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Sport: „Wenn einer nicht mitzieht, werde ich einschreiten"

Dick van Burik über seine Rolle als Hertha-Kapitän, den Zusammenhalt im Team und falsche Euphorie

Herr van Burik, ist es schön, Kapitän zu sein?

Es ist in jedem Fall eine Ehre. Schön muss es nicht unbedingt sein. Das letzte halbe Jahr war es nicht.

Haben Sie sich die Aufgabe leichter vorgestellt?

Ich habe mir vor allem vorgestellt, dass die Saison für uns besser verläuft. Ja, dann wäre es wahrscheinlich auch für den Kapitän leichter gewesen. Aber die Mannschaft hat mich im Sommer gewählt, ich habe das Amt angenommen. Also kann ich mich jetzt nicht hinstellen und darüber meckern.

Welchen Einfluss hat ein Kapitän überhaupt? Wird das Amt überschätzt?

In Deutschland auf jeden Fall.

Wieso in Deutschland?

In Holland wird es nicht überschätzt, weil nicht so viel erwartet wird. Da ist es oft so, dass einfach der älteste Spieler zum Kapitän ernannt wird. Ich bin gewählt worden, das ist schön – aber deswegen entscheide ich nicht alleine, was in der Mannschaft läuft. Und deswegen habe ich auch nicht mehr Einfluss als die anderen.

Aber müsste das nicht so sein?

Nein, das finde ich nicht. Nur weil ich Kapitän bin, soll ich die Macht haben? Ha, das wäre schön! Was auf dem Platz passiert, müssen mehrere Spieler entscheiden. Natürlich kann ich in bestimmten Situationen mehr sagen – aber nicht, weil ich diese Binde trage, sondern weil ich inzwischen eine Menge Erfahrung gesammelt habe.

Wie ist es in Holland?

Das kann ich Ihnen sagen: Mit 18 bin ich bei Breda in eine Mannschaft mit lauter erfahrenen Nationalspielern gekommen. Und trotzdem: Wenn mir etwas nicht gepasst hat, habe ich denen ganz selbstverständlich meine Meinung gesagt. In Deutschland wäre das undenkbar, in Holland ist es völlig normal. Das würde ich auch machen, wenn der Kapitän, sagen wir, Stefan Effenberg heißt. Nicht, dass ich keinen Respekt vor ihm hätte. Aber genauso würde ich von ihm verlangen, dass er Respekt vor mir hat. Die Dinge, die sich zum Beispiel Oliver Kahn herausnimmt, die verstehe ich nicht. Frank de Boer …

… der Kapitän der holländischen Nationalmannschaft …

… würde sich das nie erlauben – obwohl er mehr als 100 Länderspiele bestritten hat.

Haben Sie sich mal mit Ihrem Vorgänger Michael Preetz über Ihr Amt als Kapitän unterhalten?

Natürlich sprechen wir miteinander, doch im Moment kann er mir wenig helfen. Wir hatten auch mit Michael Preetz einige Krisen, aber eine solche Extremsituation hat er in seiner ganzen Zeit bei Hertha nie erlebt. Da reagiert jede Person anders.

Fehlen der Mannschaft jetzt, in der Krise, erfahrene Spieler wie Preetz, wie Sverrisson, wie Tretschok, die in der vorigen Saison noch da waren?

Das glaube ich nicht. Wir haben uns ja nicht aus einer Laune heraus vor der Saison das Ziel Champions League gesetzt. Das haben wir getan, weil wir davon überzeugt waren und überzeugt sind, dass die nötige Qualität in der Mannschaft steckt. Und weil wir genug erfahrene Spieler haben.

Aber möglicherweise stimmt es innerhalb der Mannschaft nicht. Bei den beiden Testspielen in Maspalomas zum Beispiel saß Luizao allein mit dem Dolmetscher auf der Tribüne.

Das ist doch nur eine Momentaufnahme. In einem Kader mit 28 Spielern wird es immer Leute geben, die miteinander mehr zu tun haben als mit anderen. Woher sollte ich wissen, warum die beiden da alleine auf der Tribüne saßen? Vielleicht wollte Lui mit dem Dolmetscher einfach etwas Persönliches besprechen. Das ist doch alles nicht wichtig. Wichtig ist, dass im Training wieder Spaß in der Truppe ist und dass wir gut arbeiten.

Manager Dieter Hoeneß hat deshalb schon vor einer Pseudo-Euphorie gewarnt.

Ja, das stimmt. Auch in der Vorrunde haben wir nicht schlecht trainiert, und trotzdem sind wir manchmal bei den Spielen total blockiert über den Platz gestolpert. Was ich damit sagen will: Auch wenn die Stimmung momentan gut ist, haben wir keine Garantie dafür, dass wir die nächsten 17 Spiele gewinnen.

Die Stimmung könnte bald umschlagen, wenn sich abzeichnet, welche Spieler keine Chance haben, in die Stammformation zu kommen.

Aber bitte, es kann doch für niemanden von uns eine Überraschung sein, dass in einer Fußballmannschaft nur elf Spieler spielen dürfen! Jeder weiß das, und jeder hat im Moment die Möglichkeit, sich dem neuen Trainer anzubieten. Also soll sich nachher auch niemand beschweren.

Sind Sie sicher, dass das nicht passieren wird?

Ja, weil ich glaube, dass jetzt alle verstanden haben, was auf dem Spiel steht. In den vier Monaten bis zum Saisonende muss jeder seine persönlichen Dinge beiseite lassen – auch wenn es denen, die nicht spielen, vielleicht schwer fällt. Aber es geht jetzt nicht mehr um Einzelne. Es geht um den Verein. Und wenn ich sehe, dass jemand nicht mitzieht, dann werde ich einschreiten.

Wie denn?

Das wird die entsprechende Person dann schon merken.

Herr van Burik, zu wie viel Prozent bleibt Hertha in der Bundesliga?

Wir haben auf jeden Fall die Qualität, um in der Bundesliga zu bleiben, und wenn wir diese Qualität abrufen, schaffen wir es auch. Da bin ich hundert Prozent sicher.

Das sollte Ihnen zu denken geben.

Wieso?

Vor einem Jahr haben Sie gesagt, dass Sie Hertha zu 95 Prozent verlassen würden. Heute sind Sie immer noch da – und Kapitän.

Damals war das ein Gefühl, dass ich meine Rolle bei Hertha ausgespielt habe. Aber man kann sich auch mal täuschen.

Wäre es besser gewesen, Sie hätten sich nicht getäuscht?

Für Hertha oder für mich?

Für Sie?

Nein, ich glaube immer noch, dass es die richtige Entscheidung war, zu bleiben.

Das Gespräch führte Stefan Hermanns.

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