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Brett vorm Kopf. Werder Bremen und Trainer Florian Kohfeldt machten am Samstag in Mainz eine weitere schmerzhafte Erfahrung.

© dpa

Werder Bremen ist ein Opfer der Verhältnisse: Geld hilft mehr als Tradition

Noch ist Werder Bremen nicht abgestiegen. Sollte es so kommen, wäre es kein bedauernswerter Einzelfall, sondern Ausdruck einer allgemeinen Entwicklung.

Ein Spieltag steht noch aus, bis auch diese seltsame Saison der Fußball- Bundesliga Geschichte ist. In den feuchten Träumen der Vermarktungsspezialisten spitzen sich die Entscheidungen an diesem Spieltag noch einmal dramatisch zu. In der Realität aber sind die Dinge schon jetzt fast vollständig sortiert. Der Meister steht fest, die Europapokalteilnehmer stehen fest, ebenso die letzten drei der Tabelle

Von all den Fragen, die sich vor einer Saison stellen, sind vor dem finalen Spieltag gerade noch zwei unbeantwortet geblieben. (Ob Wolfsburg oder Hoffenheim als Siebter in die Qualifikation zur Europa League muss, ist für das breite Publikum von derart nachrangigem Interesse, dass man es getrost ignorieren darf.) Wer schafft es als Vierter in die Champions League: Borussia Mönchengladbach oder Bayer Leverkusen? Und wer erhält die Chance, sich über die Relegation doch noch vor dem Abstieg zu retten: Fortuna Düsseldorf oder Werder Bremen?

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Die Bremer haben vor der Saison ernsthaft geglaubt, um die Qualifikation für den Europapokal mitspielen zu können. Selten sind Träume und Wirklichkeit weiter auseinandergedriftet, und doch hängt das, was mit Werder passiert ist, und das, was sich im oberen Tabellendrittel manifestiert, fast unauflösbar zusammen.

Wenn im Herbst die neue Saison im Europapokal beginnt, wird die Bundesliga mit all ihren sogenannten Plastikklubs vertreten sein: mit den Werksklubs aus Leverkusen und Wolfsburg, dem Marketingprojekt aus Fuschl am See und dem Selbstdarstellungsinstrument eines Milliardärs aus der Rhein-Neckar-Metropolregion.

Profifußball ist Verdrängungswettbewerb

Was das mit Werder Bremen zu tun hat? Eine Menge. Der Profifußball in seiner turbokapitalistischen Ausprägung ist ein knallharter Verdrängungswettbewerb. Und Tradition ist nicht zwingend ein Wettbewerbsvorteil. Stabile wirtschaftliche Verhältnisse sind schon eher hilfreich. Rasenballsport Leipzig zum Beispiel verzeichnet seit dem Bundesligaaufstieg 2016 ein Transfersaldo von 137 Millionen Euro – und muss sich trotzdem keine Gedanken um seine finanzielle Leistungsfähigkeit machen.

Anders als ein Klub wie Werder Bremen. Nach den Ergebnissen des Wochenendes deutet einiges darauf hin, dass die Bundesliga mit Werder ein weiteres ehrenwertes Mitglied verlieren wird. Einen Klub, der die Massen bewegt und sie berührt hat, der über Jahrzehnte durch herausragende Arbeit aus wenig viel gemacht hat und das in dieser Saison eben nicht geschafft hat.

Werders Abstieg wäre kein Einzelfall

Man kann das für den normalen Lauf der Dinge halten: Selbst schuld! Man kann es aber auch im Sinne des großen Ganzen bedauern: weil die Bundesliga ein weiteres Original verlöre, den Klub, der so lange der Liga angehört wie kein anderer. Weil Werder eben eine Marke ist – und nicht das Abziehbild einer Marke wie Rasenballsport in Leipzig. Und weil es vielleicht doch irgendwie cooler ist, einen Verein anzufeuern und keinen Getränkeproduzenten, Pharmakonzern oder Automobilhersteller.

Werders Abstieg wäre eben kein bedauerlicher Einzelfall. Es wäre die Fortschreibung einer Entwicklung, der auch schon Lautern, Hannover, Stuttgart und der HSV zum Opfer gefallen sind. Und so, wie die Dinge in den vergangenen Monaten gelaufen sind, darf man schon jetzt anfangen, sich mit Blick auf die neue Saison ernste Sorgen zu machen. Sorgen um: Schalke 04.

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