zum Hauptinhalt
320749_0_ede93cb7.jpg

© nordphoto

Werder Bremen: Ein bisschen irreal

Ende des Jahres galt Werder Bremen noch als Titelaspirant. Fünf Niederlagen in Folge haben den Klub abstürzen lassen. Weil das Team immer die gleichen Fehler macht

Am erbarmungswürdigsten in der langen Bremer Trauergemeinde sah Torsten Frings aus. Nicht einmal Zeit zum Föhnen hatte er sich nach dem fürchterlichen Nachmittag am Niederrhein genommen. Mit nassem, ungekämmtem Haar schoss der Kapitän von Werder Bremen durchs Untergeschoss des Mönchengladbacher Borussia-Parks, lief mit schnellen Schritten davon und verschwand in die Kälte.

Ein anderer nahm sich deutlich mehr Zeit, um das kunterbunte Abwehrchaos beim 3:4 (1:4) in Mönchengladbach zu erklären. Und Per Mertesacker war gar nicht schlecht darin, die mittlerweile fünfte Niederlage am Stück schonungslos zu beleuchten: „Jeder denkt im Spiel nur an sich, ist nicht in der Lage, den anderen zu helfen. Das ist das große Thema, das uns beschäftigt.“ Etwas mehr als eine Viertelstunde war gespielt, da hatte sich die linke Abwehrseite der Bremer gleich dreimal übertölpeln lassen, und Klaus Allofs nutzte die Zeit, um ein wenig die Gesichter seiner Spieler zu studieren. „Man konnte ihnen ansehen, dass sie ziemlich schockiert waren“, berichtete Werders Manager von seinen Feldstudien – und selbst Gladbachs Sportdirektor Max Eberl zuckte beim Gedanken an den Rundum- Dilettantismus der Gäste noch nachträglich zusammen: „Es war schon ein bisschen irreal, was hier abgelaufen ist.“

Extrem überfordert war vor allem Linksverteidiger Aymen Abdennour. Dem 20 Jahre alten Tunesier verging bei den Gladbacher Kontern Hören und Sehen. Das Unglück Abdennours war allerdings, dass die gesamte Mannschaft um ihn herum in der Rückwärtsbewegung ein einziger Torso war. „Ich habe die ganze Zeit überlegt, wie die Sache zu bremsen ist“, sagte Werders Trainers Thomas Schaaf nach dem Spiel. Er wusste es nicht. Eine sofortige Auswechslung Abdennours hätte nach seiner Ansicht nur wenig genützt: „Wenn es nur dieser eine Spieler gewesen wäre …“

Auch erfahrene Kräfte wie Nationalverteidiger Per Mertesacker oder Torhüter Tim Wiese gaben in einigen Szenen ein derart jämmerliches Bild ab, dass sich Allofs auch durch die drei eigenen Treffer nicht mehr besänftigen ließ. „Ich kann mich nicht erinnern, auf diese Art und Weise in einer Halbzeit vier Gegentore hergeschenkt zu haben“, maulte der Manager. „Das war grottenschlecht. Wir haben ein katastrophales Defensivverhalten.“ Die große Frage ist, wie sich die Mängel auf die Schnelle wieder beheben lassen. „Wenn sich dieses Fehlverhalten erst einmal eingeschlichen hat, dauert es eine ganze Zeit, bis man das wieder rausgebracht hat“, ahnt Allofs.

Per Mertesacker wirkte nach dem schweren Rückfall in eigentlich überstanden geglaubte Zeiten fast schon verzweifelt. „Es war schon da, dass wir auch mal zu null gespielt haben“, sagte Mertesacker. „Jetzt ist es wie vor einigen Jahren: Wir schießen viele Tore – und kassieren viele. Ein leidiges Thema.“ Und es ist überraschend, wie die Bremer gestern auf die Mängel in der Defensive reagierten: Sie verpflichteten U-21-Europameister Sandro Wagner, der vom MSV Duisburg kommt und einen Vertrag bis 2014 erhält. Wagner ist Stürmer.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false