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Werder Bremens Thomas Schaaf: "94 Millionen für Ronaldo sind nicht zu vermitteln"

Dicke Schlagzeilen befremden ihn, vor ökonomischen Exzessen warnt er, mit Werder will er wieder nach oben: Thomas Schaaf einen Tag vor der neuen Bundesliga-Saison im Interview.

ZEIT ONLINE:

Diego hat Werder Bremen verlassen, Claudio Pizarro ist noch nicht wieder da. So etwas macht Medienvertreter und vor allem die dünnen Zeitungen ungeduldig. Haben Sie sich über die Schlagzeile "Ist Schaaf die ärmste Sau der Liga?" geärgert?

Thomas Schaaf: Über so eine Schlagzeile wundere ich mich. Aufregen will ich mich gar nicht. Das war kurz nach Beginn unserer Vorbereitung. Jetzt haben wir das Pokalspiel in Berlin gewonnen, und es gab ganz andere, positive Schlagzeilen. Nicht alles, was in den Medien geschieht, muss man gut finden, aber natürlich auch längst nicht alles schlecht. Medienarbeit ist ein wichtiger Teil meines Berufs, aber am meisten fasziniert mich die tägliche Zusammenarbeit mit den Menschen in unserem Team.

ZEIT ONLINE: Vor allem mit entwicklungsfähigen Talenten?

Schaaf: Es reizt mich zu schauen, wie man Menschen fordern und fördern kann. Ich möchte aber einem Spieler dabei nichts auferlegen, es muss aus ihm selbst kommen. Ich möchte aus den Spielern etwas herauskitzeln und sehen, was machbar ist. Und genau das gefällt mir am Trainerberuf.

ZEIT ONLINE: Habe Sie in Bremen noch die nötige Ruhe für eine langfristig ausgerichtete Arbeit?

Schaaf: Wir haben hier nicht Zustände wie der FC Bayern München. Und in Barcelona oder bei Manchester United kommt in dieser Hinsicht sicher noch eine Schippe drauf, was die Aufmerksamkeit durch die Medien betrifft. Von solchen Zuständen sind wir weit entfernt. Aber die Ruhe, Beschaulichkeit und Idylle, die uns in Bremen nachgesagt wird, die gibt es doch gar nicht mehr. Die gab es früher vielleicht. Heute werden die Dinge in den Medien durch das Internet so schnell weitertransportiert. Heute werden doch schon Trainingseinheiten live gezeigt. Davon war man vor zehn Jahren weit entfernt. Diese Entwicklung ist verrückt.

ZEIT ONLINE: Zu Ihrem Dienstjubiläum haben Sie eingeräumt, dass vieles in der Branche Profifußball nicht mehr nach Ihrem Geschmack verläuft.

Schaaf: Nicht unbedingt vieles, aber ich kann schon verstehen, dass einiges in unserer Branche für einen normalen Fußballfan nur schwer oder nicht mehr verständlich ist. Dass für Cristiano Ronaldo 94 Millionen Euro gezahlt werden, halte ich mitten in der Wirtschaftskrise für kaum vermittelbar. Aber es ist der Markt. Was mich insgesamt stört, ist die Schnelllebigkeit unserer Branche und ihr Bild in den Medien. Es geht leider viel zu oft nur noch um Schwarz und Weiß, aber nicht darum, den zweiten Blick zu wagen, differenziert zu berichten. Oft läuft das so: Schublade auf, Klischee bedienen, Story fertig. Das macht vieles kaputt.

ZEIT ONLINE: Ist es Ihre Aufgabe als Trainer, einen jungen Spieler wie Marko Marin, für den Werder zehn Millionen Euro Ablöse gezahlt hat, vor überzogenen Erwartungen zu schützen?

Schaaf: Zunächst einmal: Ihre Zahl ist falsch. Wir zahlen deutlich weniger. Man sollte einen Spieler grundsätzlich nicht an irgendwelchen Summen messen. Man sollte ihn am Sportlichen messen. Wir haben eine Vorstellung, was wir mit Marko erreichen können. Den Weg wollen wir zusammen gehen. Marko Marin passt zu unserer Fußball-Philosophie.

ZEIT ONLINE: Sport und Unterhaltung gehören in der Bundesliga mittlerweile zusammen. Wie gehen Sie mit der Boulevardisierung des Sports um?

Schaaf: Fußball hat eine immer größere Bedeutung in unserer Gesellschaft. Da wird mittlerweile alles interessant. Wir bei Werder haben am Beispiel von Diego und Sarah Connor erlebt, welche Blüten das treibt. Diego wurde von Fotografen auf Schritt und Tritt verfolgt. Oder die Sache mit seinem Alkoholtest. Daraus ist ein Riesentheater gemacht worden. Am Ende blieb stehen, dass er gefahren war, obwohl er Wein getrunken hatte, was natürlich schlecht ist. Aber er ist nie für irgendetwas bestraft worden, darüber wurde aber nicht berichtet. Woanders ist das sicher noch extremer, bei David Beckham und seiner Frau zum Beispiel. Dass solche Dinge irgendwann auch mal nach Deutschland kommen und unsere Bundesliga betreffen, war mir klar. Ich weiß nur nicht, ob das so gut ist.

ZEIT ONLINE: Aber ist es nicht dieser Trend, der die Maschinerie Profifußball mit ihren Millionensummen erst ermöglicht?

Schaaf: Die großen Summen kommen vom Fernsehen. Aber der Boulevard erreicht viele Menschen und hält das Interesse wach. Ich kann auf solche Schlagzeilen verzichten, weil ich dafür zuständig bin, mit unserer Mannschaft erfolgreichen Fußball zu bieten. Jemand von der Marketing-Abteilung eines Bundesligavereins mag darüber vielleicht anders denken.

ZEIT ONLINE: Welche Vereine haben abseits der Schlagzeilen die besten Chancen, in der neue Saison eine führende Rolle zu spielen?

Schaaf: Wenn man Erster ist, gibt man ungern etwas ab. Für den VfL Wolfsburg wird es natürlich schwierig, weil Spiele gegen den Meister immer eine besondere Herausforderung sind. Darüber hinaus gibt es einen großen Kreis, der sich um den Titel bemühen wird. Der FC Bayern München vorneweg, danach kommen unter anderem der VfB Stuttgart und der Hamburger SV. Wir hoffen natürlich, dass wir in diesem Rennen wieder dabei sein werden. Auf jeden Fall gibt es eine große Konkurrenz. Das ist keine Schwäche der Bundesliga, sondern zeigt die sehr hohe Qualität, die der deutsche Fußball zu bieten hat.

Die Fragen stellte Christian Otto.

Quelle: ZEIT ONLINE

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