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Sport: Wenn zwei Egos aufeinanderprallen

Im Machtkampf bei Ajax Amsterdam wird der Klub-Ikone Johan Cruyff nun Rassismus vorgeworfen

Berlin - Der Montag ist in Holland Cruyff-Tag. Immer montags erscheint im „Telegraaf“, der größten Zeitung des Landes, eine Kolumne von Johan Cruyff, in der er seine Sicht auf den Fußball erläutert. Diese Woche müssen sich die Leser einen Tag länger gedulden. Die Kolumne ist gestern nicht erschienen – angeblich weil Cruyff wegen Nebels nicht rechtzeitig in seinem Wohnort Barcelona landen konnte. Es ist aber auch möglich, dass Cruyff einfach ein bisschen intensiver über den Inhalt seines Textes nachdenken muss. Seit Sonntag sieht sich die holländische Fußball-Ikone dem Vorwurf des Rassismus’ ausgesetzt.

Der Machtkampf bei Cruyffs Heimat- und Herzensverein Ajax Amsterdam hat sich am Wochenende noch einmal zugespitzt. Edgar Davids, ebenfalls früherer Nationalspieler und wie Cruyff eines von fünf Mitgliedern in Ajax’ Aufsichtsrat, hatte zunächst vage von Rassismus gesprochen, später wurde bekannt, dass Cruyff während einer Aufsichtsratssitzung im August zu ihm gesagt haben soll: „Du sitzt hier nur, weil du schwarz bist.“ Der Vorsitzende des Gremiums Steven ten Have ließ sich am Sonntag telefonisch in eine Sendung des Fernsehsenders NOS zuschalten, um den Vorfall zu bestätigen. Laut NOS gibt es sogar einen Mitschnitt der Aufsichtsratssitzung. Cruyff will sich erst heute zu den Vorwürfen äußern, in seiner Montagskolumne am Dienstag.

Ausgelöst wurde der Streit in der Ajax- Führung durch die Bestellung des früheren Bayern-Trainers Louis van Gaal zum neuen Generaldirektor des Klubs. Cruyff ist von der Idee seiner Aufsichtsratskollegen völlig überrascht worden. „Sie sind verrückt geworden“, sagte er in einer ersten Reaktion. Als „unverschämt und hinterhältig“ bezeichnete er das Vorgehen des Aufsichtsrats, zumal bekannt ist, dass Cruyff und van Gaal sich seit Jahrzehnten in inniger Abneigung verbunden sind.

Der Streit nimmt derweil immer bizarrere Formen an. Im Internet findet sich eine Rohfassung des Interviews mit Davids, in dem er den Rassismusvorwurf andeutet. Fragen und Antworten folgen der Regieanweisung eines unbekannten Dritten. Das Gespräch wurde also offenbar inszeniert.

Vordergründig geht der Streit um die Ausrichtung der Nachwuchsausbildung. In Wirklichkeit prallen mit Cruyff und van Gaal zwei riesige Egos aufeinander, für die selbst ein großer Klub wie Ajax zu klein ist. „Der Verlierer kann nur Ajax heißen“, sagt Cruyff. Erster Leidtragender aber ist Trainer Frank de Boer, der zu beiden Parteien ein gutes Verhältnis pflegt. Er komme sich wie ein Vater vor, „der sich zwischen Sohn und Tochter entscheiden muss“, hat de Boer gesagt. „Das kann ich nicht.“ Für den Trainer kommt die Sache ohnehin zur Unzeit: In der Champions League tritt Ajax heute bei Olympique Lyon an. Bei einem Sieg wäre der Klub erstmals seit 2006 wieder für das Achtelfinale qualifiziert. In der holländischen Liga aber droht Ajax immer mehr den Kontakt zur Spitze zu verlieren. Seit August hat die Mannschaft kein Heimspiel mehr gewonnen. Am Sonntag führte sie fünf Minuten vor Schluss 2:0 gegen Breda – und musste sich am Ende mit einem 2:2 begnügen.

Die Spieler dürfen sich zu dem Machtkampf nicht äußern, dass sie ihn völlig ausblenden, ist unwahrscheinlich. Die Anhänger haben das Spiel am Sonntag dazu genutzt, um sich mit Gesängen und Spruchbändern klar zu positionieren. Für die Fans mag Louis van Gaal eine Trainerlegende sein, Johan Cruyff ist mehr als das. Beim Spiel gegen Breda hing im Stadion ein Plakat mit dem Satz: „Cruyff ist Ajax.“

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