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Sport: Wer darf von draußen rein?

Ein ausländischer Trainer für die deutschen Fußballer ist umstritten – dabei haben viele Teams gute Erfahrungen damit gemacht

Am Ende wurde es für Guus Hiddink fast zu viel: Sie machten ihn zum Ehrenbürger von Südkorea, benannten ein WM-Stadion nach ihm und eine Straße in Gwangju. Eine Brauerei versprach ihm Freibier bis ans Lebensende, die Fluggesellschaft Korean Air lässt ihn vier Jahre lang erster Klasse fliegen – und das alles, weil Hiddink die Fußball-Nationalmannschaft Südkoreas vor zwei Jahren ins Halbfinale der Weltmeisterschaft geführt hatte. Was wohl passieren würde, wenn Hiddink 2006 mit der deutschen Nationalmannschaft den WM-Titel gewinnen würde? Diese Frage stellt er sich lieber nicht.

Der Deutsche Fußball-Bund (DFB) sucht verzweifelt einen neuen Bundestrainer. Doch dass es ein Ausländer wird, Guus Hiddink, der Däne Morten Olsen oder der Franzose Arsène Wenger, das ist unwahrscheinlich. „Nicht durchsetzbar“, hat DFB-Vizepräsident Engelbert Nelle einen ausländischen Trainer genannt. Der wichtigste Posten im deutschen Fußball muss offensichtlich einem Deutschen vorbehalten bleiben. Warum eigentlich? Wenn heute im Finale der EM Portugal und Griechenland aufeinander treffen, spielen zwei Mannschaften ohne einheimischen Trainer um den Titel. Zum ersten Mal überhaupt wird ein Land mit ausländischem Coach Europameister – entweder Griechenland mit dem Deutschen Otto Rehhagel oder Portugal mit dem Brasilianer Felipe Scolari.

Ein Zufall ist diese Entwicklung nicht. Schon bei der WM vor zwei Jahren hatten acht der 32 Mannschaften einen ausländischen Trainer. Selbst bei den Nationalmannschaften verliert die nationale Komponente an Bedeutung. Bestes Beispiel ist der Serbe Bora Milutinovic, der inzwischen so viele Nationalmannschaften trainiert hat wie andere Trainer Vereinsteams. Fünfmal hintereinander hat sich Milutinovic für Weltmeisterschaften qualifiziert, jedes Mal mit einem anderen Land. „Irgendwann wird Bora den Mond trainieren. Und der Mond wird sich dann für die WM qualifizieren“, hat einer seiner Spieler einmal gesagt.

Sogar Berti Vogts, der als Vertreter des typischen Deutschtums gilt, ist nach seinem Abschied vom DFB vor sechs Jahren schon in zwei Ländern Nationaltrainer gewesen – in Kuwait und Schottland. Winfried Schäfer trainiert Kamerun, Rehhagel die Griechen, Bernd Stange die irakische Nationalmannschaft. In diese Richtung wird der internationale Grenzverkehr durchaus akzeptiert. Nur in die Gegenrichtung offenbar noch nicht.

Selbst in Deutschland gibt es viele ausländische Trainer von Nationalmannschaften – abgesehen vom Fußball. In anderen Sportarten ist es kein Problem, wenn der Bundestrainer keinen deutschen Pass besitzt. Vlado Stenzel, der die bundesdeutschen Handballer 1978 zum WM-Titel führte, ist Jugoslawe. Die deutschen Basketballer wurden von Svetislav Pesic trainiert, einem Jugoslawen – und später von Henrik Dettmann, einem Finnen. Stelian Moculescu, Trainer der Volleyball-Männer, stammt aus Rumänien, der Coach der Frauen, Hee Wan Lee, aus Südkorea, und der US-Amerikaner Greg Poss übernimmt demnächst die Eishockey-Nationalmannschaft.

Bei der WM vor zwei Jahren war Südkorea so erfolgreich, weil es Hiddink in kurzer Zeit gelungen war, traditionelle Denkstrukturen zu verändern. Auch der deutsche Fußball braucht dringend andere Impulse: in der Trainingsarbeit, in der Taktik, im Verständnis des Spiels. Aber woher sollen neue Ideen kommen? Die Trainerausbildung des DFB ist längst zu einem geschlossenen System geworden, das sich nur aus sich selbst erneuert. Ihre Absolventen sind meist ehemalige Spieler, die in deutschen Vereinen von deutschen Trainern trainiert wurden.

Selbst in der Bundesliga arbeiten kaum noch ausländische Trainer. Der Österreicher Ernst Happel war vor 20 Jahren beim Hamburger SV der letzte, der mit seiner Idee vom Pressing den Fußball in Deutschland befruchtet hat. Genau wegen dieser hohen fachlichen Qualität war Happel 1978 Bondscoach der holländischen Nationalmannschaft, mit der er bei der WM in Argentinien Vizeweltmeister wurde.

Dass der Gedanke an einen ausländischen Nationaltrainer zunächst gewöhnungsbedürftig ist, hat das Beispiel England gezeigt. Als der Schwede Sven-Göran Eriksson vor drei Jahren den Posten übernahm, schrieb die „Daily Mail“: „Jetzt hat das Fußball-Mutterland sein Geburtsrecht an eine Nation von Skifahrern und Hammerwerfern verkauft, die ihr halbes Leben in Dunkelheit verbringen.“ Inzwischen sind die Engländer froh, dass Eriksson seinen Vertrag verlängert hat – bis 2008.

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