Niederlage schuld“, sagte der Jugoslawe. Eine Aussage, die typisch für das Alba-Team der Saison 2002/2003 ist: Die Spieler lassen sich durch zu viele Dinge ablenken, vom Schiedsrichter, eigenen Fehlern, taktischen Spielereien des Gegners. So brüllte Celestand dem Schiedsrichter seine Wut über dessen Pfiffe ins Gesicht – und kassierte dafür prompt ein Technisches Foul. Nur wenn alles stimmt, ist Alba in der Lage, ein Europaligaspiel zu gewinnen, kleinste Ungereimtheiten bringen die erfahrene Mannschaft völlig aus dem Konzept. Etablierte Spieler leisten sich Schrittfehler und Fehlwürfe en masse. Nach neun Niederlagen in den vergangenen zwölf Spielen können die Profis dem Druck, den sie sich auch selbst machen, nicht standhalten. Sie sind mental so blockiert, dass sie nicht mehr richtig kämpfen. Und die Beine nur noch hinterherlaufen.

Von bisher zwölf Europaligaspielen hat Alba, das heute Abend bei Bundesligaaufsteiger Ludwigsburg antritt, nur vier gewonnen: zweimal gegen Athen, gegen Pau-Orthez und Zagreb. Gegen Treviso und Bologna verlor Alba in eigener Halle mit je drei Punkten. Selbst beim Topteam des FC Barcelona überzeugten die Berliner. Vor einem Jahr war die Bilanz mit drei Siegen und elf Niederlagen ähnlich, doch Alba spielte schwächer als jetzt. Eine Tatsache, die das wahrscheinliche Ausscheiden um so bitterer macht. Alba hatte Chancen, hat sie aber nicht genutzt.

Helen Ruwald

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