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Sport: Wenn doch schon Zukunft wäre

Hertha BSC gilt immer noch als Verein mit großen Wachstumschancen – aber das hilft dem Klub in der Gegenwart herzlich wenig

Von André Görke, Stefan

Hermanns, Michael Rosentritt

Berlin. Klaus Böger hatte die Lust verloren. In der Halbzeit des Bundesligaspiels gegen Werder Bremen war es, Hertha BSC lag 0:1 zurück, und der Berliner Senator für Jugend, Schule und Sport war ganz froh, dass er wegen eines Termins das Olympiastadion vorzeitig verlassen konnte. „So ein lustloses, grässliches Spiel habe ich lange nicht gesehen“, sagte Böger. Wenigstens die zweite Halbzeit blieb ihm erspart. Es ist nicht gut, wenn das Publikum sich mit Grausen abwendet. Für einen Verein wie Hertha BSC schon mal gar nicht. Der Klub hat Großes vor, und bisher haben sich die meisten Vorstellungen der Vereinsführung auch verwirklichen lassen. Im Moment aber scheint es, als sei der Aufschwung ins Stocken geraten. Von Mittelmaß ist die Rede, und Mittelmaß ist tödlich, zumindest in einer Stadt wie Berlin. Aber auch für den Werbewert der Mannschaft.

Wenn es bei Hertha nicht so gut läuft, merken das vor allem die Mitarbeiter am Empfang in der Geschäftsstelle, an der Ticket-Hotline, von der Mitglieder- und Fanbetreuung. Das liegt daran, dass deren Telefonnummern öffentlich zugänglich sind. Und dann passiert es schon mal, dass morgens auf dem Anrufbeantworter unflätige Kommentare zu hören sind. Im Moment hält sich der Unmut in Grenzen. Andreas Blaszyk, der Fanbeauftragte, sagt: „Anfang des Jahres war es schlimmer.“ Da war Hertha gegen den 1. FC Köln im DFB-Pokal ausgeschieden, hatte gegen den späteren Absteiger Freiburg unentschieden gespielt und gegen Cottbus verloren.

Sponsoren bleiben gelassen

Aber auch jetzt ist die Lage nicht gerade angenehm. „Der Sponsor äußert sich generell nicht zu sportlichen Belangen“, sagt Jens Wagner, der Pressesprecher von Arcor. Seit September des vergangenen Jahres ist das Frankfurter Telekommunikationsunternehmen Haupt- und Trikotsponsor bei Hertha BSC. Rund sechs Millionen Euro überweist Arcor dafür pro Spielzeit nach Berlin – nur vier Vereine der Bundesliga bekommen mehr. Als die Partnerschaft vor 14 Monaten geschlossen wurde, verkündete Klaus Thiemann, Vorstand des Unternehmens, voller Stolz: „Wir freuen uns sehr, einen der besten Vereine im deutschen Fußball künftig als Partner zu haben.“ Thiemann sitzt auch im Wirtschaftsrat des Vereins, und in Herthas Jahrbuch zu dieser Saison hat er sich noch voller Zuversicht geäußert: „Hertha drängt an die Tabellenspitze, und Arcor baut als größter Konkurrent der Telekom im Festnetz seine Position weiter konsequent aus.“

Hertha hingegen hat seine Position als aufstrebender Klub gerade konsequent aufgegeben. Die Schlagzeilen nach der Niederlage in München fielen entsprechend aus: „Die graue Hertha“, titelte „Bild“ am Montag. „Langweilig, mutlos, mittelmäßig.“ Aus Werbesicht ist ein solches Image verheerend, doch vielleicht folgt dem Absturz genauso schnell auch wieder der Aufschwung. Der Abstand zu den angestrebten Europacup-Plätzen ist jedenfalls noch überschaubar.

Hertha als nationales Zugpferd

Hertha besitzt für die Werbewirtschaft nach wie vor hohes Potenzial. Hinzu kommt der besondere Reiz des Standorts Berlin. Erst vor dieser Saison konnte der Verein mit Coca-Cola neben Mercedes-Benz einen weiteren Weltkonzern als Partner gewinnen. Der Verein gilt als schlafender Riese. Für den Sportartikelhersteller Nike, der auch Manchester United, den FC Barcelona und Arsenal London ausrüstet, ist Hertha BSC vor allem in Hinblick auf die Weltmeisterschaft 2006 das nationale Zugpferd. „Dieser Verein ist weder eine Maus noch grau, sondern viel bunter und größer“, sagt Patrick Kammerer, Unternehmenssprecher von Nike Deutschland. Der bis Ende der Saison laufende Vertrag soll noch vor Weihnachten bis 2009 verlängert werden. Nike setzt auf eine dauerhaft gute Entwicklung bei Hertha.

Auch der Vertrag mit Arcor läuft noch bis Ende der Saison, im Januar wollen sich beide Seiten zusammensetzen, um über eine Verlängerung zu beraten. In diesem Jahr hat sich Arcor als Sponsor der Frankfurt Lions (Eishockey) und des Deutschen Tourenwagen Masters zurückgezogen. Für Herthas Verhandlungsposition wäre es mit Sicherheit nicht schlecht, wenn es bis dahin Zeichen für eine sportliche Genesung gäbe.

Finanziell macht sich der momentane Absturz in der Bundesligatabelle schon jetzt bemerkbar. Von den knapp 225 Millionen Euro, die die Erstligisten für den Verkauf der TV-Rechte erhalten, wird die Hälfte erfolgsabhängig ausgezahlt. Für die Berechnung ist neben dem Abschneiden in den vergangenen drei Spielzeiten auch der jeweilige aktuelle Tabellenplatz entscheidend. In der vorigen Bundesligasaison betrug der Unterschied pro Platz 12 041 Mark, in diesem Jahr dürften es rund 5000 Euro sein. Allein durch die Niederlage gegen Werder Bremen hätte Hertha BSC damit 20 000 Euro verloren.

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