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Sport: Werder und Schalke haben sich lieb

Vor dem Spitzenspiel zeigen beide Respekt

Oliver Reck ist zufrieden. Der Torwarttrainer von Schalke 04 lobt die Verantwortlichen für kontinuierliche, besonnene und ruhige Arbeit. Ihm gefalle die Bescheidenheit. Und die Personalpolitik sei in diesem Jahr wieder einmal beispielhaft: „Es ist schon beeindruckend, wie schnell sich die Neuen eingefunden haben, Diego, Mertesacker, Womé.“ Diego? Mertesacker? Tatsächlich. Oliver Reck spricht nicht von Schalke, sondern vom heutigen Gegner Werder Bremen. Das Spitzenspiel heute im Bremer Weserstadion (17 Uhr, live bei Arena) wird einen Hinweis darauf geben, wer das Rennen um die Meisterschaft am Ende für sich entscheiden wird. Für die Fans ist es auch darüber hinaus eine besondere Begegnung. Die Schalker sind bei den Bremer Anhängern schlecht angesehen, seit sie die halbe Meistermannschaft von 2004 nach Gelsenkirchen lockten. Und unter den Spielern gab es beim letzten Aufeinandertreffen in Bremen (0:0) zahlreiche Rangeleien, in deren Verlauf Bremens Micoud dem Schalker Kollegen Poulsen in den Unterleib griff. Es ist also reichlich Konfliktstoff vorhanden. Nur die Verantwortlichen bleiben ruhig. Keine Provokationen, nirgends. „Es ist kein Jahrhundertspiel“, sagt Werders Sportdirektor Klaus Allofs, der genauso redet wie Reck, wenn er vom Gegner spricht: Sehr gut besetzt, ein echtes Spitzenteam, vor dem Werder Respekt habe.

Der frühere Schalke-Manager Rudi Assauer war immer für einen verbalen Angriff gut. Doch seit Leute wie Manager Andreas Müller und Trainer Mirko Slomka die Verantwortung tragen, ist das vorbei. Sie scheinen sich die Bremer Ruhe zum Vorbild zu nehmen. „Es ist nicht so, dass wir uns dort etwas abschauen“, sagt zwar Reck. Dennoch nennt er als eine der wichtigen Voraussetzungen für eine erfolgreiche Rückrunde, „sich mit großen Parolen zurückhalten“. Vielleicht hat er das in Bremen gelernt. Zweimal, 1988 und 1993, ist er als Torwart mit Werder Deutscher Meister geworden.

Die Schalker haben die Turbulenzen zu Saisonbeginn gut überstanden. Weder die vorübergehende Suspendierung von Stürmer Gerald Asamoah noch der Presseboykott oder der Tausch im Tor von Frank Rost zu Manuel Neuer haben der Mannschaft etwas anhaben können. „Das hat gezeigt, dass die Mannschaft fest zusammensteht“, sagt Reck. Die Ruhe im Umfeld ist auch das, was Werder und Schalke vom FC Bayern unterscheidet. Acht Punkte liegen die Münchner bereits zurück. Heute Abend werden es mindestens neun sein. „Die Meisterschaft wird vermutlich zwischen uns und Werder entschieden“, sagte Reck – am Freitagnachmittag. Nach dem 0:3 der Bayern in Nürnberg wird man das Wort „vermutlich“ vermutlich streichen dürfen. Derart schwache Bayern – wer weiß, wann diese Chance wiederkommt. Reck ist zuversichtlich, dass der Titel erstmals seit 1958 nach Gelsenkirchen gehen könnte: „Wir können das System je nach Spielern und Gegner variieren. Werder spielt dagegen immer mit einem 4-4-2. Das ist vielleicht ein Vorteil.“

Das spielerische Potenzial dürfte dagegen bei Werder größer sein, besonders in der Offensive. Werder hat 52 Tore in 19 Spielen erzielt, 2,73 pro Spiel. Schalke kommt auf 34. „Es wird ein Spiel auf der Kippe mit vielen Offensivaktionen werden“, prophezeit Trainer Slomka für heute Abend. Allerdings wird keine der beiden Mannschaften in stärkster Besetzung auflaufen. Bei Werder fehlen Torsten Frings nach der fünften Gelben Karte und wohl auch Torwart Tim Wiese, Schalke muss ohne den gesperrten Rafinha und den verletzten Lewan Kobiaschwili auskommen. Slomka findet das schade – übrigens auch den Ausfall von Frings. „Wir wollen doch die beiden besten Mannschaften Deutschlands sehen.“ Und Frings sei wie Rafinha ein „ganz großer Fußballer“. Es ist noch nicht lange her, da wurde so etwas in Bremen nicht als Lob, sondern als Abwerbungsversuch verstanden.

Steffen Hudemann[Bremen]

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