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Sport: Wer liebt, prügelt nicht

Dortmund will beim HSV einen Neuanfang gefunden haben

Von Karsten Doneck, dpa

Von Karsten Doneck

Hamburg. Fast zwei Minuten lang saß Marcio Amoroso neben der Seitenlinie auf dem Rasen. Hektisch nestelte er an seinen Schuhen herum. Schnürbänder auf, die Schuhe von den Füßen gezerrt, neue Schuhe angezogen, Schnürbänder zu – und weiter ging’s . Die Miene von Matthias Sammer entgleiste ins Bösartige. Fassungslos sah der Trainer von Borussia Dortmund dem Treiben unmittelbar vor seiner Bank zu. Da laufen sich also seine Profis auf dem Platz 20 Minuten lang warm, machen kleine Übungen mit dem Ball und dann stellt ein erfahrener Mann wie der 28-jährige Amoroso im Spiel nach nur acht Minuten fest, dass er nicht die passenden Schuhe anhat. Zum Glück kann sich Sammer beherrschen. Als er nach dem 1:1 seiner Mannschaft beim Hamburger SV gefragt wurde, was er denn davon halte, wenn einer seiner Profis kurz nach dem Anpfiff seine Schuhe wechselt, antwortete Sammer: „Ich sage dazu im Moment mal besser nichts.“ Aus den Worten klang aber deutlich heraus, wie sauer Sammer auf seinen brasilianischen Nationalspieler war.

Es sind vielleicht nur solche Kleinigkeiten, die Borussia Dortmund in dieser Saison daran hindern, den Titel zu verteidigen – oder schlimmer gar: sich nicht einmal für die Champions League zu qualifizieren. Jeder im Stadion erkennt, dass Spieler wie Amoroso, Rosicky oder Dede mit dem Ball durchaus gut Freund sind, aber ihre individuelle technische Klasse fügt sich nicht mehr so nahtlos ein in ein durchschlagskräftiges Gesamtkonzept. In Hamburg ließen sich die Borussen von ein paar körperbetonten Attacken ihrer Gegenspieler viel zu früh einschüchtern.

Das Unentschieden beim HSV war für die Dortmunder eher ein Rückschlag auf dem Weg zu den großen Zielen, da der direkte Konkurrent um Platz zwei, der VfB Stuttgart, zeitgleich siegte. „Meine Mannschaft hat eigentlich einen etwas besseren Job abzuliefern. Mit der Leidenschaft, die ich bei meinen Spielern gesehen habe, damit kann ich leben. Aber es war nur ein Anfang, nicht mehr“, sagte Sammer.

Wer jedoch einen Anfang macht, der muss vorher ziemlich am Ende gewesen sein. Als der BVB eine Woche zuvor gegen Werder Bremen die erste Heimniederlage seit 24 Spielen bezog (1:2), gab es Theater. Sammer vergaß dabei gar seine gute Erziehung und kündigte an, er müsse vielleicht auch mal gegenüber den Spielern „eine Drecksau sein“. Auch Präsident Gerd Niebaum polterte los. Alles soll indes halb so schlimm gewesen sein. „Unser Präsident war bei seiner Ansprache an die Mannschaft so leise wie noch nie“, behauptete Sammer am Sonnabend in Hamburg. „Aber aus seiner Tonlage war eine gewisse Schärfe zu entnehmen.“ Auch der Dortmunder Trainer selbst wird seine Spieler keineswegs in Grund und Boden verdammen. Das widerspräche schon seinen Prinzipien. „Ich liebe meine Mannschaft, und du kannst nicht auf das, was du liebst, dauernd einprügeln“, sagte Sammer in Hamburg.

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