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Sport: Wenn die Sonne bremst

Hannover enttäuscht beim 0:0 gegen Stuttgart.

Von Christian Otto

Hannover - Zum Abschluss seines ereignisarmen Arbeitstages gönnte sich Sven Ulreich ein zufriedenes Lächeln. „Das war ein ruhiger Nachmittag“, sagte der Torhüter des VfB Stuttgart, dessen Trikot frei von Grashalmen, Schmutz, Schweiß oder sonstigen Spuren einer Anstrengung geblieben war. Das 0:0, das sich die Schwaben bei Hannover 96 erkämpfen konnten, hatte keinen großen Aufwand erfordert. „Die hatten sicher nicht ihren besten Tag“, sagte Ulreich über einen Rivalen der Bundesliga, der nach zwei torlosen Remis vor heimischem Publikum auf dem besten Weg ist, seine Chance auf eine erneute Qualifikation für die Europa League zu verspielen.

Es gibt erschreckend viele Gründe dafür, warum eine der heimstärksten Mannschaften der vergangenen zwei Jahre ihre Stärken eingebüßt hat. Mit Szabolcs Huszti und Lars Stindl, beide schon seit Wochen verletzt, fehlen Hannover 96 wertvolle Ideengeber in der Offensive. Mit Mame Diouf, dessen vorzeitige Vertragsverlängerung angesichts zahlreicher Angebote aus dem In- und Ausland Stocken geraten ist, hat der Sturm der Niedersachsen an Durchschlagskraft verloren. Der Senegalese ließ gegen den VfB Stuttgart nicht nur die Einsatzbereitschaft, sondern auch jegliche Gefahr vermissen. Er machte nach dem Spiel aber auch kein Geheimnis daraus, dass die Gespräche über seine Zukunft in der entscheidenden Phase sind.

Es gibt in der Umkleidekabine durchaus Neider, die sich nicht damit anfreunden können, dass Diouf eine Hauptrolle eingenommen hat. „Wir erreichen unsere Ziele nur gemeinsam, das scheint im Moment nicht so zu sein“, sagte Mittelfeldspieler Sergio da Silva Pinto und deutete an, dass sich das 96-Kollektiv schon mal einiger gewesen ist.

Bei der Deutung eines enttäuschenden Auftritts, den viele der 46 000 Zuschauer mit Pfiffen bedachten, taten sich die Hauptdarstellern schwer mit ihrer Wortwahl. Bruno Labbadia, der Stuttgarter Trainer, sprach von einem „eigenartigen, nicht packenden Spiel“. Sein Kollege Mirko Slomka äußerte den Verdacht, dass der strahlende Sonnenschein im Stadion vielleicht sogar bremsende Wirkung gehabt haben könnte.

Während sich der VfB Stuttgart auf der Zielgeraden der Saison ganz auf das Pokal-Halbfinale gegen den SC Freiburg konzentrieren kann, liegt Hannover 96 nun schon vier Zähler hinter jenen Plätzen, die Auslandsreisen ermöglichen. „Wenn wir unser Ziel noch erreichen wollen, müssen wir entschlossener und euphorischer auftreten“, sagte der verärgerte 96-Trainer Slomka, dessen Profis am 28. Spieltag den Eindruck erweckt haben, als hätten sie vorerst kein Interesse mehr an Flutlichtspielen in Europa.

Die fehlende Angriffslust auf dem Platz wird in Hannover hinter den Kulissen durch das nicht enden wollende Kompetenzgerangel der beiden wichtigsten Angestellten kompensiert. Slomka liegt mit 96-Geschäftsführer Jörg Schmadtke nicht auf einer Wellenlänge. Der eloquente Trainer spielt mediale Doppelpässe mit dem Boulevard, der wortkarge Schmadtke nicht – und wird deshalb regelmäßig vom Boulevard zum Rücktritt aufgefordert. Angesichts dieser zerfahrenen Konstellation, in der ein Scheitern von Schmadtke nicht unmöglich erscheint, kommen sportliche Rückschläge bei Hannover 96 wenig überraschend daher. Christian Otto

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